Morbus Bechterew - Patientengeschichten zeigen: Eigeninitiative auf dem Weg zur Diagnose hilfreich
Dass hinter chronischen Rückenschmerzen Morbus Bechterew stecken kann, ist leider noch viel zu wenig bekannt. Eine Früherkennung ist daher häufig schwierig. Hier kann der Rehumatologe helfen: Nach der Diagnosestellung bekommen die Patienten Zugang zu einer effizienten und innovativen Therapie, die viel Leid ersparen kann.
Fast jeder hat bereits einmal in seinem Leben Erfahrungen mit Rückenschmerzen, Muskelverspannungen oder steifen Gelenken gemacht. Oft steckt nur eine akute Episode dahinter, die kurz andauert und von selbst wieder nachlässt.
Manchmal kann hinter den Episoden jedoch eine ernsthafte chronische muskuloskeletale Erkrankung stecken, wie beispielsweise Morbus Bechterew. Männer sind um das zwei- bis fünffache häufiger betroffen als Frauen. Die meisten Patienten und Patientinnen sind noch recht jung und erkranken vor dem 30. Lebensjahr, also in einem Lebensabschnitt, in dem sie mitten im Berufsleben stecken.
Ein von der britischen Work Foundation veröffentlichter Report „Fit for Work?“ zeigt, dass muskuloskeletale Erkrankungen – zu denen auch Morbus Bechterew zählt – in Österreich die häufigste Ursache von Morbidität, Krankenstandstagen und Frühinvalidisierungen darstellen. Die Studie zeigt aber auch, dass gerade ein aktives Berufsleben positiv zu Genesung beitragen kann. Die wesentlichen Entscheidungsträger wie insbesondere auch die Politik sollten die ökonomischen und psychosozialen Vorteile früher Intervention erkennen und Maßnahmen treffen, diese zu nutzen.
Früherkennung bei Morbus Bechterew bedeutend
Leider ist diese chronisch-entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule noch viel zu wenig bekannt und wird oft entsprechend spät erst diagnostiziert. Dabei können Früherkennung und eine angemessene Therapie den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Im Schnitt wird Morbus Bechterew jedoch erst fünf bis sieben Jahre nach Symptombeginn diagnostiziert. Das auffälligste Symptom, die so genannte Bambusstabwirbelsäule, ist bereits ein Spätsymptom: Durch die chronische Entzündung kommt es – unbehandelt – zu einem fortschreitenden Verlust der Beweglichkeit bis hin zu einer völligen Versteifung der Wirbelsäule. In frühen Stadien ist die Krankheit leider schwer zu diagnostizieren, weil die Symptome oft unspezifisch sind. Umso wichtiger ist es, bei folgenden Symptomen eine Abklärung beim Rheumatolgen zu veranlassen:
• Tief sitzender Rückenschmerz, der sich auf Dauer ausbreitet
• Besserung der Beschwerden bei Bewegung
• Bestehen der Beschwerden seit mehr als drei Monaten
• Morgensteifigkeit im Rücken, über 30-45 Minuten nach dem Aufstehen
• Müdigkeit
• Auftreten von Entzündungsschmerzen der Sehnen und Sehnenansätze, vor
allem in Form von Fersenschmerzen
• Fortschreitende Versteifung der Wirbelsäule bzw. Gelenksentzündung an
peripheren Gelenken (Knie, Handgelenke, Ellenbogen oder Füße)
• Entzündung der Regenbogenhaut (Iritis) oder Bindehaut (Uveitis) im Auge,
Beteiligung von Haut oder Darm
Morbus Bechterew betrifft somit nicht nur die Wirbelsäule, sondern kann auch mit einer begleitenden Symptomatik wie Sehnen- und Augenentzündungen einhergehen. Die Erkrankung ist generell schwer zu diagnostizieren, eine Berücksichtigung der Begleitsymptome kann die Diagnosedauer wesentlich verkürzen.
