Drei Fragen an den Rheumatologen Jörn Kekow
Berlin, 6. Mai 2014. Weniger Schmerzen, mehr Aktivität: Das Leben von Menschen mit Rheuma hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Darin sind sich Deutschlands Rheumatologen, die in Berlin vom 16. bis 17. Mai tagen, weitgehend einig. Doch einiges kann noch verbessert werden: Vor allem die Zeit, bis Rheumapatienten erstmalig einen Termin bei einem Rheumatologen erhalten, muss verkürzt werden. Über Leben mit Rheuma und Neuigkeiten aus seinem Fachbereich sprach der Rheumatologe und 2. Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen e.V. Professor Dr. med. Jörn Kekow.
Herr Professor Kekow, bei Rheuma denken viele Menschen an eine Erkrankung, die in erster Linie alte Menschen betrifft: Ist das so?
Kekow: „Nein. Rheuma kann in jedem Lebensalter auftreten, sogar bei Kindern. An Rheumatoider Arthritis, der häufigsten Rheumaform unter den chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen, erkranken viele Menschen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr, also in einer Zeit, in der sie in der Regel noch voll im Erwerbsleben stehen. Die Rheumatoide Arthritis ist eine schwerwiegende, chronisch verlaufende Erkrankung. Die Patienten leiden unter geschwollenen, entzündeten Gelenken, deren Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Selbst einfache Handgriffe können zur Qual werden. Im Verlauf der Erkrankung werden die Gelenke zerstört. Manche Menschen sind nicht mehr in der Lage, ihren Beruf weiter auszuüben. Die starken Schmerzen führen überdies zu Schlafstörungen, manche leiden auch an Depressionen. Es ist wichtig, dass Menschen mit Rheumatoider Arthritis, oder bei denen ein Verdacht dafür besteht, einen Rheumatologen aufsuchen, bevor bleibende Schäden entstehen. Ein Rheumatologe stellt die definitive Diagnose und leitet eine entsprechende Behandlung ein.“
Es kann schwierig sein, schnell einen Termin bei einem Facharzt zu erhalten. Wie sieht das bei Rheumatologen aus?
Kekow: „In Deutschland gibt es noch zu wenige Rheumatologen. Das zeigt sich an den Wartezeiten auf einen Termin. Rund die Hälfte der Patienten mit Rheumatoider Arthritis muss fünf bis zwölf Wochen auf einen ersten Termin bei einem Rheumatologen warten, bei jedem fünften Patienten dauert es sogar noch länger. Das muss sich dringend ändern. Der Berufsverband hat eine klare Stellungnahme dazu und etablierte ein Förderprogramm zur Weiterbildung Rheumatologie innerhalb des Fachgebietes Innere Medizin analog dem bundesweiten Förderprogramm Allgemeinmedizin. Immerhin: Menschen, die Symptome einer Rheumatoiden Arthritis aufweisen, werden heute in der Regel sehr viel früher entdeckt als noch vor einigen Jahren. Für uns Rheumatologen ist es wichtig, Patienten mit Rheumatoider Arthritis möglichst früh zu sehen, um die Krankheit aufzuhalten oder zumStillstand zu bringen – heilen können wir sie bislang nicht.“
Wie würden Sie die heutige Situation von Rheuma-Patienten beschreiben?
Kekow: „Wir haben in den vergangenen Jahren bessere Möglichkeiten entwickelt, um eine Rheumatoide Arthritis früher zu erkennen und auch die zielgerichtete Behandlung mit modernen Medikamenten hat entscheidend dazu beigetragen, dass Menschen mit Rheuma heute ein viel besseres Leben führen können. Sie können weiter arbeiten und ihren Hobbies nachgehen. Das zeigen meine eigenen Praxiserfahrungen und es ist durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt. Leider gibt es aber immer noch Menschen mit Rheuma, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht so behandelt werden, wie es der Schweregrad ihrer Erkrankung eigentlich verlangt, und die dadurch auch in ihrem Leben eingeschränkt sind und bleiben. Es bleibt also noch viel zu tun.“
Hintergrundfakten
Nach den Erkenntnissen einer Studie aus den Niederlanden war noch vor 20 Jahren die Hälfte aller Patienten vier Jahre nach der erstmaligen Diagnose einer Rheumatoiden Arthritis stark beeinträchtigt. Heute trifft das nur noch auf etwa 25 Prozent zu. Die Anzahl von depressiven Verstimmungen und Angstzuständen bei den Rheuma-Kranken sank um die Hälfte. [1]
Der positive Trend wurde in einer schwedischen Untersuchung, in der Patienten mit Rheumatoider Arthritis in den Jahren 1997, 2002, 2005 und 2009 befragt wurden, bestätigt. Die Befragten gaben an, dass Schmerzen und Krankheitsaktivität über die Zeit deutlich abnahmen. [2]
Daten aus Deutschland zeigen, dass langfristig mehr Menschen mit Rheumatoider Arthritis im Arbeitsleben stehen. 1994 lag der Anteil der erwerbstätigen Frauen bei 37 und der der Männer bei 47 Prozent. Bis 2011 waren diese Zahlen auf 50 und 58 Prozent angestiegen. Die Patienten müssen überdies seltener ins Krankenhaus eingewiesen werden, und auch die Dauer der Krankenhausaufenthalte ist gesunken. Die Häufigkeit der Krankenhausaufenthalte von Menschen mit Rheumatoider Arthritis sank von 27 Prozent im Jahr 1994 auf 12 Prozent im Jahr 2011. [3]
Literatur:
1 Overman CL et al. Arthritis Care Res. 2014, 66(5):671-678
2 Hekmat K. et al. BMC Musculoskeletal Disorders 2014, 15:44
3 Daten der Kerndokumentation 2011, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin