Kein erhöhtes Tumorrisiko durch TNF-alpha-Antagonisten
Ergebnisse einer Langzeitbeobachtung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) in Schweden bestätigen erneut, dass die Einnahme von Tumornekrosefaktor-alpha-Antagonisten nicht zu einem erhöhten Tumorwachstum beiträgt.
Immer wieder wird an rheuma-online die Frage nach Nebenwirkungen bei der Therapie mit TNF-alpha-Antagonisten gestellt, insbesondere inwieweit deren Einnahme die Wahrscheinlichkeit erhöht, ein malignes Geschehen in Gang zu setzen.
Eine Wirkung von TNF-alpha ist die Schädigung der Gefäße von Tumoren, so dass durch mikroskopisch kleine Öffnungen Immunzellen in den Tumor eindringen und ihn angreifen können. Bei der Einnahme eines Antagonisten dieses körpereigenen Stoffes wäre es denkbar, dass die genannte positive Wirkung ausbleibt, in Folge also vermehrt Tumore entstehen könnten.
Bereits 2003 ergaben umfangreiche Studien in den USA (Material von mehr als 10.000 Patienten), dass im Vergleich zur Normalbevölkerung außer Lymphomen keine weiteren bösartigen Erkrankungen unter Therapie mit TNF-alpha-Antagonisten gehäuft auftraten. Die sonst unter einer Therapie mit immunsuppressiven Substanzen häufig zu beobachtenden Tumorformen wie Kaposi-Sarkome oder maligne Melanome wurden dagegen überhaupt nicht gefunden.
Im Vergleich zu anderen Patienten mit RA ohne TNF-alpha-Antagonisten-Therapie war die Zahl der Lymphom-Erkrankungen etwa genauso hoch. Das heißt, dass das Risiko von Patienten mit RA, an einem Lymphom zu erkranken, generell erhöht ist, unabhängig von der Therapie.
In den letzten Jahren (1999-2004) wurde in Schweden eine Langzeitbeobachtung zum Thema Tumorrisiko bei Patienten mit RA an einer großen Patientenzahl durchgeführt. Jetzt gibt es auch hier erste Ergebnisse.
Die Wissenschaftler des Karolinska Institut der Universität Stockholm untersuchten das relative Risiko von RA-Patienten, an Tumoren des blutbildenden Systems zu erkranken unter besonderer Beachtung des relativen Lymphom-Risikos, das mit der Einnahme von TNF-α-Antagonisten verbunden sein könnte.
Für die Einordnung der Daten wurde das schwedische Krebsregister herangezogen. Weiterhin wurden Gewebeproben erneut untersucht, die den 12 Lymphom-Patienten unter TNF-alpha-Antagonisten-Therapie in Schweden zwischen 1999 und 2004 entnommenen worden waren. Es sollte hierbei geklärt werden, ob die Lymphome unter TNF-alpha-Antagonisten-Therapie besondere Charakteristika aufweisen.
RA-Patienten unter TNF-alpha-Antagonisten-Therapie haben nach dieser Studie ein dreifach erhöhtes Lymphom-Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung. Unter Berücksichtigung von Geschlecht, Alter und Krankheitsdauer war das Lymphom-Risiko aber nicht höher als in anderen Patientengruppen mit RA.
Die Proben der Lymphome unter TNF-alpha-Antagonisten-Therapie entsprachen in den Charakteristika denen von Lymphomen bei RA-Patienten ohne diese Therapie. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass die TNF-alpha-Antagonisten-Therapie ohne Einfluss auf ein Erkrankungsrisiko für Lymphome ist.
Insgesamt ergab die Beoachtung, dass Patienten, die mit TNF-alpha-Antagonisten behandelt werden, kein höheres Risiko haben, an einem Lymphom zu erkranken, als andere RA-Patienten. Über die Langzeiteffekte dieser noch recht jungen Therapieform kann allerdings erst nach längeren Beobachtungszeiträumen geurteilt werden.
Verständlich ist die Angst vieler Patienten, die den Teufel (RA) nicht mit einem Belzebub austreiben wollen. Da wirksame Substanzen gegen schwere Erkrankungen meist auch starke Nebenwirkungen haben, muss generell erhoffter Nutzen und möglicher Schaden gegeneinander abgewogen werden.
Vor der Einnahme der TNF-alpha-Antagonisten sind genaue Untersuchungen des Patienten nötig. Es gibt Ausschlusskriterien für diese Therapie, und sie sollte unter Aufsicht eines erfahrenen Rheumatologen durchgeführt werden. Folgende Punkte sind besonders zu beachten:
- Die Behandlung sollte nicht begonnen bzw. abgebrochen werden bei Vorliegen oder Auftreten ernster lokaler oder allgemeiner, akuter oder chronischer Infektionen.
- Alte tuberkulöse Veränderungen erfordern eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung und eine röntgenologische Überwachung. Vor Therapiebeginn sollte ein Test auf Tuberkulose durchgeführt werden (Tuberkulin-Test, Test nach Mandel-Mantoux). Bei positivem Testergebnis muß zunächst eine Tuberkulosetherapie durchgeführt werden, bevor die Behandlung mit dem TNF-Blocker begonnen wird. Unter der Aufnahme der TNF-alpha-blockierenden Behandlung ist dann zunächst noch parallel eine Tuberkulosevorbeugung mit einem niedrig dosierten Tuberkulosemittel nötig.
- Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen während der Therapie sollte nicht erfolgen.
- Besondere Vorsicht ist geboten bei chronischen Virusinfektionen und beim Vorliegen bestimmter Tumoren.
- Erfahrungen mit der Therapie während Schwangerschaft oder Stillzeit liegen nicht vor.
- Erfahrungen bei der Anwendung vor, während und nach operativen Eingriffen liegen ebenfalls nicht vor.
- Die Behandlung ist wegen unzureichender Wirksamkeit abzubrechen, falls es nicht innerhalb von 8-12 Wochen zu einer deutlichen dokumentierbaren Besserung der klinischen und labormedizinischen Aktivitätsparameter gekommen ist.
Wenn diese Auflagen aber erfüllt werden, ist die Therapie äußerst wirksam bei der Behandlung der RA, so dass sie zunehmend auch als „first-line“-Therapie akzeptiert wird.
Die bisherige Einstufung von Basismedikamenten gegen RA als DMARDS (disease modifying antirheumatic drugs= krankheitsmodifizierende Medikamente) muss wohl um die Klasse der DCARDS (disease controlling antirheumatic drugs= krankheitskontrollierende Medikamente) erweitert werden, da es unter Therapie mit TNF-α-Antagonisten (wie Etanercept oder Infliximab) zu einem völligen Stillstand der Erkrankung kommen kann.
Literatur
Askling J, Fored M, Baecklund E, Brandt L, Backlin C, Ekbom A, Sundstrom C, Bertilsson L, Coster L, Geborek P, Jacobsson L, Lindblad S, Lysholm J, Rantapaa-Dahlqvist S, Saxne T, Klareskog L, Feltelius N., Karolinska Institutet, Sweden.
Hematopoietic malignancies in rheumatoid arthritis. Lymphoma risk and characteristics following TNF- antagonists. Ann Rheum Dis. 2005 Apr 20