Kennen Sie Ihre Medikamente? Herzlichen Glückwunsch!
Patientengerechte Aufklärung und Beratung sichert den Behandlungserfolg.
Mehr als die Hälfte der in einer Studie befragten Patienten kannten ihre genaue Diagnose, die Medikamente und den dazu gehörigen Behandlungsplan nicht. Auch häufig auftretende Nebenwirkungen waren ihnen nicht erklärt worden.Nicht nur für die Patienten, sondern auch für die behandelnden Ärzte sind diese Ergebnisse erschreckend.
Auf Patientenseite zeugen sie zum Beispiel von Unverständnis gegenüber den Erklärungen des medizinischen Personals, Missverständnissen bei der Ausführung der Anweisungen oder im schlimmsten Fall von Desinteresse am eigenen Gesundheitszustand.
Auf Seite der Ärzte und des Pflegepersonals wird nicht ausreichend sicher gestellt, dass die Patienten alle Anweisungen verstanden haben und bereit sind, sie zu befolgen. Diese Anweisungen müssen sich vor allem an den Bedürfnissen des Patienten orientieren. Sonst kommt es als Folge möglicherweise zu einer erneuten Aufnahme des Patienten in die Klinik, weil durch Einnahmefehler gesundheitlicher Schaden nicht abgewendet wurde oder sogar neu entstanden ist.
Die Studienergebnisse wurden in der August-Ausgabe der Mayo Clinic Proceedings von Amgad Makaryus (North Shore University Hospital in Manhasset, N.Y.) und Eli Friedman (State University of New York, Health Science Center in Brooklyn, N.Y) veröffentlicht. Diese Zeitschrift wird übrigens bereits seit 75 Jahren in einer Anzahl von 130.000 Exemplaren herausgegeben und international verbreitet.
Bei 43 Patienten, die zwischen Juli und Oktober aus einem Krankenhaus entlassen wurden, fragten die Ärzte nach dem Kenntnisstand zur Entlassungsdiagnose, zur Medikation, zum Therapieplan (welches der verschriebenen Medikamente muss wann wie genommen werden) und zu den möglichen Nebenwirkungen.
72 % der Patienten konnten nicht alle ihre Medikamente benennen und/oder wussten nicht, welchem Zweck diese Medikation dienen sollte. Etwa 58 % waren nur unzureichend über ihre Krankheitsdiagnose informiert.
Natürlich ist die mangelhafte Übermittlung der Inhalte nicht die einzige Ursache für das Nichtbefolgen eines Behandlungsplans, aber nach Erkenntnis der beiden amerikanischen Ärzte der Hauptgrund.
Folgende Punkte sind für den Erfolg der Entlassungsgespräche besonders wichtig:
- Die Sprache: der Patient muss die Begriffe verstehen können, also dürfen keine medizinischen Fachausdrücke verwendet werden.
- Der Praxisbezug: die Patienten müssen die Anweisungen befolgen können, ohne dass ihr tägliches Leben zu stark eingeschränkt oder verändert wird.
- Die Zeit: für die Aufklärung muss ausreichend Zeit eingeplant werden, um alles in Ruhe erklären zu können und Fragen des Patienten zufriedenstellend beantworten zu können.
Friedman erklärte, dass eine kontinuierliche Fortsetzung der in der Klinik eingeleiteten Behandlung ohne die Befolgung dieser drei Punkte nicht gewährleistet ist.
Auch Edward Rosenow III, Facharzt der Abteilung für Lungenheilkunde und Intensivmedizin der Mayo Clinic, hat sich mit diesem Thema befasst.
Er schlägt 11 Punkte vor, die die Nachsorgesituation für die Patienten verbessern sollen:
- Bereits im Kindesalter sollte die Bedeutung der Compliance (Bereitschaft zur Befolgung von Therapie- und Medikationsplänen) vermittelt werden.
- Krankheitsdiagnosen sollten den Patienten und ihren Familien in schriftlicher und für die jeweilige Bildungssituation verständlicher Form zur Verfügung gestellt werden. Internetseiten sollten benannt werden, die zusätzlich entsprechende Informationen anbieten. Er nennt hier medlineplus.gov und MayoClinic.com.
- Es sollte versucht werden, jeden Patienten frühzeitig auf seine wahrscheinliche Compliance einzuschätzen und dann entsprechend zu (re)agieren. Bewertet werden können hierfür u.a. Alter, Bildungsniveau, Sprachkenntnisse, Anzahl der Medikamente und der allgemeine Gesundheitszustand.
- Die verschiedenen Kliniken sollten Arbeitsgruppen bilden, die Verbesserungen ausarbeiten und dann für eine einheitliche Umsetzung der Beschlüsse sorgen. Patienten, die an unterschiedliche Kliniken geraten, werden so immer auf die gleiche Art angesprochen und betreut.
- Patientenschulungen sollten regelmäßig durch entsprechend ausgebildetes, mehrsprachiges Personal durchgeführt werden.
- Kulturelle Besonderheiten der verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen müssen bei der Ausarbeitung der Therapiepläne Berücksichtigung finden.
- Es sollten besonders solche Therapiemöglichkeiten angewendet werden, bei denen eine direkte Kontrolle durch motivierte und speziell geschulte Helfer (dies können auch Familienangehörige sein) möglich ist.
- Bei der Entlassung sollte eine Zusammenfassung von Untersuchungsergebnissen, Diagnosen und Therapieplänen für den jeweiligen Patienten in einer für ihn verständlichen Formulierung und gegebenenfalls in seiner Landessprache erstellt werden. Allgemeine Vordrucke sind dafür häufig nicht geeignet.
- Chronisch kranken Patienten sollten Ansprechpartner bei Selbsthilfegruppen genannt werden.
- Für jedes Medikament, das ein Patient bekommt, sollte ihm Bildmaterial zur Verfügung gestellt werden, aus dem das Aussehen, die Anwendungsweise sowie Nutzen und Nebenwirkungen des Präparates hervor gehen. Auch die Notwendigkeit der Compliance kann dann auf diesem Wege noch einmal betont werden.
- Die Beipackzettel in den Medikamentenpackungen sollten in größerer, leicht lesbarer Schrift gedruckt werden. Auch die Packungen selbst sollten mit besser verständlichen Anweisungen und Beschreibungen des Inhaltes versehen werden.