Karneval und Rheuma
Nicht nur bei uns im Rheinland nähert sich die fünfte Jahreszeit ihrem Höhepunkt. Eine rheumatische Erkrankung sollte heute nicht mehr dazu führen, daß man ein Kind von Traurigkeit sein muß. Ein Anlaß für rheuma-online, einige lebenspraktische Tips zum Thema „Karneval und Rheuma“ zu geben.
Zunächst muss bei Karneval und Rheuma geklärt werden: Ist Frohsinn und Feiern für Rheumapatienten schädlich? Hat Karneval unerwünschte Nebenwirkungen? Kann Karneval gar Rheuma auslösen oder eine rheumatische Erkrankung verstärken?
Die praktisch uneingeschränkte Antwort heißt: Nein.
Im Gegenteil. Unser (allerdings rheinischer) Experte Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, Rheumatologe in Düsseldorf, hält Frohsinn, Feiern, Spaß und Freude sogar für ein Stück Rheumatherapie (Für die Systematiker: Fällt unter den Bereich „komplementäre Therapien“. Für die Bütt: Heißt das in Zukunft „Altbier auf Rezept"?).
Nur manchmal ist es einem Rheumapatienten gar nicht zum Frohsinn und zum Feiern zumute. Gerade dann ist es aber fast noch wichtiger, dass man unter die Leute kommt. Spaß und Freude kann schon ein ganzes Stück helfen, die Schmerzen wenigstens ein Stück zu vergessen. Damit es einem leichter fällt, damit man sich besser und schmerzfreier bewegen kann und damit man auch mehr vom Feiern hat, ist es erlaubt, im Zweifelsfall auch einmal etwas mehr mit Medikamenten nachzuhelfen und sich gezielt mit einer guten Medikation für das Fest, die Karnevalssitzung oder den Straßenkarneval oder sonstige Festivitäten fitzumachen. Sprecht ganz offen mit dem Hausarzt oder dem Rheumatologen darüber, wie man das am besten macht.
Karneval und Rheuma beinhaltet natürlich auch die Frage nach Alkohol. Ist keine notwendige Voraussetzung für karnevalistischen und sonstigen Frohsinn, gehört aber irgendwie schon auch ein Stück mit dazu.
Deshalb müssen drei Punkte geklärt werden:
1. Darf man mit Rheuma Alkohol trinken?
2. Wie ist das mit Alkohol und den Rheumamedikamenten?
3. Wie ist es speziell mit Methotrexat (Mtx?)
Rheuma und Alkohol
Mit Ausnahme der Gicht, bei der vor allem durch exzessiven Alkoholkonsum klassische Gichtanfälle ausgelöst werden können, gibt es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Rheuma und Alkohol. Soll heißen: Alkoholkonsum ist keine Ursache von Rheuma, und in der Regel kommt es unter Alkoholkonsum auch nicht zu einer Verstärkung der rheumatischen Krankheitsaktivität. Neuere Forschungsergebnisse deuten sogar im Gegenteil darauf hin, daß (mäßiger) Alkoholkonsum das Risiko reduziert, eine rheumatoide Arthritis zu bekommen.
Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel: Es gibt immer wieder Patienten, die auch nach nur geringem Alkoholkonsum über eine Zunahme ihrer Schmerzen berichten. Manchmal ist es dabei egal, in welcher Form der Alkohol zu sich genommen wird (Bier, Wein, Sekt, Schnaps o.ä.). Manchmal sind es aber auch ganz bestimmte Getränke, so z.B. ganz bestimmte Biersorten, ganz bestimmte Weine (so beispielsweise nicht Weißwein oder Rotwein oder Sekt als solches, sondern eine ganz bestimmte Marke und eine andere Marke nicht). Dann kann es an Stoffen liegen, die beim Herstellungsprozess bei dem einen Produkt oder dem einen Hersteller anfallen und bei dem anderen nicht. Oft ist es der Stoff Histamin oder eine mit Histamin verwandte oder eine ähnlich wirkende Substanz (die im übrigen oft auch daran schuld ist, warum man bei dem einen Rotwein oder Sekt Kopfschmerzen bekommt und bei dem anderen nicht).