Entsprechend den Empfehlungen des „Fit for Work-Reports“ sollte der untersuchende Arzt auch das biopsychosoziale Modell vor Augen haben, indem er das gesamte Umfeld des Patienten bei der Diagnosestellung berücksichtigt. Für Patienten gilt daher, dem Arzt die gesamte Krankengeschichte zu erzählen, und nicht nur auf die aktuelle Symptomatik einzugehen!
Initiativen zur Forcierung der Frühdiagnostik
Um die Früherkennung von Morbus Bechterew voranzutreiben bemühen sich verschiedene Gruppen, insbesondere die internationale Initiative der ASAS (Assessment in AS), um die Erarbeitung im klinischen Alltag anwendbarer Kriterien für die Frühdiagnose von Morbus Bechterew. Die bisher gültigen, primär für klinische Studien entwickelten modifizierten New-York-Kriterien sind für die Frühdiagnose der Erkrankung leider vollkommen ungeeignet.
In Deutschland ist mit der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. eine sehr aktive Patientenselbsthilfegruppe den Patienten in allen Belangen ein guter Partner. Ein Besuch auf der Website lohnt sich: http://www.bechterew.de/!
Morbus Bechterew ist zwar nicht heilbar, aber mit einer an den Patienten angepassten Therapie ist es möglich, Anzahl und Dauer der Schübe zu verringern und so die Lebensqualität zu verbessern. Eine frühe Therapie kann die Krankheitsprogression positiv beeinflussen und ist auch deswegen wichtig, weil Patienten bereits in Frühstadien genauso starke Schmerzen haben wie in späteren Erkrankungsstadien.
Die konventionelle Morbus-Bechterew-Therapie besteht aus Krankengymnastik und Bewegungstherapie aber auch medikamentöser Therapie mittels Schmerzmittel, Kortison und kortisonfreie Entzündungshemmer sowie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR).
Manche Patienten profitieren auch von einer Kur in Bergstollen mit dem radioaktiven Edelgas Radon. Seit einigen Jahren werden auch innovative Medikamente, so genannte Biologika, bei Morbus Bechterew eingesetzt. Mit diesen Substanzen ist erstmals eine zielgerichtete Behandlung gerade bei schweren Verläufen möglich.
Lesen Sie, wie es Patienten mit Morbus Bechterew in Österreich ergangen ist:
Joachim D., 39 Jahre, Diagnose Morbus Bechterew nach 2 Jahren
Die ersten Symptome hatte ich kurz vor der Einberufung zum Bundesheer, weshalb ich für untauglich befunden wurde. Ich hatte heftige Kreuzschmerzen besonders in der Nacht. Die Schmerzen waren zum Teil nicht mehr erträglich, sodass ich sogar teilweise im Sitzen schlafen musste, um etwas Erleichterung zu verspüren.
Mit 19 Jahren ging ich zum Hausarzt, der einem richtigen Instinkt folgend einen Bluttest auf HLA-B-27 veranlasste. MR, Röntgen und CT waren ohne Befund. Da aber HLA-B-27 positiv war, stellte der Hausarzt rasch die Diagnose Morbus Bechterew. Ansonsten wurden keine weiteren Untersuchungen durch den Hausarzt gemacht. Zu Beginn habe ich Infiltrationen, Strom, Schmerzmittel und Cortison bekommen, aber es war keine eigentliche Besserung in Sicht. Durch Behandlungen beim Orthopäden (Streckbank, Becken einrichten weil Beckenschiefstand) und beim Physiotherapeuten (Hantelübungen) sind eine Unmengen an Kosten angefallen, die ich mir bei einer sofortigen optimalen Therapie hätte sparen können.
Zur Zeit geht es mir sehr gut. Ich habe weder Krankenstände noch Ängste. Im Alltag komme ich sehr gut zurecht und bin voll arbeitsfähig. Nur schwere Lasten soll ich vermeiden um den Lendenbereich zu schonen. Die Erkrankung wird durch die Schmerzfreiheit in den Hintergrund gestellt und ich kann mich viel besser auf andere Sachen konzentrieren. Ich betreibe sehr viel Sport u.a. Laufen, Tennis, Schifahren, was ich jetzt wieder uneingeschränkt mit der Familie und Freunden ausüben kann. Bewegung tut mir gut.
