Die r-o-Sonntagsgeschichte: Arthritis-Kinder auf dem Bauernhof
Trotz entzündeter Gelenke kräftig zupacken - das war die große Herausforderung und zugleich ein völlig neues Erlebnis für 27 rheumakranke Kinder, die für eine Woche den Alltag als kleiner Landwirt erfahren durften. Möglich gemacht hat dies eine Initiative von kinderrheumatologischen Kliniken, dem Verein zur Förderung und Unterstützung rheumatologisch erkrankter Kinder, Jugendlicher und deren Eltern e.V. sowie die Hamburger Elterninitiative rheumakranker Kinder e.V..
Sendenhorst/Hamburg, 7. August 2008 - Einen im wahrsten Sinne des Wortes bewegten und unbeschwerten Alltag zu erleben – das ist für viele Kinder mit rheumatischen Erkrankungen meist eine unüberwindbare Herausforderung
Schon von klein auf haben die jungen Rheumapatienten lernen müssen, dass sie „anders“ als ihre Mitschüler sind und aufgrund ihrer chronischen Erkrankung nicht immer mithalten können. Und wenn es wieder einmal ganz schlimm kommt, steht anstelle eines langersehnten Freibadbesuchs mit Freunden ein ungeliebter und trister Klinikaufenthalt auf dem Programm.
Für 27 rheumakranke Kinder aus ganz Deutschland ging daher für eine Woche lang ein großer Wunsch in Erfüllung, als sie gemeinsam mit gleichaltrigen Betroffenen zu einem Urlaub der ganz besonderen Art aufbrechen durften: Urlaub vom Krankheitsalltag. Und so verbrachten die jungen Patienten aus insgesamt 11 deutschen Rheumazentren eine Woche voller Abenteuer und neuer Erfahrungen auf dem Schulbauernhof Hutzelberg bei Bad Sooden-Allendorf in Nordhessen.
Auf dem Hutzelberghof stand für die 8- bis 13-jährigen Teilnehmer vor allem Eines im Mittelpunkt: Aktiv am landwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen, selbst mit anpacken und dabei die Krankheit einfach mal vergessen. Ganz neue Erfahrungen zu sammeln war das Spannende an jedem der Ferientage. Denn welches Kind hat heute schon die Möglichkeit, Käse herzustellen, eine Kuh zu melken oder gar zu imkern? Dies und mehr konnten die jungen Patienten hautnah miterleben und so lernten sie zudem, wie man aus selbst geerntetem Gemüse gesunde Mahlzeiten zubereitet oder eigenhändig Brot backt. Und auch wenn die Kinder jeden Morgen mit den Hühnern aufgestanden sind, am Nachmittag blieb noch genügend Elan zum Toben oder für die Krankengymnastik.
Auf dem Schulbauernhof kennt man sich inzwischen bestens aus, denn die Ferienfreizeit für rheumakranke Kinder geht in diesem Jahr bereits in die dritte Runde. Die große Resonanz und der rege Zuspruch aller Beteiligten in den letzten Jahren zeigt, wie wichtig solche Aktionen für die Kinder sind. „Wir waren ganz beeindruckt, wie sehr die Kinder trotz ihrer Erkrankung bei allen Dingen anpacken konnten und mit welcher Freude sie bei der Sache waren“, freut sich Familie Schenke, Inhaber und Betreiber des Schulbauernhofs Hutzelberg.
„Dass sie dabei ihre Zeit mit gleichaltrigen Betroffenen verbringen können, ist für die Kinder eine wertvolle Erfahrung, denn so merken sie, dass sie mit ihrer chronischen Erkrankung nicht alleine sind“, unterstreicht auch Dr. Gerd Ganser, Chefarzt der kinder- und jugendrheumatologischen Abteilung des St. Josef-Stiftes in Sendenhorst, die Bedeutung der Ferienfreizeit. „Kinder mit rheumatischen Erkrankungen erfahren in ihrem täglichen Leben oftmals nicht die Unterstützung, die sie benötigen. Dies liegt vor allem auch daran, dass viele Menschen gar nicht wissen, dass auch schon Kinder von dieser Krankheit betroffen sein können“, stellt der Kinderrheumatologe fest.
Die aus dem Großraum Hamburg, Bad Bramstedt, Sendenhorst, Berlin, Leipzig, Nürnberg, Tübingen, Stuttgart, Garmisch-Partenkirchen und St. Augustin stammenden Kinder wurden in Zusammenarbeit mit den dort ansässigen kinderrheumatologischen Kliniken und Elterninitiativen für die Teilnahme an dem Projekt vorgeschlagen.
Was ist juvenile idiopathische Arthritis?
Unter dem Begriff „Rheuma“ verbergen sich über 400 verschiedene Erkrankungen, die den gesamten Bewegungsapparat, d.h. Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder betreffen können.
Die landläufig als „Kinderrheuma“ bezeichnete juvenile idiopathische Arthritis (JIA), auch juvenile rheumatoide Arthritis (JRA) genannt, ist eine bisher nicht heilbare Autoimmunerkrankung, die vor allem die Gelenke befällt, aber bei hoher Entzündungsaktivität auch Organe wie Herz, Auge, Nieren und Leber schädigen kann.
Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) beginnt vor dem 16. Lebensjahr und verläuft oft chronisch (über Wochen und Monate). Bundesweit leiden etwa 20.000 Kinder an chronisch entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.
Hierbei handelt es sich in erster Linie um Gelenkentzündungen unklarer Ursache. Pro Jahr erkrankt etwa eines von 1.000 Kindern neu an einer akuten Gelenkentzündung.
Oftmals beginnen rheumatische Erkrankungen bei Kindern mit einer Schwellung am Knie oder anderen Gelenken, Schmerzen an den Gelenken und/oder Fieber.
Des Weiteren können eine anhaltende Morgensteifigkeit und Überwärmung der Gelenke, die Einnahme von Schonhaltungen sowie eine Augenentzündung Hinweise auf eine JIA liefern.
Wichtig ist, die Krankheit früh zu erkennen und effektiv zu behandeln, um Gelenkschäden vorzubeugen und weiterhin ein möglichst unbeeinträchtigtes Leben führen zu können.
Die medizinisch-therapeutische Behandlung ist in kinderrheumatologischen Behandlungszentren untrennbar verbunden mit psychosozialer Betreuung der Familien und Eingliederungshilfe in Schule und Beruf, um eine Chancengleichheit zu gewährleisten. Die oft gute Prognose bei konsequenter frühzeitiger Behandlung ermöglicht eine weitgehende Integration.
Quelle
Pressemitteilung des Vereins zur Förderung und Unterstützung rheumatologisch erkrankter Kinder, Jugendlicher und deren Eltern e.V. sowie der Hamburger Elterninitiative rheumakranker Kinder e.V.
Weitere Informationen:
Bundesverband zur Förderung und Unterstützung rheumatologisch erkrankter Kinder, Jugendlicher und deren Familien e. V.
Kathrin Wersing
Westtor 7
48324 Sendenhorst
Tel.: 02526 – 300-1175
E-Mail: wersing(at)st-josef-stift.de
Hamburger Elterninitiative rheumakranker Kinder e. V.
Karin Heins
Norderstr. 75
25436 Tornesch
Tel.: 0173 – 248 99 66
E-Mail: info(at)kinderrheuma.de