Umgekehrt wirkt sich Alkoholkonsum auf bestimmte rheumatische Schmerzen, z.B. im Zusammenhang mit Muskelverspannungen, auch durchaus positiv aus, da Alkohol zu einer Abnahme des Muskeltonus (der Muskelspannung) führt und damit durchaus einen gewissen therapeutischen Effekt entfalten kann. In dieser Hinsicht kann ein Glas Rotwein vor dem Schlafengehen manchmal sogar eine Art Medizin sein.
Alkohol und Rheumamedikamente
Alkohol und cortisonfreie Entzündungshemmer
Alkohol und Medikamente ist grundsätzlich ein problematisches Thema, da die Wirkung vieler Medikamente durch Alkohol verstärkt wird (und auch die möglichen Nebenwirkungen). Bei den Rheumamedikamenten stellt sich die Frage vor allem bei den cortisonfreien Entzündungshemmern („nicht-steroidale Antirheumatika“, „NSAR“).
Speziell für die NSAR ist als zusätzliches Problem relevant, dass sich Alkohol und NSAR zusammen genommen ungünstig auf den Magen auswirken können.
Wer ohnehin schon Probleme mit dem Magen hat, kann dies unter der Kombination von NSAR und Alkohol noch verstärken. Vorteile bieten hier die neuen COX-2-Hemmer (wer Arcoxia oder Celebrex nimmt, dürfte im Hinblick auf den Magen auch in Verbindung mit Alkohol weniger Probleme haben). Vorsicht: H2-Antagonisten (bekannt ist es insbesondere für das mittlerweile „uralte“ Cimetidin (seinerzeitiger Handelsname Tagamet) verstärken die Wirkung von Alkohol sehr stark (in gewissen Kreisen soll es beliebt gewesen sein, um mit wenig Geld schnell einen Rausch zu bekommen …).
Andererseits: Wer die traditionellen Antirheumatika gut verträgt, dürfte auch mit dem einen oder anderen Gläschen Altbier kein zusätzliches Problem bekommen. Oder noch anders gesagt: Bei guter Verträglichkeit der Medikamente gibt es keinen vernünftigen Grund, unter der Einnahme von cortisonfreien Entzündungshemmern ganz auf Alkohol zu verzichten.
Alkohol und Cortison
Cortison ist im Hinblick auf Alkohol unproblematischer, vor allem bei niedrigen Dosierungen (sowohl was das Cortison als auch was den Alkohol angeht).
Bei hohen Dosierungen und bei Patienten mit einer Neigung zu Schwierigkeiten mit dem Zuckerstoffwechsel (z.B. Zuckerkrankheit oder Vorstufen davon) kann es allerdings in der Kombination von Cortison und Alkohol zu einer Verstärkung der ungünstigen Effekte von Cortison und von Alkohol auf den Zuckerstoffwechsel kommen. Dies betrifft sowohl Überzuckerungen („Hyperglykämien“) wie Unterzuckerungen („Hypoglykämien“). Wer von sich weiß, dass eine entsprechende Risikokonstellation besteht, sollte mit Alkohol bei einer gleichzeitig laufenden Cortisontherapie sehr vorsichtig sein.
Alkohol und langwirksame Antirheumatika (krankheitsmodifizierende Substanzen, „DMARDs“, früher so genannte „Basismedikamente“)
Bei den krankheitsmodifizierenden Substanzen geht es bei der Frage einer Kombination mit Alkohol vor allem um die Frage der möglichen Nebenwirkungen.
Regelmäßiger und vor allem hoher Alkoholkonsum kann bekanntlich die Leber schädigen. Alkohol ist damit zunächst einmal prinzipiell ein Problem bei allen Medikamenten, bei denen es als mögliche Nebenwirkung zu einer Erhöhung der Leberwerte kommen kann. Unter den gängigen LWAR (langwirksame Antirheumatika) sind dies vor allem Methotrexat (z.B. Lantarel, Metex) und Leflunomid (Arava).
Grundsätzlich sollte jeder, bei dem schon vor einer medikamentösen Therapie erhöhte Leberwerte bekannt sind (z.B. in der Folge einer durchgemachten Leberentzündung = Hepatitis oder aus anderen Gründen), extrem vorsichtig mit Alkohol sein.
