Erzeugen Brustimplantate aus Silikon Autoimmunerkrankungen? Ein Einblick in den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion
Silikonimplantate der Brust sind seit den 60iger Jahren verbreitet. Fallberichten und kleineren Studien zur Folge ist das Auftreten rheumatischer Beschwerden bei Frauen mit Silikonimplantaten gehäuft. In diesem Zusammenhang werden vor allem bestimmte Bindegewebserkrankungen wie die Sklerodermie, aber auch das sogenannte Weichteilrheuma - die Fibromyalgie - diskutiert.
Seit den 60iger Jahren werden Implantate aus Silikon in der Brustchirurgie zum Brustersatz oder zur Brustvergrößerung eingesetzt. In den 70iger Jahren mehrten sich die Berichte, dass es nach dem Einsatz eines Silikon-Implantates zum Auftreten von Autoimmunerkrankungen und von Autoantikörpern im Blut der Patienten kam. Aus diesem Grund veranlasste die amerikanische Zulassungsbehörde für Medikamente (FDA) 1992 zunächst einen Beschränkung der Silikon-Implantationen. Silikon durfte nur noch im Rahmen von Studien zum Brustaufbau nach Operationen eingesetzt werden. Seitdem beschäftigte sich eine Reihe wissenschaftlicher Arbeitsgruppen mit dem Auftreten von Beschwerden, Erkrankungen und Blutveränderungen nach einer Silikon-Implantation.
Zunächst einige Worte zum Silikon selbst. Silikon ist ein Kunststoff mit einem Silizium-Sauerstoff Gerüst. Es verhält sich chemisch ähnlich wie organische Kohlenstoffverbindungen. Je nach Länge und Vernetzung der molekularen Strukturen liegt das Silikon in flüssiger, gelartiger, fester oder anderen Formen vor.
Ein Silikon-Implantat besteht aus einer festen Silikonhülle mit einem gelartigen Silikoninhalt.
Eine israelische Arbeitsgruppe trug die Ergebnisse verschiedener Studien die sich mit den Nebenwirkungen von Silikonimplantaten beschäftigten in einer Übersichtsarbeit zusammen und stellte gleichzeitig ihre eigenen Untersuchungsergebnisse vor.
Patientinnen mit silikonhaltigen Brustimplantaten berichten häufig sowohl von unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Schwäche und Konzentrationsstörungen als auch von rheumatischen Symptomen mit Schmerzen und Steifheit im Bereich der Gelenke und der Muskulatur. Gehäuft traten Berichte über die Entwicklung von sklerodermieähnlichen Krankheitsbildern auf. Bei der Sklerodermie kommt es unter anderem zu Verhärtungen der Haut und Kalkablagerungen im Bindegewebe.
Bei einer Blutuntersuchung von 116 Patientinnen mit Silikonimplantaten ließen sich im Vergleich zu 134 gesunden Frauen gehaüft Autoantikörper nachweisen. Bei 8% der Silikon-Patientinnen fanden sich sogar mehr als 6 Autoantikörper.
Einen speziellen Autoantikörper entdeckte die Arbeitsgruppe um Tenenbaum. Es handelt sich um den sogenannten Anti-Polymer Antikörper oder kurz APA-Antikörper. Litten Patientinnen mit Silikonimplantaten unter Beschwerden so lies sich der APA-Antikörper bei 37% der Fälle nachweisen. Bei beschwerdefreien Frauen mit Silikonimplantaten trat der APA-Antikörper nicht auf.
Auch genetische Veranlagungen scheinen darüber zu entscheiden, ob eine Patientin Beschwerden auf Silikon entwickelt oder nicht. So berichteten verschiedene Forscher von einem gehäuften Vorkommen spezieller genetische Merkmale (wie das HLA-DR53 und DQ2 und einer Veränderung am HLA-DQB1) bei Frauen mit typischen Silikonsymptomen.
