Karpaltunnel-Syndrom - eine Berufskrankheit ?
Die Anerkennung des Karpaltunnel-Syndroms als Berufskrankheit lässt in Deutschland noch auf sich warten. Im Gegensatz dazu macht das Karpaltunnel-Syndrom in den USA schon seit Jahren inzwischen den Hauptteil aller Berufskrankheiten durch Büroarbeit aus.
Das Karpaltunnel-Syndrom entsteht bei Einengung des Medianusnerven durch ein Bindegewebsband an der Beugeseite des Handgelenkes. Es tritt unter anderem im Rahmen bestimmter rheumatischer Erkrankungen, bei hormonellen Veränderungen, nach Verletzungen oder ohne erkennbare Ursache auf. Inwieweit auch Überlastungssituationen im Beruf zur Entstehung eines Karpaltunnel-Syndroms beitragen, wird unterschiedlich diskutiert. Tatsache ist, dass sich das Karpaltunnel-Syndrom im Zeitalter des Computers drastisch verbreitet.
Die ersten Beschwerden stellen sich meist nachts in Form von unangenehmen Kribbelgefühlen in den ersten drei Fingern der Hand ein. Meistens lässt sich eine Besserung durch kräftiges Schütteln der Hand bewirken. Mit Fortschreiten der Erkrankung kann es durch Schädigung von Finger- und Handmuskulatur zu erheblichen Funktionseinschränkungen der Hand kommen, bis dahin, dass Feinarbeiten völlig unmöglich werden.
Die Expertenwelt ist sich im Augenblick nicht einig darüber, ob ein Karpaltunnel-Syndrom Folge von Überlastungstätigkeiten, wie zum Beispiel berufliche Tätigkeiten an einer Computertastatur sein kann oder nicht. Während das Karpaltunnelsyndrom in den USA inzwischen den Hauptteil aller Berufskrankheiten durch Büroarbeit ausmacht, heißt es in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, dass das Karpaltunnelsyndrom bei Beschäftigen, die viel am Computer arbeiten, nicht häufiger als in der übrigen Bevölkerung vorkomme.
Sicher ist, dass Tätigkeiten, die mit sich stets wiederholenden Bewegungen im Handgelenk und erhöhtem Kraftaufwand der Finger einhergehen, überdurchschnittlich häufig ein Karpaltunnelsyndrom nach sich ziehen. Überbeanspruchungen im Handgelenk und damit eine überdurschnittliche Häufung von Karpaltunnelsyndromen finden sich aber nicht nur bei Berufen am Computern, sondern auch bei einer Vielzahl anderer Tätigkeiten wie zum Beispiel bei Montierern, Kassier/innen und Verpackern, Melkern und Musikern. Auch Zahnärzte und Übersetzer der Taubstummensprache erkranken häufiger als die Normalbevölkerung an einem Karpaltunnelsyndrom.
Klaus Giersiepen vom Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin der Universität Bremen ist Hauptverfechter in Sachen Karpaltunnelsyndrom. Er ist auf Grund eigener Studienergebnisse der Überzeugung, dass das Karpaltunnelsyndrom unbedingt als Berufserkrankung an zu erkennen sei. Das könnte die Berufsgenossenschaften allerdings teuer zu stehen kommen. Immerhin werden allein in Deutschland im Jahr rund 300000 Patienten am Karpaltunnel operiert. Nach Einschätzung Giersiepen ist die Erkrankung bei 30 bis 40 Prozent dieser Patienten beruflich mitbedingt.
Der zuständige Sachverständigenausschuß des Bundesarbeitsministeriums diskutiert die Karpaltunnel-Frage schon seit Jahren - bisher allerdings ohne Erfolg. Der Ausschuß fordert exakte Definitionen, der gefährdenden Tätigkeiten - das heißt, wie oft, wie lange und mit welcher Kraft muß eine Tätigkeit in einem Beruf ausführt werden, dass die Schädigung eindeutig auf den Beruf bezogen werden kann.
Vorbeugende Maßnahmen am Arbeitsplatz sind jedoch - wenn möglich - zweifellos sinnvoll. Empfohlen werden ergonomischere Tastaturen oder die Beschränkung der Schreibtätigkeit. In Japan werden den Schreibkräften zum Beispiel nicht mehr als 40000 Anschläge am Tag zugemutet.