Die American College of Rheumatology (ACR) Leitlinien zum Management der Gicht von 2012
In zwei Publikationen präsentiert ein multinationales Expertengremium die ersten Evidenz- und Konsens-basierten pharmakologischen und nicht-medikamentösen Empfehlungen zum Management der Gicht auf internationalem Niveau. Diese Leitlinien sind gedacht für Rheumatologen und andere Dienstleister im Gesundheitswesen, incl. anderer Facharztgruppen, Hausärzten, Pflegepersonal, Fachassistenten und verwandten Fachkräften. Die Leitlinien und Empfehlungen des American College of Rheumatology (ACR) sollen in der Praxis Anleitungen vermitteln und nicht die Versorgung des einzelnen Patienten vorgeben. Die ACR erachtet das Einhalten dieser Leitlinien und Empfehlungen als freiwillig, wobei der Arzt im Einzelfall entscheidet, ob er sich an die Leitlinien hält oder nicht.
Die Gicht kann sich mit einem Spektrum klinischer und pathologischer Symptome manifestieren, das auf einer übermäßigen Belastung des Organismus mit Harnsäure beruht. Die dabei auftretende Hyperurikämie wird definiert als Harnsäurespiegel von mehr als 6,0 mg/dl bei Männern und 7,0 mg/dl bei Frauen [2].
Die Ablagerung von Natriumurat-Monohydratkristallen im Gewebe der Gelenke und anderen Lokalisationen vermitteln die häufigsten Symptome der Gicht. Typischerweise präsentiert sich die Erkrankung zunächst als akute, in Episoden verlaufende Arthritis. Tophi, die hauptsächlich artikulär, periartikulär, an den Bursen, Knochen und Ohren und im Bindegewebe auftreten, sind krankheitstypisch für die Gicht und können durch körperliche Untersuchung und/oder durch bildgebende Verfahren nachgewiesen werden [3].
Die Gicht ist eine der häufigsten rheumatischen Erkrankungen bei Männern und älteren Frauen. [4]. Im Zeitraum von 2000 bis 2005 betrug die Prävalenz der Gicht in Deutschland und Großbritannien jeweils 1,4 % [5].
Die Empfehlungen der European League against Rheumatism (EULAR) [6] sind im Jahr 2006 ausgesprochen worden. Aktueller sind die Leitlinien des American College of Rheumatology (ACR) aus dem Jahr 2012. In Teil 1 [3] wird die systematische, nicht-pharmakologische und pharmakologische Therapie einer Hyperurikämie beschrieben. Teil 2 beinhaltet die Therapie und Prophylaxe der akuten Gichtarthritis [7].
In Teil 1 werden die wichtigsten Punkte unter „Significance & Innovations“ aufgeführt:
1) Die Patientenschulung zu diätetischen Maßnahmen, Lebensführung,
Behandlungszielen und das Management von Begleiterkrankungen werden
als therapeutische Kernmaßnahmen empfohlen
2) Die medikamentöse Therapie mit Xanthinoxidase-Inhibitoren wie Allupurinol
oder Febuxostat wird als Firstline pharmakologische Harnsäure-senkende
Therapie bei Gicht empfohlen.
3) Die Serum-Harnsäure sollte so ausreichend gesenkt werden, dass
Anzeichen und Symptome der Gicht dauerhaft verbessert werden mit dem
Ziel von <6mg/dl und häufig auch <5mg/dl.
4) Die Startdosis von Allupurinol sollte nicht größer als 100 mg sein und
niedriger als bei moderaten bis schweren chronischen Nierenerkrankungen
gefolgt von einer schrittweisen Erhöhung auf die Erhaltensdosis, die 300 mg
überschreiten kann – auch bei Patienten mit chronischen
Nierenerkrankungen.
5) Vor dem Therapiebeginn mit Allupurinol sollte erwogen werden, ob ein
Screening auf HLA-B*5801 mittels Polymerasekettenreaktion als Teil des
Risikomanagements in den Subpopulationen durchgeführt wird, in denen
sowohl vermehrt HLA-B*5801 Allele vorhanden sind als auch die HLA-
B*5801 positiven Personen ein stark erhöhtes Hazard Ratio (relatives
Risiko) haben, eine schwere Allupurinolhypersensitivität zu entwickeln (z. B.
