Editorial vom Juli 2002
Der Sommer ist da, und mit ihm ist jetzt auch die Reisezeit angebrochen. Für Rheumapatienten heißt Reisen leider nicht in jedem Fall pures und ungetrübtes Vergnügen, denn nicht selten werden einem im Zusammenhang mit der Reise auf einmal Einschränkungen bewusst, die man im täglichen Alltag so gar nicht wahrgenommen hat oder verdrängt hat.
Rheuma und Reisen
Der Sommer ist da, und mit ihm ist jetzt auch die Reisezeit angebrochen.
Für Rheumapatienten heißt Reisen leider nicht in jedem Fall pures und ungetrübtes Vergnügen, denn nicht selten werden einem im Zusammenhang mit der Reise auf einmal Einschränkungen bewusst, die man im täglichen Alltag so gar nicht wahrgenommen hat oder verdrängt hat. Eine Autofahrt im Dauerstau von Gelsenkirchen nach Kärnten ist schon für einen kerngesunden Menschen nicht der Wunschstart in den Urlaub. Kommt dann aber noch eine chronische Polyarthritis oder eine Kollagenose oder ein Morbus Bechterew dazu, entwickelt sich selbst bei einer medikamentös excellent eingestellten Erkrankung nicht erst bei Gluthitze im Auto bei einer solchen Fahrt schnell eine Situation, bei der ein Weiterfahren wegen Schmerzen, Steifigkeit, Kreislaufproblemen und einem allgemeinen körperlichen Zusammenbruch nicht mehr möglich ist.
Kärnten, Karibik oder Kasachstan - unsere Phantasie ist grenzenlos. Die Grenzen beginnen in dem Augenblick, wo nicht nur unsere Gedanken in die Ferne wollen. Das Träumen von fernen Ländern, fremde Welten und Kulturen kennenzulernen, der Gedanke, der Routine des alltäglichen Lebens und auch des alltäglichen Leidens zu entfliehen, entfaltet wahrscheinlich eine umso stärkere Sehnsucht nach der Freiheit der Ferne, je mehr die rheumatische Erkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen die Nähe des gewohnten Lebensraumes als zunehmende Einengung empfinden lassen. Je schwerer die Erkrankung, je höher die damit verbundenen funktionellen Beeinträchtigungen und Behinderungen, umso größer sind allerdings auch die Hürden, die bei solchen Fernreisen zu überwinden sind. Es beginnt mit der Frage, ob vorgeschriebene Impfungen bei einer Therapie mit Methotrexat und Cortison überhaupt durchgeführt werden können, geht weiter mit dem Problem, wie man einen 12-stündigen Flug in der Touristenklasse übersteht und setzt sich fort mit solchen Fragen, ob man den zwar erwarteten, aber letztendlich doch verdrängten Durchfall überstanden hat, bis die nächste Lantarel-Einnahme ansteht und ob man das Mtx dann überhaupt nehmen sollte oder besser Pause macht und was ist mit dem Cortison und kommt es in der Folge der Mtx-Pause zu einem Schub oder kriege ich den Schub als Folge der Durchfallserkrankung und ...
Und wenn man dank Enbrel in einer kompletten Remission ist und sich daran wagen darf, die Anden zu erklimmen oder den OMORA-Kolibri in Feuerland zu besuchen (wir erinnern uns noch an diesen herrlichen kleinen Vogel?) - dann ist Enbrel nicht lieferbar und wenn, bekomme ich genug zum Mitnehmen für 4 Wochen und wie kriege ich das Zeug heil durch den amerikanischen Zoll, weil ich einen Zwischenstopp in Chicago habe und wie klappt es überhaupt, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird und...
Und nicht zuletzt: Schaffe ich es überhaupt körperlich mit dieser Reise? Was, wenn nicht? Was machen, wenn es zu einem Schub kommt? Ist der Wunsch zu einer solchen Reise nicht vielleicht sogar unverantwortlich? Habe ich als Rheumakranker vielleicht gar nicht das Recht, solche Reisen zu träumen und dann sogar auch noch zu realisieren? Ist diese Reise nicht ein unkalkulierbares und unverantwortliches Risiko? Und wenn ich es gegen den erklärten Rat meines Arztes eingehe - kann ich ihn dann nach der Rückkehr überhaupt aufsuchen, wenn ich ihn am dringendsten brauche?
Viele Fragen und Gedanken, die sich bei diesem Thema stellen. Die Fragen sollten aber gestellt werden, und wir Rheumatologen sollten individuelle Antworten finden, die, so es denn nicht der vollständige Wahnsinn ist, Wünsche Wirklichkeit und Träume Realität werden lassen. Das rheuma-online-Forum hat viele Beispiele, dass auch Abenteuer-Reisen für Rheumakranke nicht zu einem Alptraum werden müssen, und dass es in einer engen Kooperation zwischen Patient und Rheumatologen gelingt, das mit solchen Reisen verbundene Risiko vertretbar klein zu halten.
Ansonsten gibt es zum Thema Reisen und Rheuma in rheuma-online auch sonst eine Menge von Infos, bis hin zur Frage der Impfungen und ob Alaska gefährlicher ist als Andalusien. Speziell dazu verweisen wir auf die ausgewählten Fragen und Antworten im Juli.
Wir wünschen allen eine wunderschöne Urlaubszeit, ob zu Hause, an der Ostsee oder in Australien, und hoffen, dass alle heil zurückkommen.
das rheuma-online-Team