Bei normalen Leberwerten ist Alkohol bei allen LWAR, auch bei Methotrexat (Mtx) oder Leflunomid, nicht prinzipiell verboten (auch wenn das manchmal aus den Beipackzetteln manchmal so herüberkommt).
Allerdings sollte man speziell bei Methotrexat am Tag der Mtx-Einnahme oder am Tag der Mtx-Spritze sowie am Tag darauf konsequent auf Alkohol verzichten (Ausnahme: Sechser im Lotto oder ein ähnlich freudiges Ereignis).
Diese Empfehlung beruht darauf, dass am Tag der Einnahme hohe Methotrexat-Spiegel im Körper auftreten und damit eine mögliche Belastung der Leber bestehen kann. Am nächsten Tag ist das ursprüngliche Methotrexat dann vom Körper bereits in ein Stoffwechselprodukt umgewandelt worden, dass allerdings ebenfalls noch methotrexat-artige Wirkungen und auch mögliche Nebenwirkungen aufweist (man nennt ein solches Stoffwechselprodukt einen „wirksamen Metaboliten“). Nach Ablauf von zwei Tagen ist sowohl das Methotrexat als auch sein wirksamer Metabolit komplett aus dem Körper ausgeschieden und beinhaltet damit im Hinblick auf beispielsweise die Leber kein so großes Risiko mehr. Wenn man sich mit Alkohol im Rahmen hält, ist Alkoholgenuß insofern an den übrigen fünf Tagen kein Problem.
Wer ein richtiger Karnevalsjeck ist und an den tollen Tagen mal völlig uneingeschränkt feiern möchte, sollte mit seinem Arzt besprechen, ob man das Mtx an den spannenden Tagen nicht einfach aussetzt oder „schiebt“: So z.B. statt Rosenmontag Einnahme oder Spritze am Aschermittwoch, die nächste Woche dann Dienstag und anschließend wieder im normalen Törn. Dr. Langer bespricht es mit seinen Patienten bereits im Vorfeld so, dass man rechtzeitig den Mtx-Tag so wählt, dass ggf. auch Altweiber oder der Karnvelsball am Samstag nicht mit Mtx kollidieren.
Bei Leflunomid / Arava wäre es ggf. ein gangbarer Weg, an den fraglichen Tagen die Einnahme für ein oder zwei Tage zurückzustellen (die Substanz an diesen Tagen einfach ganz weglassen). Das ist bei der Langzeitwirkung von Leflunomid kein Problem.
Ein kleiner Hinweis vielleicht zum Schluß: Vorsicht mit SARA!
Was ist mit SARA? Es handelt sich nicht um einen Schreibfehler, sondern um eine mögliche Folge, wenn man mit Sarah oder einer anderen jecken Frohnatur nicht nur bützt, sondern sich auch sonst etwas intensiver näher kommt. Wenn man dann nicht aufpaßt und sich daran erinnert, wofür es Kondome gibt, kann es als unerwünschte Nebenwirkung des Frohsinns zu SARA kommen, einer sexuell aquirierten reaktiven Arthritis. Darunter versteht man eine Gruppe von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die dadurch entstehen, daß man sich beim Geschlechtsverkehr mit bestimmten Erregern (am häufigsten mit Chlamydia trachomatis) im Bereich des Urogenitaltraktes infiziert. Wir wollen mit diesem Hinweis keinem den Spaß verderben, aber ein bißchen aufpassen schadet ja nicht.
Am Aschermittwoch ist - wenn man von anderen möglichen Folgen des ungetrübten Beisammenseins einmal absieht - sowieso alles vorbei. Es wäre schön, wenn das auch für das Rheuma gelten würde. Soweit ist allerdings auch die rheinische Rheumatologie leider noch nicht, auch wenn sie ja sonst schon eine ganze Menge draufhat .-) :-) :-)) :-)))
Wir wünschen allen rheuma-onlinern einige schöne tolle Tage, denen, die nicht jeck sind, ein schönes Alternativprogramm, und allen zusammen eine möglichst schmerzfreie Zeit.
Das rheuma-online-Team