Medikamente vor der Operation absetzen? Wie das Komplikationsregister der DGORh schwere Rheumaschübe und Infektionen verhindert
Neue Medikamente wie etwa Biologicals, aber auch die mittlerweile konsequente Anwendung der klassischen Basistherapeutika haben den Krankheitsverlauf bei Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen deutlich verbessert. Welche Konsequenzen sich daraus bei operativen Eingriffen ergeben, erläuterte Privatdozent Dr. med. Klaus Schmidt, Kongresspräsident Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), auf der Pressekonferenz anlässlich des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), am 20. September 2012 in Bochum.
Die heutigen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten haben in vielen Fällen zu einem grundlegenden Wandel des rheumatischen Krankheitsverlaufs bei vielen Patienten geführt. Erfreulicherweise sind die aggressiven Entzündungsverläufe mit wuchernden Gewebsmassen und massiver Ergussbildung mit rascher Zerstörung von gleichzeitig mehreren Gelenken selten geworden.
Dies hat zu einem Wandel in der operativen Versorgung von an entzündlichem Rheumatismus Erkrankten geführt. Der Anteil von endoskopisch oder auch offen durchgeführten Entfernungen von rheumatischem Entzündungsgewebe ist selten geworden.
Dafür ist die Anzahl von notwendigen Gelenkrekonstruktionen unverändert hoch geblieben. In Deutschland werden jährlich etwa 400 000 Endoprothesen (EPs) bei steigender Tendenz eingebaut. Da die Anzahl von Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA), die Hüft- und Knieprothesen erhalten konstant blieb, ging der relative Anteil von drei Prozent auf zwei Prozent zurück.
Der Anteil von Rheumapatienten mit Endoprothesenversorgung an Schulter, Ellbogen, Finger, Sprunggelenk etc. ist mit mehr als 50 Prozent deutlich höher. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit eine EP zu bekommen für den Rheumatiker circa 5-fach erhöht. Etwa 25 000 EPs werden bei RA-Patienten jährlich eingebaut.
Gerade diese Eingriffe gelten bei immunologisch rheumatisch Erkrankten als komplikationsträchtig. Problematischerweise greifen die für die Rheumabehandlung segensreichen Basistherapeutika ebenfalls in das Immunsystem ein. Es galt daher lange Zeit für alle Basistherapeutika die Empfehlung, diese vor Operativen abzusetzen. Dieses Vorgehen löste leider oftmals einen für den Patienten schädlichen Rheumaschub mit erneuten Gelenkschäden aus.
Es dauerte leider Jahrzehnte bis für die klassischen Basistherapeutika die wissenschaftliche Risiko-Nutzenanalyse verbindliche Empfehlungen der perioperativen Medikamenteneinnahme für die verschiedenen Basistherapeutika ermöglichte. Mittlerweile gilt die Empfehlung das klassische Basistherapeutikum Methotrexat (MTX) bei den meisten Operationen weiter einzunehmen, während andere dringlich abgesetzt werden sollten.
Die neuen sogenannten Biologika greifen ebenfalls gezielt in die Immunabwehrmechanismen ein. Eine zumindest in den ersten Jahren die Einnahme erhöhte Rate an Infektionen erscheint nach der derzeitigen Datenlage als sehr wahrscheinlich. Daher gilt nun erneut die Empfehlung der Fachgesellschaften Biologicals generell gezielt vor Operationen abzusetzen. Diese Vorsichtsmaßnahme beeinflusst aber den Krankheitsverlauf ungünstig unter anderem mit erneuten Rheumaschüben.
Um ähnlich wie für die klassischen Basismedikamente auch für die neuen Biologicals möglichst zeitnah verbindliche Empfehlungen bezüglich der Frage: „Vor der Operation absetzen oder weitergeben“ zu erarbeiten, leiten rheumaorthopädische Schwerpunktkliniken unter der Organisation der DGORh anonymisierte Patienten Daten in ein Zentralregister. Nach Auswertung und Analyse der Daten wird die Anzahl perioperativer zum Teil schicksalhafter Komplikationen wie Infektionen oder schwere Rheumaschübe verringert werden können.
In der Diskussion ergaben sich eine Reihe von Fragen, die von Privatdozent Dr. Klaus Schmidt wie folgt beantwortete wurden:
Wie lange vor einer Operatiom solltem Biologicals abgesetzt werden? "Zwei Halbwertszeiten, die allerdings für die einzelnen Medikamente ganz unterschiedlich sind."
Welche Komplikation ergeben sich bei Patienten, die mit Glukokortikoiden behandelt werden, und wie häufig sind diese? "Die Komplikationsraten liegen zwischen zwei bis drei Prozent. Dazu gehören Veränderungen der Haut und des Bindegewebes."
Gilt bei Komplikationen unter Biologicals eine lebenslange "Sperre" für dies Medikamente? "Die Komplikationen sind auch wieder individuell unterschiedlich. Eine lebenslange Kontraindikation ergibt sich daraus aber nicht."
Wieviel Kliniken sind an dem Register beteiligt? "Bisher umfasst das Register sechs Schwerpunktkliniken, die die Voraussetzungen erfüllen."
Quelle: Vortrag Privatdozent Dr. med. Klaus Schmidt
Kongresspräsident Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), Chefarzt an der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rheumaorthopädie, Katholisches Krankenhaus Dortmund-West
Pressemitteilung zur Pressekonferenz anlässlich des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Donnerstag, 20. September 2012, RuhrCongress
Kathrin Gießelmann/Christina Seddig
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) Kongress-Pressestelle