Honorarstreit: Ärzte sind bereit zum Streik
"Praxis wegen Streik geschlossen" - dieser Hinweis könnte in den kommenden Wochen an den Türen vieler Arztpraxen zu lesen sein, denn im Honorarstreit mit den Krankenkassen sprachen sich bei einer bundesweiten Urabstimmung unter den Praxisärzten rund 75 Prozent der niedergelassenen Ärzte dafür aus, ihre Praxen aus Protest zu schließen. An der Abstimmung beteiligten sich nach Angabe der Verbände knapp die Hälfte aller angeschriebenen Ärzte (49,19 Prozent).
Zu dieser erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik durchgeführten Aktion hatten rund 30 ärztliche Berufsverbände aufgerufen. Der Protest richtet sich gegen den jüngsten Honorarbeschluss der Krankenkassen.
Die Fronten zwischen Ärzten und Krankenkassen sind verhärtet: Nach dem Willen der Krankenkassen soll es im kommenden Jahr gut 270 Millionen Euro mehr für die rund 150.000 Praxisärzte und Psychotherapeuten geben. Die Mediziner hingegen beklagen, dass die geplanten Honorarsteigerungen für 2013 zu gering ausfallen und fordern 3,5 Milliarden. Die geplanten Protestmaßnahmen werden von dem NAV-Virchow-Bund koordiniert.
"Bei dem Protest geht es um die Anpassung der Preise für unsere ärztlichen Leistungen durch Inflation und Kostenerhöhung in den letzten Jahren. Die einseitig von den Kassen durchgedrückte minimale Anhebung um 0,9 Prozent ist eine Kampfansage an die Praxisärzte. Gleichzeitig stellt es ein verheerendes Signal der Kassen an die nachfolgende Ärztegeneration dar", befürchtet Dr. Heinrich, zugleich Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes.
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler erklärte: "Lassen Sie es mich deutlich sagen: Es geht um die ambulante medizinische Versorgung der Versicherten. Diese müssen wir zukunftsfest machen insbesondere vor dem Hintergrund einer auch dank des medizinischen Fortschritts älter werdenden Bevölkerung und einer sich ändernden Gesellschaft. Damit werden auch an die Versorgung neue Herausforderungen gestellt. Wir haben dazu am Wochenende entscheidende Verhandlungen mit den Krankenkassen. Ich appelliere an die Kassenseite, ihrer Verantwortung gerecht zu werden."
In dieser Woche hatten Kassenärztliche Vereinigungen, KBV und freie Verbände zu Aktionen in den Praxen gegen die Kassenbürokratie aufgerufen. Seit Montag fuhren die freien Verbände und die KBV gemeinsam eine Politik der Nadelstiche. "Wir sind entschlossen die Maßnahmen auszuweiten: Kommt es am Samstag zu keiner Einigung, werden die Verbandsspitzen Anfang nächster Woche über Praxisschließungen noch in diesem Monat entscheiden. Dafür haben wir jetzt nicht nur den Rückhalt, sondern auch das Mandat.", so der Sprecher der Allianz, Dr. Heinrich.
"Die Aktionen richten sich gegen die Kassen, nicht gegen die Patienten", stellt abschließend Dr. Heinrich klar. Dennoch könne es sein, dass Patienten dann betroffen sind: "Denn auch die jetzt zugestandene magere Erhöhung von 0,9 Prozent bedeutet für die Patienten in Zukunft Leistungskürzungen und längere Wartezeiten".
Hintergrund: Warum die Ärzte wütend sind (Video): Dr. Dirk Heinrich bei der Sonder-Vertreterversammlung der KBV am 01.09.2012
Der GKV-Spitzenverband hofft auf eine Einigung am kommenden Samstag, damit der Streit nicht auf dem Rücken der Patienten ausgertragen wird. Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, erklärte: "(...) Wir halten an dem Ziel fest, auf dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Verhandlungsweg über die Höhe des Honoraranstiegs zu einer Verständigung zu kommen. Kassenanfragen zu Arzneimittelverordnungen oder zu Rehabilitationsmaßnahmen nicht zu beantworten, geht genauso zu Lasten der Patienten, wie die Weigerung, Bonushefte von Versicherten abzustempeln. Wir haben die dringende Bitte an die Ärzteverbände, die Debatte um die Höhe des Honoraranstiegs nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen."
Mit Pressematerial vom NAV-Virchow-Bund und dem GKV-Spitzenverband
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