Geholfen haben mir Biologika, diese Mittel wurden mir jedoch erst vor rund zwei Jahren und damit nach rund 20 Jahren mit Schmerzen erstmals verabreicht. Seitdem fühle ich mich wie neugeboren und schmerzfrei.
Ich empfehle andern Betroffenen so schnell wie möglich einen Rheumatologen aufsuchen. Mentale Stärke ist ganz wichtig. Viel Sport betreiben und das Leben in vollen Zügen genießen. Empfehlen kann ich auch, nicht zu warten, sondern sofort einen Facharzt aufsuchen.
Andreas W., 26 Jahre, Diagnose Morbus Bechterew nach 3 Jahren
Im Frühjahr 2004 erlitt ich zum ersten Mal eine Iridocyklitis, eine Augenentzündung. Bei weiteren Untersuchungen nach dem Grund der Iridocyklitis wurde der HLA-B-27 getestet – Ergebnis: positiv. Im August 2007 bekam ich Beschwerden im linken hinteren Beckenbereich, im Iliosakralgelenk. In einer orthopädischen Ambulanz wurden jedoch keine weiteren Untersuchungen durchgeführt und mir wurden Voltaren-Tabletten verschrieben. Nach aAbsetzen dieser, kamen die Beschwerden wieder, bis ich eines Morgens mit unerträglichen Schmerzen im linken Iliosakralgelenk sowie der linken Hüfte aufwachte, welche bis ins Knie ausstrahlten. Trotz Konsultation mehrerer Ärzte, konnte mir keiner eine Diagnose stellen.
Durch selbstständige Recherchen im Internet bin ich aufgrund meiner Vorgeschichte auf die Idee gekommen, dass auch ich an Morbus Bechterew leiden könnte. Ein Rheumatologe diagnostizierte schließlich Anfang November 2007 eine Seronegative Spondylitis mit hochgradigem Verdacht auf Morbus Bechterew. Nun wurden umfassende Untersuchungen durchgeführt und mir wurden von einer Physiotherapeutin entsprechende Gymnastikübungen beigebracht. Ich begann sofort mit Gymnastik, Rückenschwimmen und generell mehr Bewegung und stellte auch meine Ernährung um. Kurz danach fuhr ich auf Kur welche sehr erfolgreich war.
Ich habe bald nach Diagnosestellung meinen bisherigen Job aufgrund von zu viel Stress in Kombination mit den Beschwerden durch die Krankheit gekündigt. Ich fand allerdings noch während meiner Kündigungszeit einen neuen Job, bei welchem ich mit allem klar komme.
Mit den Schüben kann ich nun aufgrund meines jetzigen Wissens besser umgehen. Hätte ich die Diagnose früher erhalten, hätte ich mich auf die möglichen Folgen vorbreiten können. Am schlimmsten war mein Weg von Arzt zu Arzt, wobei keiner meine Beschwerden wirklich so ernst nahm, dass er gezielt etwas unternommen hätte. Wirklich geholfen hat mir meine erste Kur mit folgender Schmerzfreiheit. Jeder Schmerzpatient sollte nicht nur warten, bis irgendein Arzt etwas unternimmt, sondern selber etwas tun.
Johann G., 60 Jahre, Diagnose Morbus Bechterew nach 3 Jahren
Nach einer Leistenbruchoperation 1965 war ich in orthopädischer Behandlung, da ich zeitweise unter leichteren und stärkeren Rückenschmerzen litt. Dies wurde auf meinen Beruf als Maurer zurückgeführt. Schon damals hatte mein Orthopäde aufgrund von Röntgenaufnahmen den Verdacht auf Morbus Bechterew, daher wurde ich vom Bundesheer befreit.
Auf Grund dieser Diagnose fuhr ich seit 1968 mit Unterbrechungen regelmäßig zur Kur mit Heilstolleneinfahrten. Seit 1992 mache ich nur mehr laufend physikalische Therapien sowie Unterwasser- und Trockenmassagen.
