Freibrief für den Schokoladenhasen?
Was wir schon (immer) wussten, wird jetzt erneut bestätigt: Schokolade ist gesund. Schon ein kleines Stück kann das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen senken. Auch für Migränepatienten gibt es gute Schokoladennachrichten: Der schlechte Ruf der Schokolade, sie provoziere Migräneattacken, wird durch wissenschaftliche Untersuchungen nicht belegt.
Der tägliche Verzehr von einem kleinen Stück Schokolade kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, insbesondere für Schlaganfall. Dabei ist der Effekt zum Teil auf eine blutdrucksenkende Wirkung der Schokolade zurückzuführen. Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), nachdem es die Daten einer großen Langzeitstudie* mit circa 20.000 Teilnehmern ausgewertet hatte.
Der in dunkler Schokolade enthaltene Kakao enthält viele Flavanole, die sich günstig auf die Elastizität der Blutgefäße und den Blutdruck auswirken. Dies haben in den letzten Jahren verschiedene klinische Kurzzeitstudien belegen können. Ergebnisse aus Langzeitstudien gab es aber kaum. Ein Grund für die DIfE-Forscher, den Sachverhalt mit Hilfe der Potsdamer EPIC*-Studiendaten zu überprüfen und mit dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung zu bringen.
In der aktuellen Studie erlitten während der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von etwa acht Jahren 166 Studienteilnehmer einen Herzinfarkt - 136 Personen erkrankten an einem Schlaganfall. Aus den in den Jahren 1994 bis 1998 erhobenen EPIC-Basisdaten ermittelten die Forscher die Zusammenhänge zwischen dem Schokoladenverzehr, dem Blutdruck und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Wie die Studie zeigt, haben Personen, die im Schnitt etwa sechs Gramm kakaohaltiger Schokolade pro Tag verzehren, im Vergleich zu Personen, die nur wenig Schokolade essen, ein um fast 40 Prozent verringertes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dabei sank das Schlaganfallrisiko um fast die Hälfte - das Herzinfarktrisiko verminderte sich um 27 Prozent.
"Schokolade ist für ihren blutdrucksenkenden Effekt bekannt. Da ein hoher Blutdruck für Schlaganfälle ein stärkerer Risikofaktor ist als für Herzinfarkte, haben wir erwartetet, dass der Schokoladenverzehr auch stärker mit einem verminderten Schlaganfallrisiko verbunden ist. Genau dies haben wir in den Studiendaten gesehen", sagt Brian Buijsse, Erstautor der Studie.
In der aktuellen Studie hatten die Personen mit dem höchsten Schokoladenverzehr einen geringeren Blutdruck als die Personen mit dem geringsten Schokoladenverzehr. Allerdings war der Blutdruckunterschied weniger stark ausgeprägt als in anderen Studien. Ein Grund für die relativ geringe Blutdrucksenkung könne die Vorliebe der meisten Studienteilnehmer für Vollmilchschokolade sein, mutmaßt Buijsse. Denn Vollmilchschokolade hat einen geringeren Kakaoanteil als Bitterschokolade und somit auch einen geringeren Anteil an blutdrucksenkenden Flavanolen.
Heiner Boeing, Studienleiter der Potsdamer EPIC-Studie, merkt an, dass die neuen Studienergebnisse keinen Freibrief für einen ungehemmten Schokoladenverzehr erteilen. Schokolade in großen Mengen konsumiert macht dick und ist damit ungesund. Geringe Mengen Schokolade können dagegen die kardiovaskuläre Gesundheit verbessern. Dabei sind insbesondere Schokoladen mit einem hohen Kakaoanteil zu empfehlen, der eigentlichen Wirksubstanz.
Hintergrundinformation:
Die *Potsdamer EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition)-Studie ist Teil der Gesamt-EPIC-Studie. Die EPIC-Studie ist eine prospektive Studie, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit insgesamt 519.000 Studienteilnehmern beteiligt.
Schokolade und Migräne
Viele Migränepatienten fragen sich, ob sie nicht besser auf Ostereier und Schokoladenhasen verzichten sollten, damit sie nicht eventuell eine Migräneattacke provozieren oder sogar bestehende Migräne verschlimmern können. Schokolade und andere Süßigkeiten, wie zum Beispiel Gummibärchen, werden immer wieder als Auslöser für Migräneattacken genannt.
Hintergrund dafür ist, dass es in einer Vorphase der Migräne, der sogenannten Prodromalphase, häufig zu Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Nervosität, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und auch Heißhungerattacken bei Migränepatienten kommt. Bis zu 70 Prozent der Patienten berichten von einer solchen Vorbotenphase, in der sie ein geändertes Verhalten zeigen. "Bei einer plötzlich auftretenden Essattacke wird dann in kurzer Zeit zum Beispiel eine ganze Tafel Schokolade vernichtet," sagt Privatdozentin Dr. Stefanie Förderreuther, Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG). Dies habe Schokolade in den Ruf gebracht, Migräneattacken auszulösen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass dem so nicht ist.
Eine Studie untersuchte das Auftreten von Migräneattacken bei Patienten, die sich sicher waren, dass ihre Attacken durch Schokolade ausgelöst würden und Patienten, die einen derartigen Auslöser nicht für sich beobachtet hatten.
Beide Gruppen aßen unter verblindeten Bedingungen einmal Schokolade und einmal einen Ersatzstoff, den man geschmacklich nicht von Schokolade unterscheiden konnte. Dabei wurde festgehalten, ob eine Attacke auftrat. Es konnten keine signifikanten Unterschiede in den einzelnen Gruppen festgestellt werden.
Beide zeigten eine ähnliche Häufigkeit der Migräneattacken. Möglicherweise ist eine Essattacke in der Prodromalphase für manche Patienten sogar günstig, da sich der Körper im Vorfeld für die schweren Migränesymptome rüstet und vor Einsetzen von Inappetenz, Übelkeit und Erbrechen noch einmal für die Aufnahme von Kalorien sorgt.
Nahrungsmittel werden als direkte Auslöser für Migräne überschätzt. Die einzige Ausnahme stellen bestimmte alkoholische Getränke, insbesondere Rotwein, dar. Sie führen bei manchen Migränepatienten regelhaft zu Attacken. Dabei ist es jedoch meist nicht der Alkohol, sondern bestimmte Inhaltsstoffe im alkoholischen Getränk, die die Attacke auslösen. Es ist daher für Migränepatienten in der Regel nicht notwendig grundsätzlich auf Alkohol zu verzichten.
Jeder Patient sollte wissen, dass ein Nahrungsmittel nur dann ein Trigger (Auslöser) für Migräne ist, wenn es regelhaft und im direkten zeitlichen Zusammenhang mit seinen Genussattacken steht. Für die meisten Patienten gilt, dass sie alles genießen dürfen und keine speziellen Diäten einhalten müssen.
Quellen:
Pressemitteilung
Langzeitstudie bestätigt: Schokolade kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken
Dr. Gisela Olias, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
http://idw-online.de/pages/de/news362162
WDR5 Leonardo, 31.3.2010
http://www.wdr5.de/nachrichten/wissenschaft.html?news7312621
Süßigkeiten und Migräne - Was ist dran an den viel zitierten Auslösern für Migräne?
Rita Wilp, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
http://idw-online.de/pages/de/news362207