Geringes Risiko, aber schwere Folgen: Rote-Hand-Brief zu MabThera® (Rituximab)
Drei von mehr als 100.000 behandelten Patienten: Die Wahrscheinlichkeit für diese extrem seltene unerwünschte Wirkung ist sehr gering. Dafür ist der Ausgang fatal, nämlich tödlich. Es geht um Progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML), die im September 2009 bei einem dritten Patienten mit rheumatoider Arthritis auftrat, der mit Rituximab behandelt wurde.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft verweist mit Datum vom 11. November 2009 auf einen entsprechenden sogenannten Rote-Hand-Brief zu MabThera® (Rituximab), den Roche als der pharmazeutische Hersteller der Substanz an alle Ärzte in Deutschland verschickt hat.
Der Hintergrund: Progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) ist eine durch das JC-Virus verursachte Erkrankung, die üblicherweise nur bei Patienten mit einer stark abgeschwächten Immunabwehr auftritt. Diese Immunschwäche kann auf eine Erkrankung des Immunsystems zurückzuführen sein (z.B. bei HIV-positiven Patienten, Krebserkrankungen oder Autoimmunerkrankungen), auf eine starke Immunsuppression durch eine medikamentöse Therapie mit sogenannten Immunsuppressiva oder auch durch die Kombination dieser beiden Faktoren.
Bei Patientinnen und Patienten mit entzündlich-rheumatischen oder immunologischen Systemerkrankungen war PML in der Vergangenheit insbesondere bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes beobachtet worden, die wegen ihrer Erkrankung stark immunsuppressiv behandelt werden mußten (d.h. mit Medikamenten, die die Immunabwehr stark unterdrücken).
Bei rheumatoider Arthritis war PML in der Vergangenheit bei zwei Patientinnen aufgetreten, die mit Rituximab behandelt worden waren. In beiden Fällen bestanden weitere Risikofaktoren für eine PML, im einen Fall eine Vorbehandlung wegen einer Krebserkrankung, im anderen Fall eine langjährig bestehende Lymphopenie (sehr niedrige Zahlen von Lymphozyten (Abwehrzellen) im Blut). An vorausgehenden immunsuppressiven Behandlungen wurden eine Therapie mit Methotrexat und einem TNF-alpha-Blocker angegeben.
Bei dem jüngsten Fall war eine 73-jährige Frau mit einer seit 3 Jahren diagnostizierten seronegativen RA betroffen. An Begleiterkrankungen bestanden u.a. eine Schilddrüsenunterfunktion, Osteoporose, wiederkehrende Infektionen der oberen Luftwege / rezidivierende Bronchitiden und ein durchgemachter Schlaganfall (Apoplex). An relevanten Therapien der rheumatoiden Arthritis sind Leflunomid, Hydroxychloroquin und Prednison zu nennen.
Erste Symptome, die auf eine PML hinwiesen, entwickelten sich 4-6 Monate nach dem ersten Rituximab-Kurs mit jeweils 1.000 mg im Abstand von 2 Wochen.
Warum diese drei Patientinnen eine PML entwickelt haben und warum es bei den mehr als 100.000 anderen Patientinnen und Patienten, die wegen einer rheumatoiden Arthritis mit Rituximab behandelt wurden, nicht zu einer solchen Komplikation kam, ist unklar.
Die Zulassungsbehörden, insbesondere die für Europa zuständige europäische Zulassungsbehörde EMEA (European Medicines Agency), hält das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Rituximab bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis für weiterhin gegeben und damit die Zulassung von Rituximab für die Therapie der RA unverändert für gerechtfertigt.
Ärzte und Patienten sollten sich aber des zwar sehr geringen, aber möglichen Risikos bewußt sein und unter einer Rituximab-Therapie bei unklaren neurologischen Symptomen an die Komplikation einer PML denken.
Quelle:
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Hinweis auf Rote-Hand-Brief zu MabThera (Rituximab)
Link zum Rote-Hand-Brief von Roche (pdf-Dokument)
Weitere Informationen und verwandte Links:
Zylka-Menhorn, Vera: Rote-Hand-Brief: Sicherheitshinweise für Rituximab
Dtsch Arztebl 2007; 104(16): A-1111
Rheuma von A-Z: Progressive multifokale Leukenzephalopathie