Experten-Sprechstunde zum Welt-Rheumatag: Die Nachbereitung
Welt-Rheumatag am 12.10.2005: Dazu gab es eine Experten-Sprechstunde mit Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer aus Düsseldorf und Dr. med. G. Goretzki, Nuklearmediziner aus Bielefeld. r-o ist schneller als der Schall: Hier ein Ausschnitt aus dem Live-Chat mit einer Auswahl von Fragen und Antworten. Mehr Infos hier:
Am 12. Oktober 2005 ist Welt-Rheumatag. Aus diesem Anlaß fand eine Experten-Sprechstunde zum Thema "Rheuma" statt. Die Experten: Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer aus Düsseldorf und Dr. med. G. Goretzki aus Bielefeld.
Hier die ersten Fragen und Antworten aus dem Live-Chat, aus Gründen der Aktualität "unplugged" und völlig unbearbeitet:
eule76
Seit Anfang juli hab ich cP. Nun befürchtet mein Rheumatologe ich könnte Antikörper haben, die die inneren Organe zerstören. Wie muss ich das verstehen?? Ich mach mir irgendwie Sorgen.
PD DR. LANGER
Zunächst etwas sehr Positives: Wenn die cP (chronische Polyarthritis, rheumatoide Arthritis) erst seit Anfang Juli besteht und Sie sich bereits jetzt in fachrheumatologischer Behandlung befinden, gehören Sie zu den wenigen glücklichen Rheumapatienten in Deutschland, bei denen die Erkrankung in einem sehr frühen Stadium erkannt worden ist und nun fachgerecht und wirksam behandelt werden kann.
PD DR. LANGER
Wir wissen heute, daß es ein sog. "therapeutisches Fenster" von etwa 12 bis 16 Wochen nach Krankheitsbeginn gibt, in dem die Behandlungschancen excellent sind.
PD DR. LANGER
Wenn jetzt mit einer langwirksamen antirheumatischen Therapie (Basistherapie) begonnen wird, gelingt es im günstigsten Fall, eine komplette Remission zu erzielen.
PD DR. LANGER
Remission nennen die Rheumatologen ein Behandlungsergebnis, in dem alle Symptome verschwunden sind und auch mit Blutuntersuchungen und anderen Untersuchungen keine Krankheitszeichen mehr zu sehen sind.
PD DR. LANGER
Bei einer rheumatoiden Arthritis können im Blut auch Antikörper gegen körpereigenes Gewebe nachgewiesen werden. Mit oder ohne solche Antikörper kann es auch zu einer Beteiligung der inneren Organe kommen.
PD DR. LANGER
Insofern ist die Bezeichnung Arthritis (= Gelenkentzündung) etwas irreführend. Die rheumatoide Arthritis ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fehlerhaft arbeitet. Da das Immunsystem als Körperpolizei den ganzen Körper kontrolliert, kann sich eine gestörte Funktion des Immunsystems im ganzen Körper auswirken, z. B. kann es auch zu einer rheumatischen Entzündung von inneren Organen kommen.
PD DR. LANGER
Durch eine wirksame antirheumatische Therapie kann natürlich auch eine solche mögliche Beteiligung von inneren Organen ausreichend behandelt werden. Wichtig ist nun, daß man keine Angst vor wirksamen Medikamenten hat, sondern rechtzeitig mit einer zielgerichteten Behandlung beginnt.
PD DR. LANGER
Wer mehr zur frühen Arthritis lesen möchte, kann sich zu diesem Thema unsere speziellen Seiten auf www.rheuma-online.de anschauen.
Rahtjens_1
Rheuma ist doch eine autoimmun Erkrankung. Warum will sich der Körper selbst zerstören?
PD DR. LANGER
Vermutlich ist es so, daß sich der Körper nicht selber zerstören will. Unabhängig davon gibt es aber Auslöser, die dazu führen, daß das Immunsystem nicht mehr ordnungsgemäß arbeitet und bei einer sog. Auto-Immunerkrankung beginnt, körpereigenes Gewebe anzugreifen.
PD DR. LANGER
Es gibt zunehmende Hinweise darauf, daß es eine ganze Reihe von Viren sein können, die zu einer solchen Störung des Immunsystems führen können. Bei den sog. Infekt-Reaktiven-Arthritiden infekt-reaktiven Arthritiden führen bakterielle Erreger in der Folge einer fehlerhaft "verarbeiteten" Infektion zu einer Arthritis. Gut belegt ist das beispielsweise für Infektionen mit Salmonellen, Yersinien, oder auch Chlamydien, daneben weiteren Keimen.
