Hausarzt und Rheumatologe – Wie urteilen die Patienten?
Das Deutsche Rheumaforschungszentrum in Berlin ging der Frage nach, wie Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis (RA) / chronischen Polyarthritis (cP) die Eigenschaften ihrer behandelnden Ärzte (Hausarzt, Rheumatologe) beurteilen. Mit einem anschließenden Kommentar von Dr. Langer.
Das Deutsche Rheumaforschungszentrum in Berlin ging der Frage nach, wie Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis (RA) / chronischen Polyarthritis (cP) die Eigenschaften ihrer behandelnden Ärzte (Hausarzt, Rheumatologe) beurteilen.
Dazu wurden 361 Patienten befragt, die die Sprechstunde eines Rheumatologen aufgesucht hatten. 18 Monate später erfolgte eine erneute Befragung. Dabei wurden die Patienten in einem Fragebogen gebeten, die ärztlichen Eigenschaften ihrer Rheumatologen und Hausärzte zu beurteilen. Die Fragen beinhalteten 8 Punkte. 5 bezogen sich auf allgemeine ärztliche Eigenschaften. 3 zielten auf Eigenschaften, die speziell von einem Rheumatologen zu erwarten sind.
Die Ergebnisse zeigten, dass sich 68% von den 361 RA-Kranken sowohl in hausärztlicher als auch fachrheumatologischer Behandlung befanden. 10% waren ausschließlich bei einem Rheumatologen in Behandlung, 22% ausschließlich beim Hausarzt.
Vergleicht man die Beurteilung durch die Patienten, die sich sowohl in hausärztlicher als auch in fachrheumatologischer Behandlung befanden, sieht man, dass die Rheumatologen bei der Beurteilung deutlich besser abschneiden als der Hausarzt.
Dies betraf sowohl die allgemeinen ärztlichen Eigenschaften wie auch die spezielle fachliche Kompetenz .
Die einzelnen Werte für die beiden Gruppen (der erste Wert ist die Beurteilung für den Rheumatologen, der zweite Wert die Beurteilung für den Hausarzt):
Der Arzt ...
geht auf Probleme ein: 91% gegen über 81%
erklärt verständlich: 88% gegenüber 78%
nimmt sich genügend Zeit: 79% gegenüber 70%
kontrolliert Blutwerte regelmäßig: 91% gegenüber 72%
hat viel Erfahrung mit rheumatoider Arthritis: 97% : 22%
berät wegen Beweglichkeit: 66% gegenüber 36%
Patienten, die sich ausschließlich vom Hausarzt behandeln ließen, beurteilten deren ärztliche Eigenschaften nicht herausragender als Rheumatologen-Patienten die ihrer Rheumatologen. Sie schätzten jedoch deren rheumatologische Kompetenz (viel Erfahrung mit RA, Beratung wegen Funktionserhalt) deutlich seltener so gut ein, während sie genauso häufig meinten, dass der Hausarzt ihre Blutwerte regelmäßig kontrolliere (90% gegenüber 91%).
Die Entscheidung eines Patienten, sich ausschließlich vom Hausarzt oder auch von einem Fachspezialisten behandeln zu lassen, hing offensichtlich nicht von der Krankheitsschwere ab. Auch Probleme der Erreichbarkeit des Spezialisten, z.B. Mobilitätsprobleme oder Wegeprobleme, spielten offenbar keine Rolle.
Dagegen waren Hauarztpatienten älter (im Schnitt 63 Jahre gegenüber durchschnittlich 57 Jahre bei auch fachrheumatologisch behandelten Patienten), häufiger männlich (40% gegenüber 30%) und deutlich seltener berufstätig (dies wurde natürlich nur bei Patienten ausgewertet, die noch nicht im Rentenalter waren). Nur hausärztliche Patienten waren dabei zu 22 % berufstätig, in der Gruppe der auch rheumatologisch betreuten Patienten lag der Anteil dagegen bei 58%. Rein hausärztlich betreute Patienten hatten häufiger eine einfache Schulbildung (74% gegenüber 59% der fachrheumatologisch betreuten Patienten) und wurden bei Studieneintritt etwas häufiger als unbeholfen bei der Orientierung im medizinischen Versorgungssystem eingeschätzt (18% gegenüber 10%).
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die behandelnden Ärzte, d.h. sowohl Hausärzte als auch Fachrheumatologen, von den Patienten insgesamt sehr positiv beurteilt werden. Die Patienten mit rheumatoider Arthritis nehmen aber die fachärztliche und allgemeinärztlicher Kompetenz differenziert wahr. Es zeichnet sich ab, dass ältere Patienten mit einfacher Schulbildung und weniger Einbindung in das Erwerbsleben eher auf fachärztliche Behandlung verzichten.
31. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie vom 18.-21. September in Berlin
Vortrag VA 24: Wie schätzen Patienten mit rheumatoider Arthritis ihren Hausarzt und ihren Rheumatologen ein?
Westhoff G, Weber C, Zhivkov Z, Zink A
Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin
Kommentar von Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer:
Die Politik singt ja derzeit das Hohelied des Hausarztes. Dies äußert sich nicht zuletzt darin, dass Hausärzte im Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung derzeit für dieselbe Leistung ein höheres Honorar erhalten als Fachärzte (auch wenn es keiner für möglich hält und es nicht glauben mag, es ist tatsächlich so. Dies ist auch der Grund, warum einige Fachrheumatologen inzwischen ihren Facharztstatus aufgegeben haben und sich zu Hausärzten erklärt haben, weil sie sonst pleite gegangen wären. Ist leider auch kein Märchen, sondern die reine, pure, blanke und eindeutig belegbare Wahrheit).
Auch die ärztlichen Funktionäre in den Kassenärztlichen Vereinigungen pflegen die Mär, dass Hausärzte und nicht-rheumatologische Fachärzte die Patienten mit einer schweren rheumatischen Erkrankung genauso gut versorgen könnten wie langjährig dazu ausgebildete Spezialisten, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als sich um solche Patienten zu kümmern.
Zitat einer Funktionärin, die bezeichnenderweise selber noch nicht einmal die Qualifikation einer Ärztin für Allgemeinmedizin besitzt, sondern als einfache Praktische Ärztin niedergelassen ist: „Ich weiß nicht, was Dr. Langer macht, was ich nicht auch machen kann“.
Die Bezirksstelle Düsseldorf der Kassenärztlichen Vereinigung hat sich sogar zu der (schriftlich dokumentierten) Stellungnahme verstiegen, dass die Versorgung der Rheumapatienten in Düsseldorf u.a. auch durch Ärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten sichergestellt sei (auch dieses ist kein Joke, sondern allerbitterster Ernst, weil damit begründet wurde, dass es in Düsseldorf für seine 600.000 Einwohner (das Umland einmal ganz außen vorgelassen) neben dem einzigen niedergelassenen internistischen Rheumatologen keinen zweiten Kassenarzt für Innere Medizin und Rheumatologie braucht.
Die Betroffenen, d.h. die rheumakranken Menschen, insbesondere diejenigen mit der schwersten und folgenreichsten rheumatischen Erkrankung, nämlich der rheumatoiden Arthritis, nehmen es offensichtlich ganz anders wahr. Sie stellen tatsächlich Unterschiede in der rheumatologischen Betreuung zwischen Hausärzten und rheumatologischen Fachspezialisten fest.
Wer den Erfahrungsaustausch im Forum von rheuma-online aufmerksam verfolgt, weiß, welche Erfahrungen unsere User mit den unterschiedlichen Versorgungssystemen gemacht haben, welche Odysseen teilweise hinter ihnen liegen, bis sie endlich in die fachrheumatologische Betreuung gelangen, die richtige Diagnose gestellt wird und nach vielen Monaten oder Jahren nach einer langen Zeit der verpassten Chancen endlich mit einer wirksamen Therapie begonnen wird.
Die Wissenschaft hat es ebenfalls mit einer wachsenden Anzahl von Studien belegt: Es macht für den Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis einen gewaltigen Unterschied, ob er nur hausärztlich oder fachrheumatologisch betreut wird. Dies gilt ganz besonders bei Krankheitsbeginn, wo die entscheidenden Weichen gestellt oder eben nicht gestellt werden. Es gilt nicht weniger aber auch im weiteren Krankheitsverlauf.
Die meisten Hausärzte und nicht-rheumatologisch spezialisierten Fachärzte wissen, wo bei der Betreuung von schwerkranken Rheuma-Patienten ihre Grenzen liegen und nehmen ihre Verantwortung wahr, indem sie Ihre Patienten zur fachrheumatologischen Diagnostik und Therapie schicken. Manche denken nicht daran, dass es Spezialisten gibt. Hier sind wir als Rheumatologen gefordert, dies in die Bevölkerung, in die Patienten und in die Ärzteschaft zu tragen. Vorsatz besteht da, wo schwarze Schafe oder Funktionäre wider besseres Wissen den Patienten und der Öffentlichkeit Geschichten erzählen, die in erster Linie dem Verteilungskampf der knappen Ressourcen und nicht der Sache der kranken Menschen dienen.
Es ist an der Zeit, die Märchenstunden im deutschen Gesundheitssystem zu beenden. In der Rheumatologie haben diese Märchen nämlich leider kein Happy-End.
Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer