Fibromyalgie: Erstmals Nachweis von pathologischen Veränderungen bei Untersuchungen im Kernspin
Erstmals hat jetzt eine Studie pathologische Veränderungen bei Patienten mit Fibromyalgie nachweisen können. Dabei erfolgte eine Kernspin-Untersuchung des Gehirns, während die Patienten einem definierten Schmerzreiz ausgesetzt wurden.
Erstmals hat jetzt eine Studie pathologische Veränderungen bei Patienten mit Fibromyalgie nachweisen können. Dabei erfolgte eine Kernspin-Untersuchung des Gehirns, während die Patienten einem definierten Schmerzreiz ausgesetzt wurden. Im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen wurden bei den Fibromyalgie-Patienten Unterschiede bei der Schmerzverarbeitung und bei der Schmerzwahrnehmung im Gehirn beobachtet. Die Patienten mit Fibromyalgie reagierten dabei mindestens doppelt so stark auf den Schmerzreiz wie die gesunden Kontrollpersonen.
Die in dem hochrangigen Journal Arthritis & Rheumatism veröffentlichte Studie weist nach Angaben der Autoren zum ersten Mal mit objektiven Methoden nach, was Fibromyalgie-Patienten bei der Schmerzwahrnehmung fühlen, und was in ihrem Gehirn in dem Augenblick passiert, wenn sie einem Schmerzreiz ausgesetzt werden.
Die Studie belegt mit dieser wissenschaftlichen Untersuchung, dass sich Fibromyalgie-Patienten ihren Schmerz nicht „einbilden“, sondern dass diesem Schmerz ein im Kernspintomogramm nachweisbares „objektives“ Korrelat entspricht. „Fibromyalgie-Patienten haben wirklich Schmerzen“, kommentiert eine Pressemitteilung der Universität von Michigan die Befunde dieser Studie.
Unabhängig von den Ergebnissen der Untersuchung bleibt die Auffassung, dass es sich bei der Fibromyalgie um eine Erkrankung handelt, bei der psychische und soziale Faktoren eine zentrale Rolle für die Entstehung und den weiteren Krankheitsverlauf spielen.
Die aktuelle Studie belegt nicht, dass mit den erhobenen Befunden die primäre Ursache der Erkrankung gefunden wurde. Die beobachteten Reaktionen lassen keine Unterscheidung zu, ob bei der Fibromyalgie primäre Veränderungen im Gehirn vorliegen, die dann in der Folge zu den beschriebenen Befunden führen, oder ob die beobachteten Phänomene eine Reaktion des Gehirns auf äußere Faktoren wie z.B. psychosozialen Streß oder andere Auslöser, z.B. auch vorausgehende Erkrankungen, darstellen. Die wesentliche Erkenntnis ist, dass überhaupt Unterschiede zwischen Fibromyalgie-Patienten und Gesunden nachweisbar sind und damit die Erkrankung besser definierbar wird.
Die Studie erfolgte bei 16 Patienten mit Fibromyalgie, die zufällig aus einer Stichprobe von 165 aufeinanderfolgenden Klinikpatienten ausgewählt wurden. Als Kontrollgruppe dienten 16 gesunde Personen, die durch Zeitungsanzeigen für die Teilnahme an der Studie gewonnen wurden.
Alle Studienteilnehmer waren Rechtshänder. In beiden Gruppen (Fibromyalgie-Gruppe und Kontrollgruppe) war die Anzahl von Frauen und Männern gleich (15 Frauen, 1 Mann).
Die Kernspinuntersuchung des Gehirns dauerte ca. 10 Minuten. Während dieser Zeit wurden alle Teilnehmer einem definierten Schmerzreiz ausgesetzt. Dieser erfolgte durch eine Art Daumenschraube, indem mit einem kleinen technischen Apparat ein kontrollierter, pulsierender Druck auf die Basis des linken Daumennagels ausgeübt wurde.
Die Untersuchung wurde in beiden Gruppen in 2 Versuchsanordnungen durchgeführt. Bei der ersten Untersuchungsreihe war der Schmerzreiz in beiden Gruppen gleich. In der zweiten Untersuchungsreihe wurde der Schmerzreiz in der Kontrollgruppe stufenweise so lange erhöht, bis die Teilnehmer denselben Schmerzgrad angaben, wie er zuvor von den Fibromyalgie-Patienten in der ersten Versuchsreihe empfunden wurde.
Bei den Fibromyalgie-Patienten war der Schwellenwert bis zur Schmerzwahrnehmung signifikant niedriger als bei den Kontrollpersonen. Bei ihnen wurde ein Schmerz bereits bei einer Reizintensität von 2.4 kg/cm² angegeben, während die gesunden Kontrollpersonen einen Schmerz erst bei einer Belastung mit 4.16 kg/cm² angaben.
Bei den Fibromyalgie-Patienten kam es im Kernspinbefund bereits unter dem niedrigen Schmerzreiz zu messbaren Veränderungen in Gehirnarealen, in denen Schmerz wahrgenommen wird. Bei den gesunden Kontrollpersonen waren solche Veränderungen bei der niedrigen Stimulationsrate im Kernspin nicht nachweisbar. Bei ihnen traten diese Veränderungen erst auf, als der Schmerzreiz am Daumennagel in der Stärke mehr als verdoppelt wurde.
Bei sogenannten funktionellen MNR-Untersuchungen wurde eine erhöhte Gehirnaktivität über Bestimmungen der regionalen Durchblutung gemessen. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Fibromyalgie-Patienten und den gesunden Versuchsteilnehmern.
Wenn Patienten und Kontrollpersonen dieselbe Schmerzstärke empfanden, war bei den Gesunden eine Gehirnraktivität in 19 Gehirnregionen nachweisbar, während diese bei den Patienten mit Fibromyalgie nur in 12 Gehirnregionen gesehen wurde. Von diesen Regionen waren nur 8 für Patienten und Gesunde identisch. 7 davon zeigten eine erhöhte Aktivität, eine Region zeigte eine verminderte Aktivität.
Bei milden Reizen, die die Fibromyalgie-Patienten bereits als Schmerz empfanden, die gesunden Kontrollpersonen dagegen noch nicht, beobachtete man bei den Gesunden eine vermehrte Aktivität in 2 Gehirnregionen, die bei den Fibromyalgie-Patienten keine Aktivität zeigten.
Einige der Regionen, die bei Fibromyalgie „ansprachen“, blieben bei den Gesunden „ruhig“. Auf der anderen Seite blieben einige Regionen bei den Fibromyalgie-Patienten „ruhig“, die bei den Gesunden aktiv wurden, wenn bei Ihnen der Schmerzreiz erhöht wurde und sie nun auch Schmerzen angaben. Dieser Befund deutet darauf hin, dass Fibromyalgie-Patienten eine verstärkte Antwort auf Schmerzen in einigen Gehirnregionen aufweisen, in anderen dagegen eine verminderte Antwort.
Die Autoren interpretieren ihre Ergebnisse so, dass bei Fibromyalgie ein Mechanismus vorliegen könnte, bei dem eine periphere Schmerzwahrnehmung, d.h. im vorliegenden Experiment z.B. am Daumennagel, im Gehirn zentral verstärkt wird. Die verstärkte Antwort in den beobachteten Gehirnarealen deutet darauf hin, dass bei der Fibromyalgie nicht einfach ein psychologischer Mechanismus zugrunde liegt, sondern ein veränderter physiologischer Prozess im Gehirn.
Dr. Clauw als einer der Autoren kommentiert die Studie so: „Ich hoffe, dass diese Studie dabei hilft, die Ärzte zu überzeugen, dass Fibromyalgie tatsächlich eine definierte Veränderung ist.“
(Im englischen Orignialtext: "I hope that this study helps convince physicians that fibromyalgia is a real condition.")
Gracely RH, Petzke F, Wolf JM, Clauw DJ.
(National Institute of Dental and Craniofacial Research, NIH, Bethesda, Maryland, USA)
Functional magnetic resonance imaging evidence of augmented pain processing in fibromyalgia.
Arthritis Rheum 2002 May;46(5):1333-43