FDA warnt vor seltener Nebenwirkung unter Rituximab bei systemischem Lupus erythematodes
Die US-amerikanische Zulassungsbehörde hat anlässlich von zwei Einzelfallbeobachtungen einen Warnhinweis veröffentlicht, in dem sie auf die Möglichkeit einer sehr seltenen Nebenwirkung unter einer Rituximab-Therapie aufmerksam macht. Bei den beiden Patienten war es zum Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) gekommen, einer schweren viralen Infektion des zentralen Nervensystems. Diese Komplikation kann offensichtlich auch erst sehr viel später im Behandlungsverlauf auftreten, z.T. sogar erst nach einem Jahr.
Rockville MD, 18. Dezember 2006. Wie wir erst jetzt erfahren, hat die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) in den USA bereits kurz vor Weihnachten 2006 einen Warnhinweis veröffentlicht, der eine seltene Infektionskomplikation betrifft, die möglicherweise im Zusammenhang mit einer Rituximab-Therapie des systemischen Lupus erythematodes (SLE) auftreten kann.
Die Therapie mit Rituximab (MabThera) ist offiziell für die Behandung des systemischen Lupus erythematodes nicht zugelassen, wird aber außerhalb der Zulassung („off-label“) im Einzelfall auch für diese Indikation eingesetzt.
Die US-amerikanische Zulassungsbehörde hat nun anlässlich von zwei Einzelfallbeobachtungen einen Warnhinweis veröffentlicht, in dem sie auf die Möglichkeit einer sehr seltenen Nebenwirkung aufmerksam macht. Bei den beiden Patienten war es in der Folge der Rituximab-Therapie zum Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) gekommen, einer schweren viralen Infektion des zentralen Nervensystems. Diese Komplikation kann offensichtlich auch erst sehr viel später im Behandlungsverlauf auftreten, z.T. sogar erst nach einem Jahr.
Der Warnhinweis stellt dazu fest, daß Fälle von progressiver multifokaler Leukenzephalopathie auch bei Patienten vorkommen, die niemals mit Rituximab behandelt wurden. Diese Infektion tritt nahezu ausschließlich bei Patienten mit einer schweren Beeinträchtigung der Immunabwehr auf, beispielsweise bei HIV-/AIDS-Infektionen oder auch bei angeborenen Immunschwäche-Syndromen, weiterhin bei hämatoproliferativen oder lymphoproliferativen Erkrankungen (Leukämie, Lymphome), außerdem unter einer Immunsuppression nach Organtransplantationen oder unter einer Chemotherapie bei Krebserkrankungen.
Dr. Steven Galson, Direktor des Center for Drug Evaluation and Research der FDA, kommentiert dazu: “Patienten, die mit Rituxan (Anm. von rheuma-online: In den USA ist der Handelsname Rituxan und nicht MabThera wie in Europa) behandelt werden oder wurden und irgendwelche schwerwiegenderen Veränderungen beim Sehen, Gleichgewichtsstörungen oder Koordinationsstörungen bemerken oder bei denen es zu Verwirrtheitszuständen kommt, sollten sofort Rücksprache mit dem behandelnden Arzt nehmen ("Patients who are being treated or have been treated with Rituxan who experience any major changes in vision, balance, or coordination, or who experience confusion, should promptly call their doctor."
Die Ärzte werden gebeten, auf die Möglichkeit einer solchen seltenen Komplikation zu achten und entsprechende Fälle den Zulassungsbehörden mitzuteilen.