PD DR. LANGER
Es kann aber auch durch andere Faktoren zu einer Störung des Immunsystems kommen. Ganz neu ist die Erkenntnis, daß Rauchen (Nikotinkonsum) nicht nur die Gefäße schädigt und zu Lungenkrebs führen kann, sondern auch das Risiko für eine rheumatoide Arthritis erhöht.
PD DR. LANGER
Durch diese neuen Forschungsergebnisse sind die Möglichkeiten noch weiter gewachsen, gezielt nach den Ursachen für rheumatische Erkrankungen zu suchen und dann auch gezielt besser zu behandeln.
tulpe
Habe ich das erste Zeitfenster schon verpasst, wenn bei einer einfachen Röntgenaufnahme schon Erosionen an Händen und Füßen zu sehen sind? Diagnose CP habe ich erst jetzt bekommen. Kann man davon ausgehen, dass bei jedem Schub Schädigungen bleiben?
PD DR. LANGER
Damit dieses bei möglichst wenigen Patienten passiert, engagieren sich die Rheumatologen ganz besonders, daß die Diagnose so früh wie möglich gestellt und daß die Erkrankung so früh wie möglich wirksam behandelt wird.
PD DR. LANGER
Sehr erfreulich ist, daß einige Krankenkassen die Bedeutung dieser frühzeitigen Diagnose und einer rechtzeitigen Therapie erkannt haben. Wegen des herausragenden Engagements der DAK und HMK (Hamburg-Münchner-Krankenkasse) in dieser Frage der Früherkennung und Frühbehandlung möchte ich das von ihnen iniziierte Projekt einer integrierten Versorgung der frühen Arthritis, das zusammen mit der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und unserer Früharthritis-Klinik durchgeführt wird, besonders erwähnen.
PD DR. LANGERVielleicht ist wegen der besonderen Bedeutung dieses Projektes Werbung an dieser Stelle ausnahmsweise erlaubt.
PD DR. LANGER
Eine wirksame antirheumatische Behandlung kommt aber in keinem Krankheitsstadium einer rheumatoiden Arthritis zu spät. Mit den modernen Behandlungsmethoden und neuen Medikamenten gelingt es mittlerweile sogar bei einer größeren Zahl von Patienten, die Erkrankung auch bei bereits eingetretenen Gelenkschäden vollständig zu stoppen und ein weiteres Fortschreiten der im Röntgenbild sichtbaren Veränderungen zu verhindern.
PD DR. LANGER
Ganz neue Daten, die u. a. auf dem diesjährigen Kongress der europäischen Rheumatologen in Wien vorgestellt wurden, zeigen, daß mit diesen neuen Therapieansätzen sogar Heilungsprozesse in den Gelenken eingeleitet werden können und es zu einer Rückbildung und "Heilung" von solchen Erosionen kommt.
Cala
Kann man Rheuma bestrahlen und dadurch Linderung bekommen?
DR. GORETZKI
Da es sich bei Rheuma in der Regel um systemische Erkrankungen handelt, d. h. den ganzen Körper letztlich betreffend, kann diese Erkrankung nicht grundsätzlich primär mit einer Bestrahlung behandelt werden.
DR. GORETZKI
Zum Einsatz kommen zunächst systemisch wirkende Medikamente, wie in der heutigen Sprechstunde schon mehrfach ausgeführt, die das Krankheitsgeschehen insgesamt positiv beeinflussen können.
DR. GORETZKI
Sollte trotz solch einer systemischen Behandlung an einzelnen Gelenken ein Entzündungsprozess verbleiben und nicht ausreichend auf die Medikamente ansprechen, sind lokale Behandlungen dieser Gelenke indiziert.
DR. GORETZKI
Hierbei kommen Injektionen (Einspritzungen) in das Gelenk in Betracht, wobei zunächst zumeist eine örtliche Cortison-Behandlung indiziert ist. Sollte auch hierdurch keine ausreichende und anhaltende therapeutische Wirkung erzielt werden, ist z. B. eine RSO-Behandlung in Erwägung zu ziehen.
DR. GORETZKI
Die Voruntersuchungen und Indikationsstellungen hierzu werden in Kooperation zwischen den behandelnden Rheumatologen und einem in der RSO erfahrenen Nuklearmediziner durchgeführt. Die Behandlung selbst erfolgt in diesem Fall durch den Nuklearmediziner, was durch den Einsatz radioaktiver Substanzen und der Einhaltung der hierfür geforderten Strahlenschutzmaßnahmen notwendig ist, da eine entsprechende Ausbildung bei dem Nuklearmediziner vorliegt.
DR. GORETZKI
Eine Linderung der Beschwerden ist in diesem Fall bei ordnungsgemäßer Durchführung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.