Lanzeittherapie mit Antibiotika bei infektreaktiver Arthritis unwirksam?
Die Langzeittherapie mit dem Antibiotikum Azithromycin über drei Monate zur Behandlung der infektreaktiven Arthritis war einer Placebotherapie nicht überlegen.
Bestimmte Infektionen des Harn- und Geschlechttraktes, der Luftwege oder des Darmes können nach einigen Tagen bis Wochen schmerzhafte Gelenkentzündungen hervorrufen. Man spricht dann von einer infektreaktiven Arthritis. Die Therapie einer solchen Gelenkentzündung wird unterschiedlich gehandhabt. Häufig werden Antibiotika über einen langen Zeitraum von mehreren Wochen verschrieben, da der Auslöser der Erkrankung auf einen Krankheitserreger zurück zu führen ist.
Ob eine antibiotische Langzeittherapie tatsächlich von Nutzen ist, war Gegenstand einer groß angelegten Studie, an der mehrere Therapiezentren teilnahmen.
Dr. Tore K Kvien ( Diakkonhjemmet Hospital, Oslo, Norwegen) berichtete in der Septemberausgabe einer wissenschaftlichen rheumatologischen Zeitschrift von den Ergebnissen dieser Studie.
186 Patienten mit einer infektreaktiven Arthritis nahmen an der Studie teil. Alle Patienten erhielten eine Einmalgabe Azithromycin (einem modernen Breitspektrumantibiotikum), danach wurde die Azithromycintherapie bei der einen Hälfte der Patienten über 12 Wochen fortgeführt, die anderen Patienten erhielten Placebo. Im nächsten halben Jahr wurde einmal im Monat die Krankheitsaktivität, die Anzahl der geschwollenen und/oder schmerzenden Gelenke und gegebenenfalls der Zeitpunkt der Heilung festgehalten.
Überraschenderweise war die Azithromycingruppe in keinem dieser Punkte der Placebogruppe überlegen. Die antibiotisch behandelten Studienteilnehmer beklagten lediglich mehr Nebenwirkungen - vorallem im Magen-Darmbereich.
Diesen Ergebnissen zur Folge ist die antibiotische Langzeittherapie nicht zur Behandlung der infektreaktiven Gelenkentzündungen geeignet. Als einzige Ausnahme räumt Kvien die durch eine Chlamydien verursachte Arthritis ein. Hier haben ältere Studien einen Benefit durch eine dreimonatige Therapie mit Tetracyclinen herausarbeiten können.
Was hilft dann?
Häufig heilt die infektreaktive Arthritis von alleine nach einigen Wochen aus. Bis dahin helfen Ruhigstellung, cortisonfreie Rheumamedikamente und manchmal auch Cortison. Kommt es in seltenen Fällen nicht zum spontanen Abklingen der Beschwerden, so empfiehlt Kvien den Einsatz bestimmter Basismedikamente - allen voran Sulfasalazin und Methotrexat. In jüngster Zeit wird bei chronischen Verlaufsformen auch der Einsatz von Tumor Nekrose Faktor-Blockern getestet.
Dieser Empfehlung schließt sich der finnische Experte auf diesem Gebiet Dr. Auli Toivanen von der Turku Universität an. Auch er konnte in seinen Studien kein Überlegenheit einer antibiotischen Therapie zur Behandlung der infektreaktiven Arthritis feststellen.
Zusammenfassend kann eine antibiotische Langzeittherapie nicht mehr zur Behandlung infektreaktiver Arthritiden empfohlen werden (Ausnahme:Chlamydienarthritis s.o.) Als Erklärungsmodell zieht Kvien die Möglichkeit in Betracht, dass der Erreger selbst nur der Auslöser für bestimmte immunologische Prozesse ist, die sich dann verselbstständigen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Erreger selbst den Krankheitsprozess am Laufen halten, der Organismus aber zum Zeitpunkt der Arthritis nicht für Antibiotka empfänglich ist.
Literatur: Kvien TK, Gaston JSH, Bardin T, et al. Three-month treatment of reactive arthritis with azithromycin: a EULAR double blind, placebo controlled study. Ann Rheum Dis 2004; 63:1113-1119