DGRh-Kongress 2017: JAK-Inhibition bei Rheumatoider Arthritis
Tofacitinib eignet sich für die Kombinations- und Monotherapie: Langfristige Wirksamkeit und Verträglichkeit
Ärzten steht mit der Einführung von Tofacitinib (Xeljanz®) bei der Behandlung der mittelschweren bis schweren Rheumatoiden Arthritis (RA) eine erweiterte Therapieoption zur Verfügung: Seit Mai 2017 können auch Patienten in Deutschland von dem oralen JAK-Inhibitor Tofacitinib profitieren. Da Tofacitinib seit 2012 in den USA und weiteren Ländern zugelassen ist, liegen bereits umfangreiche Daten zur langfristigen Sicherheit und zur klinischen Wirksamkeit des JAK-Inhibitors vor. In Kombination mit Methotrexat (MTX) führt Tofacitinib zu ähnlichen Ansprechraten wie der TNF-Inhibitor Adalimumab plus MTX1 , zeigt aber auch in der Monotherapie eine gute Wirksamkeit wie Experten anlässlich eines Symposiums* beim DGRh betonten. Tofacitinib wird in einer Dosierung von zweimal täglich 5 mg in Kombination mit MTX bei Patienten eingesetzt, die auf ein oder mehrere krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimittel (DMARDs) unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Bei MTX-Unverträglichkeit oder wenn eine Behandlung mit MTX ungeeignet ist, kann Tofacitinib auch als Monotherapie verordnet werden.2
Die Möglichkeit des flexiblen Einsatzes von Tofacitinib ist nach Ansicht von Prof. Dr. med. Torsten Witte, Hannover, ein Vorteil: „Nicht wenige Patienten haben Probleme mit der Verträglichkeit von MTX. Daher ist es wichtig, dass wir eine Substanz wie Tofacitinib haben, die sowohl in der Kombinationstherapie mit MTX als auch in der Monotherapie wirksam ist“, so der Experte. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Tofacitinib wurde im mit sechs Phase-3 Studien umfassenden Programm ORAL (ORAL Rheumatoid Arthritis Phase 3 TriaLs) sowohl in der Monotherapie (ORAL Solo) als auch in der Kombinationstherapie mit MTX (ORAL Scan, ORAL Standard, ORAL Step) oder anderen DMARDs (ORAL Sync) gezeigt.3-8 In allen Phase 3-Studien besserte sich die körperliche Funktion (primärer Endpunkt, gemäß HAQ-DI = Health assessment questionnaire disability index) im Vergleich zum Ausgangswert. Patienten, die zuvor auf DMARDs unzureichend angesprochen hatten, erreichten sowohl unter der Tofacitinib-Monotherapie (ORAL Solo) als auch in der Kombinationstherapie (ORAL Sync) ein schnelles klinisches Ansprechen hinsichtlich HAQ-DI und Schmerz (gemäß VAS = visual analog scale) innerhalb von zwei Wochen.9 Witte hob auch die Ergebnisse aus den Langzeitbeobachtungs(LTE)-Studien hervor: Zwei offene LTE-Studien mit 4.967 Patienten erfassten für Tofacitinib als Monotherapie oder in Kombination mit MTX die Sicherheit und Verträglichkeit bis zu 105 Monaten und das klinische Ansprechen bis zu 90 Monaten.10 Die mittlere (maximale) Therapiedauer betrug 1.215 (3.182) Tage, was 16.711 Patientenjahren entspricht. In einer gepoolten Analyse aller Tofacitinib-Behandlungsarme der LTE-Studien konnte das Ansprechen im ACR20, ACR50 und ACR70 bei den behandeltenPatienten vom Monat 1 (73,0%, 49,2% und 28,9%) bis Monat 90 (83,0%, 56,1% und 32,7%) aufrechterhalten werden. Das Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil von Tofacitinib als initialer Monotherapie entsprach der initialen Kombinationstherapie.10
ORAL Strategy: Tofacitinib im direkten Vergleich mit TNF-Inhibitor
Dass Tofacitinib auch einem Vergleich mit einem TNF-Inhibitor standhält, zeigte bereits ORAL Standard, wie Witte erläuterte. Die Studie untersuchte die Kombination Tofacitinib + MTX und in einem aktiven Kontrollarm Adalimumab + MTX. Nach sechs Monaten erreichten 51,5% der Patienten unter Tofacitinib/MTX, 47,2% unter Adalimumab/MTX sowie 28,3% unter Placebo (jeweils p<0,001 vs. Placebo) ein ACR20-Ansprechen.6 In der Phase IIIb/IV-Studie ORAL Strategy wurde Tofacitinib (2x5 mg täglich) direkt mit Adalimumab (40 mg s.c. alle 2 Wochen) verglichen.1 Die 1.146 Patienten umfassende Studie war auf Nicht-Unterlegenheit ausgelegt. Den primären Endpunkt eines Ansprechens im ACR50 nach sechs Monaten erreichten 38% der Patienten unter der Tofacitinib-Monotherapie, 46% unter Tofacitinib + MTX und 44% unter Adalimumab + MTX. Statistisch konnte die Nicht-Unterlegenheit von Tofacitinib + MTX gegenüber Adalimumab + MTX nachgewiesen werden (p<0,0001, 13% Nicht-Unterlegenheit-Grenze, 98,34% Konfidenzintervall). Für die Tofacitinib-Monotherapie konnte keine Nicht-Unterlegenheit gegenüber den beiden Kombinationen gezeigt werden. Ebenso wenig war die Monotherapie aber auch nachweislich unterlegen. Witte fasste die Ergebnisse zusammen: „Die klinische Wirksamkeit von Tofacitinib in Kombination mit MTX in ORAL Strategy ist mit der Standardtherapie Adalimumab plus MTX vergleichbar und sie entspricht der in den Phase 3-Studien gezeigten Ergebnissen. Das unterstreicht, dass Tofacitinib sowohl in der Kombination mit MTX als auch in der Monotherapie, wenn eine MTX-Therapie nicht möglich ist, eine wichtige Therapieoption für Patienten mit RA ist.“ Die Verträglichkeit in ORAL Strategy stimmte mit dem bekannten Sicherheitsprofil von Tofacitinib überein.
Tofacitinib: neu und gleichzeitig bewährt
Die langfristige Sicherheit von Tofacitinib stellte Prof. Dr. med. Jürgen Wollenhaupt, Hamburg, anhand von Daten einer integrierten Analyse vor, die bei insgesamt 6.194 Patienten für einen Zeitraum von bis zu 8,5 Jahren erhoben worden waren.11 „Unerwünschte Wirkungen nahmen nach längerer Behandlung mit Tofacitinib nicht zu und es traten keine neuen Sicherheitssignale auf. Wir können anhand solcher Daten präzisere Aussagen zur Sicherheit der Substanz treffen. Es ist ein Vorteil, dass wir für Tofacitinib sehr viele Daten zur Verfügung haben, sodass man von einer bewährten Substanz sprechen kann, auch wenn sie erst relativ neu in Deutschland verfügbar ist“, betonte Wollenhaupt. Die Inzidenzrate für schwere Infektionen betrug 2,7 pro 100 Patientenjahre und stieg bei längerer Behandlung mit Tofacitinib nicht an. Die häufigsten schweren Infektionen waren Pneumonie, Herpes zoster, Harnwegsinfektionen und Zellulitis. Auch zeigten sich regionale Unterschiede, z. B. trat Herpes zoster in Asien, vor allem Japan und Korea, mit einer höheren Inzidenzrate auf.11 Wie Wollenhaupt erläuterte, kann es unter JAK-Inhibitoren in den ersten Monaten der Behandlung zu erhöhten Lipidspiegeln kommen. „Die Spiegel bleiben dann aber stabil. Ein Anstieg kardiovaskulärer Ereignisse wurde nicht beobachtet. Ebenso gab es keine Hinweise auf eine erhöhte Zahl von Malignomen unter der Tofacitinib-Therapie. Damit lässt sich
insgesamt festhalten, dass Tofacitinib über ein vergleichbares Nutzen-Risiko-Profil verfügt wie eine Biologika-Therapie“, so Wollenhaupt.
Fortschritt durch JAK-Inhibition
Prof. Dr. med. Hendrik Schulze-Koops, München, beurteilte die neue, zielgerichtete JAK-Inhibition als wichtige orale Therapieoption bei RA. „Anders als in der Rheumatologie eingesetzte Biologika blockieren JAK-Inhibitoren nicht die extrazelluläre Kommunikation, sondern unterbrechen intrazelluläre Signalwege. Im Gegensatz zu Biologika bieten JAK-Inhibitoren damit die Möglichkeit, verschiedene Erkrankungsmechanismen bei der RA gemeinsam zu hemmen“, so Schulze-Koops. Ferner hob der Experte die schnelle Aufnahme und die schnelle Wirkung von Tofacitinib hervor: Eine Resorption wird innerhalb von maximal einer Stunde erreicht, mit einer Halbwertszeit von ca. 3 Stunden wird der Wirkstoff rasch eliminiert. Die Ausscheidung erfolgt zu 30% über die Nieren und zu 70% über eine hepatische Metabolisierung.2 Daher kann es zu Arzneimittelinteraktionen kommen, jedoch nicht mit MTX und anderen für die RA-Therapie eingesetzten Medikamenten. Bei Patienten mit milder bis mittelschwerer Nierenfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich.2 „Von Vorteil ist auch die stabile Tofacitinib-Dosierung unabhängig von Patientenfaktoren wie Alter, Gewicht und Mahlzeiten. Letztendlich kommt auch die Darreichungsform als Tablette den Bedürfnissen vieler Patienten entgegen“, schloss Schulze-Koops.
Quellen:
1. Fleischmann R et al. The Lancet, published online 16. Juni 2017.
2. Fachinformation Xeljanz®, Stand März 2017
3. Fleischmann R et al. N Engl J Med 2012;367:495–507.
4. Kremer J et al. Ann Intern Med 2013;159:253–261.
5. van der Heijde D et al. Arth Rheum 2013;65(3):559–570.
6. van Vollenhoven R et al. N Engl J Med 2012;367:508–519.
7. Burmester G et al. Lancet 2013;381:451–460.
8. Lee E et al. Arth Rheum 2012:64(10Suppl):S1049;Abstract #2486.
9. Aletaha D et al. EULAR 2017, Poster THU0186.
10. Wollenhaupt J et al. EULAR 2017, Poster THU0197.
11. Cohen SB et al. et al. Ann Rheum Dis 2017;0:1–10. doi:10.1136/annrheumdis-2016-210457
* Lunchsymposium „Tofacitinib – Eine neue und bewährte Therapieoption in der rheumatoiden Arthritis“, 7. September 2017, auf dem 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in Stuttgart