`Fenster der therapeutischen Möglichkeiten´ - Dichtung oder Wahrheit?
Studienergebnisse einer niederländischen Arbeitsgruppe widerlegen die Theorie des `Therapeutischen Fensters ´ in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Als `Therapeutisches Fenster ´ bezeichnet man ein sehr frühes Krankheitsstadium der rheumatoiden Arthritis, in dem manche Patienten auf bestimmte Therapien hervorragend ansprechen,sodass der Krankheitsverlauf im weiteren eventuell gestoppt werden könnte.
Immer wieder flackert der Expertenstreit auf, ob ein sogenanntes `Therapeutisches Fenster ´ in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis existiert oder nicht. Das `Therapeutische Fenster ´ beschreibt ein sehr frühes Krankheitsstadium der rheumatoiden Arthritis, in dem manche Patienten auf bestimmte Therapien viel empfindlicher und besser reagieren, als zu einem späteren Behandlungszeitpunkt. Eine frühzeitig einsetzende Therapie könnte den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend beeinflussen und eventuell ein Fortschreiten verhindern.
Der Gedanke an ein `Therapeutisches Fenster´ stammt unter anderem aus der sogenannten COBRA-Studie. Dort hatten die Wissenschaftler festgestellt, dass eine Therapie die gleich zu Beginn aus einer Kombination aus Methotrexat (MTX), Sulfasalzin (z.B. Azulfidine) und Kortison besteht in einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren der alleinigen Therapie mit Sulfasalazin überlegen war. Die Patienten hatten unter der Kombinationstherapie weniger Krankheitsaktivität und geringere Veränderungen im Röntgenbild.
Aktuell berichten niederländische Wissenschaftler um van Akren von neuen Studienergebnissen, die der Hypothese eines `Therapeutischen Fensters´ entgegen stehen. Im Rahmen einer Studie wurden zwei Patientengruppen gebildet von den die eine zu Beginn ausschließlich Schmerzmittel erhielt und die andere Gruppe gleich von Anfang an mit einer Basistherapie und cortisonfreien Rheumamedikamenten (NSAR) behandelt wurde. Als Basismedikament wurde entweder Chloroquin oder Sulfasalazin eingesetzt. Es zeigte sich, dass die Patienten, die früh eine Basistherapie erhielten im Zeitraum 0-4 Jahre weniger radiologische Veränderungen aufwiesen, als die `Schmerzmittelgruppe´. Betrachtet man hingegen den Zeitraum 1-4 Jahre so ergab sich zwischen den beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied. Das heißt abgesehen vom ersten Behandlungsjahr war kein Unterschied bezüglich der Gelenkzerstörung festzustellen.
Dieses Studienergebnis ist allerdings sehr kritisch zu bewerten und kann nicht zu dem Schluß führen, dass eine frühzeitig eingeleitete wirksame Basistherapie nicht effektiver ist, als die alleinige Behandlung mit Schmerzmitteln. Die Studienautoren sehen die Ergebnisse ebenfalls kritisch: So wurden in der Studie zwei Basismedikamente eingesetzt, die in der Monotherapie sehr schwach wirksam sind. Zudem weiß man, dass die Wirksamkeit von Sulfasalazin nach 2-3 Jahren nachläßt. Die Patienten wurden aus heutiger Sicht während der 4 Studienjahre also untertherapiert.
Dr. Peter Lipsky vom National Institute of Arthritis and Musculoskeletal and Skin Diseases, Bethesda, MD wirft die Frage auf, ob die Krankheitsdauer vor Therapiebeginn ebenso wie die Auswahl der Basismedikament zu den Studienergebnissen geführt hat.
Lipsky ist der Studienleiter der geplanten DINORA-Studie. In dieser Studie werden nur Patienten zu einem sehr frühen Krankheitszeitpunkt aufgenommen. Die Diagnosestellung darf nicht länger als 14 Wochen zurückliegen. Die Patienten werden gleich zu Beginn mit dem Anti-Tumor Nekrose Faktor Infliximab (Remicade) behandelt. Die Hoffnung die hinter der Studie steht ist, durch die effektivste Therapieform, die derzeit zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung steht, den natürlichen Krankheitsverlauf zu beeinflussen und lang anhaltende Remissionen ohne Medikamente zu erzielen. Oder anders formuliert: Läßt sich die rheumatoide Arthritis durch eine frühzeitige hochwirksame Therapie heilen?
Literatur:1. Van Aken J, Lard LR, Le Cessie S, et al. Radiological outcome after four years of early versus delayed treatment strategy in patients with recent onset rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2004 Mar; 63(3):274-9.