Folsäure-Supplementation bei Methotrexat (MTX): Ja oder nein, und wenn ja, wie dann richtig?
Fast so alt wie die MTX-Therapie rheumatischer Erkrankungen selber ist die Frage nach einer Begleitmedikation mit Folsäure. Soll Folsäure in jedem Fall eingenommen werden, oder führt sie zu einer Abschwächung der MTX-Wirkung? Und wenn ja: Folsäure 24 oder 48 Stunden nach MTX? Einmal pro Woche oder öfters? Und welche Dosis? Unser Beitrag faßt den aktuellen Stand der Erkenntnis zusammen und gibt wissenschaftlich abgesicherte Empfehlungen.
Methotrexat: Ein Gegenspieler der Folsäure
Die Wirkung von Methotrexat (MTX) beruht auf einem sogenannten Folsäure-Antagonismus, d.h. Methotrexat ist ein Gegenspieler der Folsäure und verhindert damit die Teilung von Zellen. Bei der Behandlung von entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder Psoriasis-Arthritis macht man sich diese Eigenschaft zunutze, um mit einer einmal wöchentlichen Gabe von niedrig-dosiertem Methotrexat die Vermehrung von Zellen zu verhindern, die die Entzündung auslösen und fortschreiten lassen.
Folsäure als Begleitmedikation einer MTX-Therapie: Das Für und das Wider
Gibt man unmittelbar nach Methotrexat eine ausreichend hohe Dosis von Folsäure, kann man damit die MTX-Wirkung aufheben oder zumindestens deutlich abschwächen. Dieses Prinzip macht man sich – in abgewandelter Form – in der Krebstherapie bei einer Hochdosis-Methotrexat-Therapie von bösartigen Tumoren zunutze, um mögliche Methotrexat-Nebenwirkungen zu reduzieren.
In der Rheumatologie und klinischen Immunologie wird MTX in sehr viel niedrigeren Dosierungen angewendet. Die Diskussion um die Zugabe von Folsäure („Folsäure-Supplementation“) spiegelt aber diesen Spagat wider: Gibt man nach MTX Folsäure, kann damit die Rate möglicher Nebenwirkungen reduziert werden, gibt man allerdings zu früh oder zu viel Folsäure, kann es zu einer Wirkungsverminderung von MTX kommen.
Folsäure-Supplementation unter einer MTX-Therapie: Die aktuellen Empfehlungen
Ich habe für den Arbeitskreis Ernährungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie die vorliegende wissenschaftliche Literatur zur Frage der Folsäure-Supplementation unter einer MTX-Therapie entzündlich-rheumatischer und immunologischer Systemerkrankungen ausgewertet. Auf der Grundlage dieses Papiers können gegenwärtig die folgenden Empfehlungen gegeben werden:
- In der Regel sollte bei einer MTX-Therapie rheumatischer Erkrankungen eine Folsäure-Supplementation erfolgen. Es ist allerdings noch nicht abschließend entschieden, ob eine generelle Folsäure-Supplementation einer individualisierten Supplementation im Bedarfsfall überlegen oder unterlegen ist, d.h. daß alternativ Folsäure nicht gleich zu Beginn der MTX-Therapie gegeben wird, sondern erst bei den ersten Anzeichen von unerwünschten Wirkungen („Nebenwirkungen“).
- Im Regelfall ist bei einer routinemäßigen Supplementation eine Anfangsdosis von 5 mg Folsäure einmal wöchentlich ausreichend.
- Die Folsäuregabe sollte üblicherweise 48 Stunden nach der MTX-Verabreichung erfolgen. Vielfach wird eine Folsäure-Einnahme bereits 24 Stunden nach der MTX-Verabreichung empfohlen. Dies hat historische Gründe und geht u.a. auf die Vorgaben von klinischen Zulassungsstudien in den USA zurück, in denen MTX zur Anwendung kommt. Aus einzelnen dieser Studien ist allerdings auch die Erkenntnis gewonnen worden, daß durch Folsäuregabe die MTX-Wirkung abgeschwächt wird. Der Metabolismus von MTX (die Verstoffwechslung im Körper) läßt vermuten, daß dieser negative Effekt bei einer späteren Folsäuregabe, d.h. 48 Stunden nach MTX, verringert oder vermieden werden kann.
- Alternativ ist der Einsatz von Folinsäure möglich (2,5 mg/Woche). Die vorhandenen Daten deuten auf keine relevanten Unterschiede zwischen Folsäure und Folinsäure; die umfangreicheren Daten liegen für Folsäure vor.
- Die Folsäure-Supplementation sollte ggf. im Verlauf in der Dosis angepasst werden (5 mg täglich an 5 Tagen in der Woche bis zu 15 mg täglich an 5 Tagen in der Woche, beginnend 48 Stunden nach der MTX-Verabreichung), z.B. beim Auftreten unerwünschter MTX-Wirkungen, insbesondere auch bei hepatischen Nebenwirkungen (Anstieg der Leberwerte) oder bei ansteigendem Serum-Homocysteinspiegel.
- Bei höheren Folsäure-Dosierungen von mehr als 25 mg pro Woche muß mit einer (meist geringen bis mäßiggradigen Abschwächung) der MTX-Wirkung gerechnet werden. Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob die MTX-Dosis entsprechend angepasst werden muß oder die Dosis der Folsäure reduziert werden kann.
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