Abgesehen von diesen Aufenthalten und diversen Operationen war ich nie für längere Krankenstände abwesend. Da ich immer viel Gymnastik und Sport gemacht habe, hatte ich beruflich keine Probleme.
Derzeit geht es mir relativ gut mit meinen Bechterew-Schmerzen, da ich seit 2008 Biologika bekomme. Ich bin auch nach wie vor berufstätig. Heute kann man nur jedem Betroffenen empfehlen, sämtliche Möglichkeiten auszunützen, um an Informationen über den heutigen Wissensstand sowie die neuesten Therapien zu kommen.
Regina R., 50 Jahre, Diagnose Morbus Bechterew nach 16 Jahren!
Nach der Geburt des zweiten Kindes mit 22 Jahren begannen meine Beschwerden, welche sich in tief sitzenden Rückenschmerzen äußerten. Dies ging so weit, dass ich mein neugeborenes Kind fast nicht heben konnte. Der praktische Arzt und der Orthopäde konnten mir leider nicht weiterhelfen. Aus lauter Verzweiflung ging ich längere Zeit überhaupt zu keinem Arzt mehr.
1997 ging ich zu einem Orthopäden, der sofort ahnte, dass ich an Morbus Bechterew leide. Im Krankenhaus Lainz wurde dieser Verdacht nach einigen weiteren Untersuchungen bestätigt. Allerdings hatte ich jetzt bereits das Stadium II erreicht. Ich war eigentlich nur erleichtert, dass meine „Zustände“ nun endlich einen Namen hatten.
Da ich im Laufe der Jahre auch Knie-, Handgelenks- und Fingerarthrosen bekam, reduzierte ich meine Arbeit als Krankenschwester auf 35 Stunden. Trotzdem verschlimmerten sich die Beschwerden, was sich in vermehrten Krankenständen äußerte. Obwohl ich in den letzten Jahren jedes Jahr zur Kur fuhr und regelmäßig Bewegung machte, ging es mir immer schlechter. Derzeit bin ich arbeitslos. Aufgrund meines Alters, der 60-prozentigen Behinderung und meiner fortgesetzten Beschwerden ist es mir auch nicht möglich, einen anderen Job zu finden.
Mit meinem heutigen Wissen über Bechterew, der medikamentösen Therapie, therapeutischen Anwendungen und mithilfe meines Rheumatologen komme ich mittlerweile aber gut zurecht. Eine frühzeitige Diagnostizierung des Bechterew durch Ärzte, die meine Beschwerden ernst genommen hätten und eine fundierte Aufklärung wären damals ausgesprochen hilfreich gewesen.
Hans Sch., 71 Jahre, Diagnose Morbus Bechterew nach 42 Jahren!
Heute kann ich sagen, dass der Bechterew mit neun Jahren begann, aber zunächst als Wachstumsschwierigkeiten und als Arthrose falsch diagnostiziert wurde. 1982 war ich das erste Mal in Bad Hofgastein zur Kur, dennoch wurde der hausärztliche Befund Spondylarthrose nicht in Frage gestellt. 1989 habe ich meinen Arzt gebeten, auf Bechterew untersucht zu werden. Die Untersuchungen ergaben eine Bestätigung meiner Annahme. In Folge besuchte ich den Stollen, wobei nach der fünften Einfahrt relative Schmerzfreiheit gegeben war. Zwei Jahre später brauchte ich bereits sieben Einfahrten, um den gleichen Effekt zu erreichen. Weitere zwei Jahre später ergab die Stollenkur keine signifikante Besserung.
Als mir endlich die Diagnose Bechterew gestellt wurde, war ich nur erleichtert, da bis dahin alle möglichen Krankheiten in meinen Gedanken möglich erschienen. Nach der endlich erfolgten Diagnose Bechterew hat mir Yoga, Weihrauch, Schmerztabletten und der Austausch mit anderen in der Selbsthilfegruppe wesentlich geholfen.
Quelle: Pressemitteilung Public Health PR GmbH, Wien