Erhöhen entzündlich-rheumatische Erkrankungen das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall?
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ihre konventionellen Risikofaktoren stellen ein relevantes klinisches Problem bei Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen dar. Eine rechtzeitige Behandlung, die die chronische Entzündung effektiv unterdrückt, ist für den Behandlungserfolg bei rheumatoider Arthritis essenziell. Auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) liegt ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen vor.
Patienten mit einer entzündlichen-rheumatischen Erkrankung haben ein doppelt so hohes Risiko für Herzinfarkte wie Gesunde – in etwa vergleichbar mit dem von Diabetikern. Zusätzliche, klassische Risikofaktoren für Herz- und Gefäßkrankheiten sollten daher unbedingt rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Dies kann mit Verweis auf die Empfehlungen der Europäischen Rheuma-Liga EULAR allgemein geraten werden. Das kardiovaskuläre Risiko ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), der häufigsten rheumatischen Gelenkerkrankung, schon zu Beginn der Krankheit erhöht.
Dies lässt sich an Gefäßveränderungen belegen, die bei den Betroffenen schon früh auftreten. Es ist daher essenziell, sowohl die Krankheitsaktivität der RA so weit wie möglich durch geeignete Medikamente zu verringern als auch die traditionellen Risikofaktoren – hinsichtlich Rauchen, erhöhter Blutfettwerte, Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht – regelmäßig vom Arzt überprüfen zu lassen.
Bei Rauchern mit Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck ist das kardiovaskuläre Risiko bekanntlich zehnmal höher als bei Menschen ohne Risikofaktoren. Kommen weitere Risikofaktoren hinzu, steigt es, zum Beispiel bei erhöhten Blutt-fettwerten, um das 40-Fache an und bei zusätzlichem Übergewicht um das 60-Fache.
Bei der RA müssen diese Werte aufgrund der chronisch ablaufenden entzündlichen Prozesse allerdings zusätzlich noch einmal mit dem Faktor 1,5 multipliziert werden – insbesondere, wenn die Krankheit bereits mehrere Jahre andauert und wenn die Entzündungsmarker erhöht nachweisbar sind.
Medikamente, die rheumatische Entzündungen hemmen, verringern zum Teil die Gefahr von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Ein europäisches Forscherteam hat herausgefunden, dass bestimmte Rheumamittel nicht nur Gelenkbeschwerden lindern, sondern auch Herz-/Kreislauferkrankungen verhindern können.
Eine große internationale Studie mit über 4.300 Patienten aus 15 Ländern bestätigte unlängst, dass Patienten mit RA von Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems besonders bedroht sind. Knapp zehn Prozent der untersuchten Patienten starben im Laufe der Studie an einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Erkrankung der Herzkranzgefäße. Besonders gefährdet waren die Patienten, die zusätzlich an Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes litten.
Mit bestimmten Antirheumatika lässt sich diese Gefahr jedoch deutlich verringern. So senkt eine einjährige Einnahme des Wirkstoffs Methotrexat das Infarktrisiko um 18 Prozent, und die Gefahr für einen Schlaganfall sinkt um elf Prozent. Aber auch andere Substanzen wie unter anderem die TNF-alpha-Blocker können das Herz-Kreislaufrisiko vermindern.
Mit einer frühzeitigen Behandlung lassen sich also nicht nur die fortschreitende Zerstörung der Gelenke aufhalten, sondern auch lebensgefährliche Infarkte oder Schlaganfälle verhindern. Patienten mit RA haben ein 30 bis 60 Prozent höheres Risiko für diese Erkrankungen. Die RA schädigt auch das Herz und die Blutgefäße, weil sie oft zu einer Entzündung der Gefäßwände und einer Verkalkung der Gefäße (Arteriosklerose) führt. Bleibende Schäden lassen sich vor allem dann verhindern, wenn die rheumatologische Behandlung innerhalb der ersten drei Monate nach Auftreten der ersten Symptome begonnen wird.
Rauchen geht nicht nur auf die Lunge, sondern auch auf das Immunsystem und die Gelenke: Inhaltsstoffe des Tabaks begünstigen die Bildung von entzündungsfördernden Antikörpern und verschlechtern die Blutversorgung zum Gelenkknorpel. Auf diese Weise verschlechtert Rauchen das Krankheitsgeschehen bei entzündlichem Rheuma. Demzufolge haben Patienten, die rauchen, mehr Schmerzen und brauchen mehr Medikamente. Rauchen mindert generell die Chancen auf einen milden und kontrollierbaren Krankheitsverlauf.
Bei entzündlichem Rheuma bildet das Immunsystem Antikörper, die eine Zerstörung von körpereigenem Knorpelgewebe auslösen und verstärken können. Rauchende Rheumapatienten haben deutlich mehr von diesen sogenannten Autoantikörpern im Blut. Studien aus Schweden zeigen, dass diese Patienten bis zu 30 Prozent höhere CCP-Werte haben. Das sind Antikörper, die sich gegen häufig vorkommende Eiweißbestandteile in der Gelenkflüssigkeit richten.
Rauchen fördert so die Entzündung, zunehmende Schmerzen und Funktionseinschränkungen können folgen. Gleichzeitig verengen sich beim Rauchen die Blutgefäße, sodass die Blutversorgung bereits entzündeter Gelenkareale vermindert wird. Reparaturvorgänge können daher kaum in Gang kommen. Gegensteuern lässt sich dann nur mit mehr oder anderen Medikamenten.
Bei erblicher Vorbelastung wirkt sich Tabakkonsum besonders negativ aus. CCP-Antikörper sind bis zu zehn Jahre vor den ersten Symptomen im Blut nachweisbar. Rauchen erhöht die Menge und kann den Ausbruch einer RA damit begünstigen. Erkrankte Patienten müssen deshalb ausführlich über die negativen Wirkungen des Rauchens aufgeklärt werden.
Betroffene können durch einen Rauchstopp aber nur profitieren, da die Krankheit dann milder verläuft und die Medikamente besser helfen. Außerdem sinkt das Risiko für Begleiterkrankungen an Herz und Niere, das bei rheumatischen Erkrankungen an sich schon deutlich erhöht ist, und durch das Rauchen zusätzlich gesteigert wird.
Zusammengefasst stellen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ihre konventionellen Risikofaktoren ein relevantes klinisches Problem bei Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen dar. Eine rechtzeitige Behandlung, die die chronische Entzündung effektiv unterdrückt, ist für den Behandlungserfolg bei RA essenziell. Auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) liegt ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen vor.
Quelle: Vortrag Professor Dr. med. Jürgen Braun, 1. Vizepräsident der DGRh, Ärztlicher Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet, St. Josefs-Krankenhaus, Herne.
Pressekonferenz anlässlich des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Mittwoch, 15. September 2010