Koreaner mit einer chronischen Nierenerkrankung im Stadium 3 oder
schlechter und alle Personen Han Chinesischer oder Thailändischer
Herkunft).
6) Die Kombination oraler harnsäuresenkende Medikamente mit
Xanthinoxidase-Inhibitoren ist angebracht, wenn das Serum-Harnsäure Ziel
mit einer angemessenen Dosierung eines Xanthinoxidase-Inhibitoren nicht
erreicht wird.
7) Die Pegloticase ist bei Patienten mit schwerer Gichterkrankung angezeigt
und wenn Patienten nicht auf harnsäuresenkende Medikamente ansprechen
oder diese in geeigneter oraler Dosierung nicht vertragen.
Siehe auch Therapiealgorithmus in 3, S. 1437
Im zweiten Teil: Leitlinien für die die Therapie und Prophylaxe der akuten Gichtarthritis [7] sind unter „Significance & Innovations“ folgende Punkte zusammengestellt:
1) Ein akuter Gichtanfall sollte innerhalb von 24 Stunden nach Auftreten
medikamentös behandelt werden.
2) Die bestehende harnsäuresenkende medikamentöse Therapie sollte
während des Gichtanfalls ohne Unterbrechung weitergeführt werden.
3) Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Corticoide, orales Colchicin sind
die geeigneten Firstline Optionen zur Behandlung der akuten Gicht. Einige
Kombinationen können bei schweren oder therapierefraktären Anfällen
eingesetzt werden.
4) Eine pharmakologische antiinflammatorische Prophylaxe wird für alle
Patienten, bei denen eine medikamentöse Harnsäuresenkung durchgeführt
wird, empfohlen und sollte fortgeführt werden solange weiterhin eine aktive
Gicht besteht und/oder das Serum Harnsäureziel noch nicht erreicht ist.
5) Orales Colchicin ist die geeignete Firstline-Anfallprophylaxe, wenn die
Dosierung bei chronischen Nierenerkrankungen richtig eingestellt ist und
Medikamenteninteraktionen berücksichtigt werden. Das gilt nicht, wenn
Colchicin nicht vertragen wird oder eine medizinische Kontraindikation
besteht.
6) Niedrig dosierte NSAR sind die geeignete Wahl für die Anfallprophyylaxe, es
sei denn sie werden nicht vertragen oder es besteht eine medizinische
Kontraindikation
Literatur
1) Brook R. The RAND/UCLA Appropriateness Method. In: McCormick KA, Moore
SR, Siegel RA, editors. Methodology perspectives: AHCPR no. 95-0009.
Rockville (MD): Public Health Service; 1994. p. 59–70.
2) L. Thomas (Hrsg.): Labor und Diagnose. 7. Auflage. TH-Books-Verl.-Ges.,
Frankfurt/Main 2008
3) DINESH KHANNA et al.: 2012 American College of Rheumatology Guidelines
for Management of Gout. Part 1: Systematic Nonpharmacologic and
Pharmacologic Therapeutic Approaches to Hyperuricemia
Arthritis Care & Research, Vol. 64, No. 10, October 2012, pp 1431–1446
DOI 10.1002/acr.21772, © 2012, American College of Rheumatology
PDF
4) Doherty M, Rheumatology 2009, 48:ii2–ii8
5) Annemans L et al., Ann Rheum Dis 2008, 67:960–966, PDF
6) W Zhang et al.: EULAR evidence based recommendations for gout. Part II:
Management. Report of a task force of the EULAR Standing Committee For
International Clinical Studies Including Therapeutics (ESCISIT)
Ann Rheum Dis 2006;65:1312-1324 doi:10.1136/ard.2006.055269
Abstract
7) DINESH KHANNAet al.: 2012 American College of Rheumatology Guidelines
for Management of Gout. Part 2: Therapy and Antiinflammatory Prophylaxis
of Acute Gouty Arthritis. Arthritis Care & Research, Vol. 64, No. 10, October
2012, pp 1447–1461 DOI 10.1002/acr.21773, © 2012, American College of
Rheumatology
PDF