In letzter Zeit mehrten sich die Berichte über das Auftreten einer Fibromyalgie bei Patientinnen mit Silikonimplantaten. ( Zu den Merkmalen der Fibromyalgie zählen unter anderem ausgeprägte Schmerzen an bestimmten `Tender-Points´, allgemeine Müdigkeit und Erschöpfung, sowie Funktionsstörungen an verschiedenen Organsystemen wie Herz, Magendarmtrakt u.a. Typischerweise finden sich trotz der ausgeprägten Beschweren weder am Körper noch im Blut entsprechende krankhafte Veränderungen.) In verschiedenen Studien fanden sich fibromyalgische Beschwerden bei bis zu 41% der Patientinnen mit Silikonimplantaten. Bei Frauen mit einem geplatzten Implantat lagen die Zahlen noch höher.
Andere Autoren wie Ahren et al. entdeckten ein gehäuftes Auftreten von psychischen Erkrankungen und eine ausgeprägte Ängstlichkeit bei Frauen mit Silikonimplantaten. Sie sehen daher die körperlichen Beschwerden der Frauen eher als Ausdruck einer psychischen Problematik. Medizinisch spricht man von einer Somatisierung. Die erhöhte Ängstlichkeit führen sie wiederum auf die Faktoren zurück, die zu der Brustoperation führten, wie zum Beispiel eine Krebserkrankung.
Aus den oben zitierten Studien erhält man einen kleinen Eindruck vom Ausmaß der `Silikon-Diskussion´, die seit mehr als einem Jahrzehnt ausgetragen wird. Es existieren noch eine Reihe weiterer Studien zu diesem Thema mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die Diskrepanz der Meinungen liegt sicher mit darin begründet, dass zwei verschiedene Interessensgruppen forschen. Zum einen sind es die Rheumatologen, die auf Grund der Studien und eigener Beobachtungen mit den rheumatischen Beschwerden der Patientinnen mit Silikonimplantaten konfrontiert sind. Das andere Lager besteht aus den plastischen Chirurgen und den Herstellern von Silikonimplantaten, bei denen auch finanzielle Interessen eine Rolle spielen.
Um eine endgültige Klarheit zu schaffen, sind größere Studien unter unabhängiger Leitung notwendig. Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch Zurückhaltung bei Silikonimplantaten geboten. Da eine erbliche Veranlagung bei der Entwicklung einer Autoimmunerkrankung als Reaktion auf das Silikon eine Rolle zu spielen scheint, wird Frauen mit einer familiären Vorbelastung dringend von Silikonimplantaten abgeraten.
Literatur: 1)Eran Bar-Meir1, Michael Eherenfeld2 & Yehuda Shoenfeld3.1Department of Plastic and Reconstructive Surgery, Sheba Medical Center, Tel-Hashomer, Israel. 2Department of Medicine C, Sheba Medical Center, Tel-Hashomer, Israel. 3Department of Medicine B, Sheba Medical Center, Tel-Hashomer, Israel.. SILICONE GEL BREAST IMPLANTS AND CONNECTIVE TISSUE DISEASE A COMPREHENSIVE REVIEW, published 24 February, 2003
2) Tenenbaum SA, Rice JC, Espinoza LR, Cuellar ML, Plymale DR, Sander DM, Williamson LL, Haislip AM, Gluck OS, Tesser JR (1997) Use of antipolymer antibody assay in recipients of silicone breast implants. Lancet 349: 449-454
3) Young VL, Nemecek JR, Schwartz BD, Phelan DL, Schorr MW (1995) HLA typing in women with breast implants. Plast Reconstr Surg 96: 1497-1519
4) Morse JH, Fotino M, Zhang Y, Flaster ER, Peebles CL, Spiera H (1995) Position 26 of the first domain of the HLA-DQB1 allele in post-silicone implant scleroderma. J Rheumatol 22: 1872-1875
5) Dush DM (2001) Breast implants and illness: a model of psychological factors. Ann Rheum Dis 60: 653-657
6) Ahern M, Smith M, Chua H, Youssef P (2002) Breast implants and illness: a model of psychological illness. Ann Rheum Dis 61: 659