Anmerkung von rheuma-online:
Die progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) ist eine sehr seltene, subakute demyelinisierende Erkrankung des Zentralnervensystems, die durch eine Infektion mit dem DNA-JC-humanem Polyomavirus hervorgerufen wird. Bei Patienten mit immunkomprimittierenden Erkrankungen (Erkrankungen, die mit einer Immunschwäche einhergehen bzw. bei denen die Immunabwehr stark beeinträchtigt ist) ist sie in der Regel durch die Reaktivierung einer vorbestehenden, latenten (verborgenen) Infektion und normalerweise nicht durch eine Neuansteckung bedingt. Die Diagnose ist oftmals schwierig. Durch die Einführung des Direktnachweises in der Liquorflüssigkeit (Gehirn- bzw. Rückenmarksflüssigkeit) mit Hilfe der DNA-Polymerase-Ketten-Reaktion (Polymerase chain reaction, PCR) konnte die Diagnosestellung erheblich verbessert werden. Ein negativer Befund in der PCR schließt eine JC-Erkrankung allerdings nicht aus. Der diagnostische "Goldstandard" ist weiterhin die Hirnbiopsie (Untersuchung einer Hirngewebsprobe). Eine gezielte antivirale Therapie steht für die JC-Erkrankung gegenwärtig nicht zur Verfügung. Die Prognose der Erkrankung ist deshalb extrem ungünstig.
Um vor diesem Hintergrund den Warnhinweis der FDA richtig einschätzen zu können, sind zwei Gesichtspunkte besonders wichtig.
Zum einen handelt es sich bei der Rituximab-Therapie eines systemischen Lupus um eine Behandlung außerhalb der gültigen Zulassung; unter dieser Bedingung hat der Warnhinweis der FDA die Konsequenz, daß diese Patienten auch aus juristischen Gründen vor der Therapie auf die Möglichkeit dieser extrem seltenen Komplikation aufmerksam gemacht werden müssen.
Zum anderen halten wir es für wichtig, darauf hinzuweisen, daß eine progressive multifokale Leukenzephalopathie bei Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis unseres Wissens bislang nicht beobachtet wurde.
Ob dies ein Zufall ist oder damit zusammenhängt, daß Patienten mit einem systemischen Lupus erythematodes schon allein krankheitsbedingt eine stärkere Immunkompromittierung haben als Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis, kann derzeit noch nicht sicher entschieden werden.
Es spricht aber viel dafür, auch vor dem Hintergrund anderer, seltener Infektionskomplikationen im Bereich des Zentralnervensystems wie z.B. Kryptokokkenmeningitis, die bei SLE, aber nicht bei RA beschrieben wurden, daß es sich bei der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie um eine Komplikation handelt, die bei der rheumatoiden Arthritis eher nicht zu erwarten sein sollte.
Wir selber kennen eine Patienten mit SLE, die niemals mit Rituximab behandelt worden war und die in der Folge der schweren Beeinträchtigung des Immunsystems durch den Lupus selbst und / oder die immunsuppressive Therapie mit Azathioprin an einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie erkrankte. Die Komplikation äußerte sich zunächst nur sehr unterschwellig in unklaren neurologischen Symptomen, so daß sie anfangs selbst in einer mehrfach konsiliarisch hinzugezogenen neurologischen Universitätsklinik nicht als solche erkannt wurde.
Der Warnhinweis der FDA sollte insofern zum Anlaß genommen werden, bei allen unklaren neurologischen Symptomen bei einem systemischen Lupus erythematodes nicht nur an eine Gehirnbeteiligung der Grunderkrankung zu denken, sondern auch an die Möglichkeit einer Infektionskomplikation, insbesondere auch mit seltenen und ungewöhnlichen Erregern.
Allen Patienten mit rheumatoider Arthritis, die mit Rituximab behandelt wurden oder bei denen eine Therapie mit Rituximab geplant ist, möchten wir mögliche Sorgen und Ängste nehmen und ihnen signalisieren, daß es aus unserer Sicht und vor dem Hintergrund der gesamten Datenlage keinen Grund zur Beunruhigung gibt.
Referenz:
Press release, 18 Dec. 2006, U. S. Food and Drug Administration
5600 Fishers Lane, Rockville MD 20857-0001
http://www.fda.gov/bbs/topics/NEWS/2006/NEW01532.html