Hunter´s Corner – der DocgBlog. Heute: Zurück vom ACR
Wenn Rheumatologen über „den ACR“ sprechen, tun sie dies fast andächtig, denn der ACR ist schon etwas Besonderes. Der mit mehr als 10.000 Teilnehmern weltweit größte rheumatologische Kongreß, und auch der wichtigste. Wirklich der wichtigste? Oder nur der spektakulärste? Auf jeden Fall hat mein Rheumatologenfreund erste Eindrücke und ein paar schöne Bilder mitgebracht.
Eine ganze Woche habe ich ihn vermissen müssen, nun ist mein Rheumatologenfreund wieder da. War auf dem ACR. Eigentlich müsste man „auf dem ACR-Kongreß“ sagen, denn „der ACR“ ist der Jahreskongreß des American College of Rheumatology, der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der US-amerikanischen Rheumatologen.
„Ich habe den Eindruck“, sagte ich zu meinem Rheumatologenfreund, „dass der ACR auch etwas kultig ist.“
„Da ist schon was dran“, erwiderte er.
„Wieso eigentlich?“, wollte ich wissen.
„Die Amerikaner sind die Meister der Show“, sagte er, „und sie verstehen es, sich und ihre Veranstaltungen nicht nur perfekt zu inszenieren, sondern einen solchen Kongreß auch regelrecht zu zelebrieren“.
„Das heißt, in Amerika verstecken sich die Forscher nicht hinter ihrer Laborbank und die Rheumatologen nicht hinter den Betten in den Kliniken und den Schreibtischen ihrer Sprechzimmer?“, fragte ich.
„So kann man es sagen“, meinte mein Rheumatologenfreund.
„Ich höre da aber so einen Unterton heraus“, bemerkte ich. „Hast Du etwa etwas dagegen, wenn sich die Rheumatologie auch einmal feiert und nach außen darstellt?“
„Natürlich nicht“, entgegnete mein Rheumatologenfreund. „Ich glaube sogar, dass das mit einer der Gründe ist, warum der ACR diesen leicht kultigen Touch erlangt hat.“
„Du meinst, die deutschen Rheumatologen wünschen sich in ihrem Unterbewusstsein ein ganz klein bisschen von der Aufmerksamkeit, die die Amerikaner ihnen vormachen?“
„Könnte sein“.
„Und warum dann dieser Unterton?“
„Ich weiß gar nicht, ob da überhaupt ein Unterton drin ist. Wenn, dann höchstens in der Hinsicht, dass der Grat zwischen dem Spektakulären und dem Unwissenschaftlichen sehr schmal ist.“
„Du meinst, Sensation statt Seriosität?“
„Gute Formel. Wobei man den Amerikanern zugestehen muß, dass sie diesen Hochseilakt exzellent beherrschen. Was aber auch bedeutet, dass das nicht jeder Trapezkünstler ohne Probleme nachturnen kann.“
„Soll das heißen, dass das Heil der europäischen und speziell auch der deutschen Rheumatologie nicht darin liegt, dass sie ständig nach Amerika schaut?“
„Das kann man so sagen“, antwortete mein Rheumatologenfreund. „Das tut bei uns aber sowieso keiner. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass sehr viele wichtige Impulse für die Rheumatologie in den letzten Jahren aus „old Europe“ gekommen sind.“
„Woran machst Du das fest?“
„Auf dem ACR sieht man immer mehr eingeladene Vortragsredner aus Europa, und bei den Abstract-Sessions und den Posterpräsentationen kommen die richtig spannenden Themen und Ergebnisse oft ebenfalls nicht aus den USA.“
„Das spricht aber doch eher für als gegen die Bedeutung des ACR, wenn europäische Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse dort und nicht auf einem anderen Kongreß, z.B. in Europa vorstellen“, meinte ich anmerken zu müssen.
„Damit könntest Du grundsätzlich recht haben“, erwiderte mein Rheumatologenfreund. „Ich habe aber den Eindruck, dass der ACR heute nicht mehr die Bedeutung wie noch vor einigen Jahren hat“.
„Warum?“
„Nehmen wir die großen Arzneimittelstudien. Die wichtigsten Ergebnisse zu Medikamenten-Neuentwicklungen habe ich in diesem Jahr bereits auf dem EULAR in Paris gesehen, also dem Jahreskongreß der europäischen Rheumatologen.“
„Was bringst Du denn dann überhaupt an Neuem vom ACR mit?“
„Wenn ich schon fast etwas bösartig antworten möchte, dann das Zitat von einem renommierten deutschen Rheumatologen, der während eines Gesprächs beim Frühstück beiläufig meinte: „Die Amerikaner sind nicht besser, nur lauter“. Da ist schon etwas Wahres dran, aber ich will auf Deine eigentliche Frage zurückkommen.
Was ich vom ACR in diesem Jahr als für mich persönlich wichtigsten Eindruck mitbringe, ist, dass die rheumatologische Welt immer mehr zusammenwächst.“
„Wieso?“
„Beispielsweise sind ACR20, ACR50, ACR70 nicht mehr der Nabel der Welt, sondern der DAS28 ist in den Vereinigten Staaten angekommen und wird dort nicht nur zunehmend zu einer wichtigen Zielgröße in klinischen Studien, sondern auch zum Maß der Dinge in den rheumatologischen Praxen amerikanischer Ärzte.“
„Das ist aber eine Entwicklung, die noch vor 5-10 Jahren unvorstellbar gewesen wäre, zumindest, was ich so gehört und gelesen habe, denn zu dieser Zeit war ich ja noch gar nicht geboren.“
„Ja, da ist schon sehr spannend und ebenso sehr erfreulich“, erwiderte mein Rheumatologenfreund.
„Das kann ich mir vorstellen“, griff ich seinen Gedankengang auf. „Wenn US-amerikanische und europäische Rheumatologen von beiden Seiten das Beste einbringen und sich auf Augenhöhe miteinander austauschen, profitiert davon nicht nur die Wissenschaft, sondern profitieren davon natürlich auch die Patientinnen und Patienten.“
„Genau das ist mein Eindruck und zugleich meine große Hoffnung. Von beiden Seiten das Beste, und das Erstaunliche ist: Das Ergebnis ist mehr als die Summe der Einzelteile.“
„Ich möchte Fotos von San Francisco sehen! Schließlich war ich noch nie dort! Eigentlich gemein, dass Du mich nicht mitgenommen hast.“
„Okay, ein paar Bilder habe ich in der Tasche.“
„Dann will ich sie mir jetzt aber auch anschauen. Sofort! Ad hoc!“
Wenn ich bis nächsten Mittwoch damit fertig bin, hört ihr wieder von mir.
So lange bleibe ich Euer Hunter, der rheumatologische Landseher.