Immunstörungen rheumatischer Gelenkerkrankungen bei Kindern besser verstehen: Wann müssen Glukokortikoide, wann Biologika eingesetzt werden?
Etwa 20 000 Kinder in Deutschland leiden unter entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, von denen die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) der rheumatoiden Arthritis (RA) des Erwachsenen bezüglich der Gelenkentzündung ähnelt. Fortschritte in der Entzündungsforschung in der Kinderrheumatologie stellte Professor Dr. med. Dirk Föll auf der Pressekonferenz am 20. September 2012 in Bochum vor.
Auslöser unkontrollierter Entzündungen kann unter anderem eine Überproduktion der Botenstoffe Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-alpha) oder Interleukin 1 (IL-1) in verschiedenen Zellen sein.
In einem gesunden Immunsystem sorgen diese Botenstoffe dafür, dass die körpereigene Abwehr feindliche Zellen wie etwa Bakterien bekämpft. Wird die körpereigene Abwehr mobilisiert, ohne dass fremde Erreger vorhanden sind, entwickelt sich diese Entzündung selbst zur Krankheit. Derartige Prozesse spielen bei der JIA eine große Rolle. Unser Verständnis über diese Immunstörungen sind auch dadurch verbessert worden, dass sehr seltene sogenannte „autoinflammatorische Syndrome“ immer besser verstanden werden. Wir wissen heute, dass der Körper bei autoinflammatorischen Syndromen ständig ungerichtete Abwehrreaktionen unterhält.
TNF-alpha und IL-1 lassen sich therapeutisch blockieren, wir sprechen von einer Biologika-Therapie mit Antikörpern oder löslichen Rezeptoren, die die Botenstoffe (Zytokine) abfangen. Der hier anknüpfende Behandlungsansatz ist mittlerweile auch auf andere Zytokine übertragen worden. Eine IL-6-Blockade ist zum Beispiel für Patienten mit systemischer Verlaufsform der JIA zugelassen. Gerade bei jungen Patienten verlaufen entzündlich- rheumatische Erkrankungen nicht selten hoch entzündlich und aggressiv. Sie ziehen neben den Gelenken häufig auch innere Organe in Mitleidenschaft.
Die neuen Behandlungsmöglichkeiten stellen heute eine neue Frage in den Fokus: Welche Therapiestrategien verfolgen wir? Im Sinne einer personalisierten Medizin sind wir dabei auf der Suche nach Biomarkern und anderen Hinweisen dafür, welcher Patient welches Medikament wann und wie lange benötigt.
Um auf diesem Gebiet weitere Fortschritte zu erzielen, unterstützt die Gesellschaft für Kinder-und Jugendrheumatologie große Forschungsnetzwerke in Deutschland. Das Netzwerk „AID-NET“ untersucht Patienten mit Autoinflammation, das Netzwerk „ICON-JIA“ wird neue Erkenntnisse über die Prognose und den Verlauf der JIA liefern. Andere Studienaktivitäten zu individualisierten Therapiestrategien laufen an. Zusätzlich sind Therapieregister, epidemiologische Datenbanken und eine strukturierte Leitlinienerstellung wichtige Meilensteine. Letztendlich ist das große Ziel die Übersetzung der immunologischen Grundlagen in die klinische Anwendung.
Während die Ursachen für rheumatologische Erkrankungen sich im Kindesalter nicht von denen bei Erwachsenen unterscheiden dürften, präsentiert sich die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) anders als die Rheumatoide Arthritis (RA), wobei Fieber und Allgemeinsymptomeim im Vordergrund stehen. Auch die Empfehlungen für die Therapie mit Glukukortikoiden unterscheiden sich, da hier die Gefahr der Wachstumsstörungen zu bedenken sind.
In der aktualisierten, interdisziplinären S2-Therapieleitlinie der
Juvenilen Idiopathischen Arthritis kommt die Konsensusgruppe zu folgender Übereinstimmung, was die Glukukortikoide (GC) betrifft:
"GC in systemischer Applikation werden als schnell wirksame Substanzen bei hoher Krankheitsaktivität empfohlen. Sie sind z.B. indiziert bei: systemischer Manifestation (systemische JIA), Organmanifestationen der JIA (z.B. Herz, Auge), der seropositiven JIA und zur Überbrückung bis zum Wirkungseintritt von DMARDs.
Ein mehrmonatiger Einsatz von systemischen GC bei anderen Verlaufsformen kann nicht empfohlen werden. Ein langfristiger Einsatz in der Dosis ≥ 0,2 mg PrednisolonÄquivalent/kg/d ist wegen der zu erwartenden unerwünschten Wirkungen und der Verfügbarkeit anderer Therapieformen nicht zu empfehlen."
Quelle: Vortrag Professor Dr. med. Dirk Föll, 2. Stellvertreter des Vorstandes der Gesellschaft für Kinder-und Jugendrheumatologie (GKJR), Institut für Immunologie, Universitätsklinikum Münster
Pressemitteilung zur Pressekonferenz anlässlich des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Donnerstag, 20. September 2012, RuhrCongress
Kathrin Gießelmann/Christina Seddig
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) Kongress-Pressestelle