Erwerbsunfähigkeit durch Rheuma: Ein (fast) alltägliches Risiko
Durch verspätete Krankheitserkennung und verzögerte Behandlung mit potenten Arzneimitteln erleiden immer noch viel zu viele Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) langfristige Folgen, die von starker Einschränkung ihrer Beweglichkeit bis hin zu Deformitäten der Gliedmaßen reichen.
Eigentlich ist es schon lange bekannt, aber immer noch wird zu wenig dagegen getan: Patienten mit RA werden zu spät mit wirksamen Medikamenten behandelt und deshalb gelten 50-60% der Patienten 10 Jahre nach der Diagnose als erwerbsunfähig. Dies erklärte Dr. Timm Volmer bei einer Tagung des Pharmaherstellers Wyeth. Volmer nannte Studiendaten, nach denen bei fast drei Viertel der Patienten mit RA bereits nach 3 Jahren Krankheitsdauer starke erosive Gelenkschäden und bei etwa einem Drittel irreversible Deformierungen der Hände zu finden sind.
Ein Viertel der Erkrankten ist nach diesem Zeitraum bereits krankheitsbedingt berentet, dadurch erreicht der Gesamtbereich Rheumatische Erkrankungen den „Spitzenplatz“ bei Berentungen durch Krankheit; übrigens ebenso bei Arbeitsunfähigkeitstagen und Reha-Maßnahmen.
Die Lebenserwartung ist nach verschiedenen Auswertungen, unter anderem von Versicherungsdaten, durchschnittlich um 10-20% verkürzt. Je nach Alter des Patienten entspricht dies einer Lebensverkürzung von 3-18 Jahren! Bei Hoch-Risiko-Patienten mit Organbeteiligungen liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nur bei 25-30 % und entspricht damit zum Beispiel der einer schweren Herzerkrankung.
Ein großes Problem liegt in der Tatsache, dass überhaupt nur etwa 20% der Rheumakranken in Deutschland in fachärztlicher Behandlung sind. Die meisten Patienten
mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises werden durch ihre Hausärzte oder hausärztlich tätigen Internisten sowie durch Orthopäden betreut. Hierdurch kommt es leider immer noch zu häufig zu einer verspäteten Diagnose und damit wird der Zeitraum von 12-16 Monaten nach Krankheitsausbruch, der eine optimale Behandlung noch zulässt, meist überschritten.
Während bei Behandlung durch Rheumatologen fast alle Patienten mit Basismedikamenten (DMARDs) behandelt werden, bekommen nur 20 % der nicht fachärztlich behandelten Patienten die Chance, mit diesen Medikamenten ihre Krankheit in den Griff zu bekommen. Besonders die hochwirksamen Mittel wie Methotrexat (MTX) oder Leflunomid (Arava®) werden nur selten, Kombinationstherapien fast nie eingesetzt.
Präparate aus dem Bereich Tumornekrosefaktor-alpha-Antagonisten werden insgesamt nur bei 1 % der Patienten mit Rheumatoider Arthritis eingesetzt. Selbst Großbritannien, das mit seinem schwerfälligen staatlichen Gesundheitssystem viele Patienten zur (schnelleren) Behandlung in andere Länder treibt (auch zu deutschen Ärzten), liegt speziell bei dieser Therapie mit 10 % behandelter Patienten weit vor Deutschland.
Neben den physischen Beschwerden durch Schmerzen und verminderte Beweglichkeit kommen dann noch zunehmende psychische Probleme auf die Patienten zu. Besonders bei jungen Patienten, die das (Berufs-)leben noch vor sich haben, ist ein Dasein als Frührentner mit erheblichen psychosozialen Belastungen verbunden. Nach einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums verbringen 39 % der Rheuma-Patienten ihre Freizeit alleine, 42 % mit der Familie, aber nur 10 % mit Freunden. Dies führt neben der Frustration durch die Berufsunfähigkeit zu einer sozialen Vereinsamung, die 60 % der Patienten als belastend empfinden.
Um diese Probleme nachhaltig zu bessern, nannte Herr Dr. Langer bei einer Fachtagung zum Thema Rheuma im Rahmen der Düsseldorfer Gesundheitskonferenz folgende Punkte als unverzichtbar:
- die frühzeitige Diagnose,
- der unverzügliche Beginn einer wirksamen Therapie,
- der verzögerungsfreie und unverstellte Zugang der Betroffenen in das spezialisierte rheumatologische Versorgungssystem,
- ein kompetentes rheumatologisches Krankheits- und
Behandlungsmanagement im Verlauf, - die Bereitstellung ausreichender rheumatologischer Ressourcen und
- die Koordination und Kooperation aller im Behandlungsprozess beteiligten Personen und Institutionen.
Weiterführende Informationen:
- Beeinträchtigung durch Rheuma oft unterschätzt
- Schmerz und Rheuma: Die Behandlung muss frühzeitig einsetzen
- Rheumatismus = Chronische Polyarthritis = CP - was ist das?
- Chronische Polyarthritis
- Enquetekommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW"
- Möglichkeiten einer ganzheitlichen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Rheumaerkrankung