Einfluß von TNF-alpha auf die Spermienqualität
TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha) verlängert die Überlebenszeit von Spermien bei Ratten. Dieser Vorgang wird durch Gabe des TNF-Blockers Infliximab (Remicade) gehemmt.
Eine finnische Arbeitsgruppe der Universität Turku untersuchte die Auswirkung des Tumor-Nekrose- Faktors-alpha (TNF-alpha) auf die Keimzellen von Ratten. Darüber hinaus wurden die Effekte von Infliximab auf das Keimzellgewebe beobachtet. Infliximab gehört zu der Familie der TNF-Blocker, die zur Therapie schwerer Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden.
In der Studie wurden die Samenkanälchen von Ratten in einem Kulturmedium gehalten. In verschiedenen Ansätzen wurde der Kultur unter anderem entweder TNF-alpha oder Infliximab hinzugefügt. Mit speziellen immunhistochemischen Methoden wurde die Anzahl der Apoptosen bestimmt (das sind abgestorbene Zellen, die ihren Untergang sozusagen selbst programmiert haben, man spricht vom programmierten Zelltod).
Es zeigte sich, dass das die Überlebenszeit der Keimzellen in Anwesenheit von das TNF-alpha gefördert wurde. Gab man den TNF-Blocker Infliximab hinzu, so wurde diese überlebensfördernde Wirkung unterbunden (und zwar über eine Blockade von Bcl-xL). Das heißt, dass es unter Infliximab zu einer vermehrten Apoptose-Rate und damit einer erhöhten Rate eines programmierten Zelltodes kam.
Literatur:
Suominen JS, Wang Y, Kaipia A, Toppari J.
Departments of Physiology and Pediatrics, University of Turku, Turku, Finland. Tumor necrosis factor-alpha (TNF-alpha) promotes cell survival during spermatogenesis, and this effect can be blocked by infliximab, a TNF-alpha antagonist.
Eur J Endocrinol. 2004 Nov;151(5):629-40.
Kommentar von Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer:
Unter Apoptose (von gr. apoptosis = Abwurf, Niedergang) versteht man den programmierten Zelltod, der für die Aufrechterhaltung einer regelrechten Körperfunktion und eines gesunden Organismus von essentieller Bedeutung ist. So stellt die Apoptose u.a. sicher, dass eine Zelle den normalen Zellzyklus verlässt und ihren eigenen Untergang einleitet, wenn beispielsweise die DNA beschädigt wurde und damit die Gefahr besteht, dass entweder fehlerhafte Zellfunktionen auftreten oder aber bei der Zellteilung eine verfälschte Erbinformation weitergegeben wird. Bei einigen Autoimmunerkrankungen, insbesondere dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) tritt der programmierte Zelltod verzögert auf, so dass Zellen weiterleben, die eigentlich zum Absterben bestimmt sein sollten. Im Gegensatz zu programmiert sterbenden, apoptotischen Zellen setzen diese langsam absterbenden Zellen giftige („toxische“ von gr. toxon = Gift) Substanzen in ihre Umgebung frei und lösen dadurch ein entzündliches Signal auf Nachbarzellen und körpereigene Fresszellen (Phagozyten) aus. Der verzögerte Abtransport von abgestorbenem Zellmaterial ist vermutlich die Ursache dafür, dass es zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Material und zur Auslösung von Autoimmunität kommt.
Die Bewertung der vorliegenden Studienergebnisse ist schwierig. Insbesondere kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die verringerte Apoptose-Rate unter dem Einfluß von TNF-alpha als günstiger oder ungünstiger Effekt zu bewerten ist. Allerdings spricht einiges dafür, daß das Aufschieben des programmierten Zelltodes mit einer zunehmenden Zahl von Spermien einhergehen könnte, die nicht mehr vollständig intakt sind. Dies wäre eine Erklärung für die aus anderen Untersuchungen, auch beim Menschen, gewonnene Erkenntnis, daß die Spermienqualität von Patienten mit entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen, speziell auch Autoimmunerkrankungen, verschlechtert und die Zeugungsfähigkeit reduziert sein kann. Schon länger wird dafür TNF-alpha verantwortlich gemacht. Weiterhin könnte es unter dem Einfluß von TNF-alpha und der verringerten Apoptose-Rate im Keimzellgewebe auch zur Entwicklung einer gegen die Spermien gerichteten Autoimmunität und damit ebenfalls über einen zweiten Mechanismus zu einem ungünstigen Einfluß auch die Spermienqualität und die Fruchtbarkeit / Zeugungsfähigkeit des Mannes kommen.
Die TNF-alpha-Blockade, wie im vorliegenden Experiment mit dem TNF-alpha-Antikörper Infliximab, hätte damit einen positiven Einfluß auf die Wiederherstellung einer normalen Regulation der Spermiogenese, d.h. der Bildung und insbesondere des programmierten Absterbens alternder Spermien und damit zugleich auf die Verbesserung der Spermienqualität und der männlichen Zeugungsfähigkeit. Ob diese Interpretation richtig ist, muß allerdings weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.