Der 118. Internistenkongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden: Hauptthemen und Höhepunkte
Nach unseren heutigen Erkenntnissen ist die Pathogenese der meisten Erkrankungen in der Inneren Medizin das Ergebnis des „Zusammenspiels“ zwischen genetischer Disposition und Umweltfaktoren. Jeder von uns besitzt ererbt genetische Konstellationen, die vor einer Erkrankung schützen und Gene, die das Erkrankungsrisiko erhöhen.
Zu den Umweltfaktoren zählen Lebensstil, wie Ernährungsgewohnheiten, Über- oder Untergewicht, Rauchen, Alkohol, körperliche Bewegung, Einfluss von Industrie- und Autoabgasen, Ausmaß der Sonnenstrahleneinwirkung und vieles mehr. Zu den Umweltfaktoren zählen auch alle Erreger von Infektionserkrankungen und bei allergischer Disposition die Art und das Ausmaß des Kontaktes mit Allergenen.
Betrachten wir die „klassischen“ autosomal dominant oder rezessiv vererbten Erkrankungen, denen die Mendel’schen Gesetze zugrunde liegen, gibt es in dieser Gruppe auch Erkrankungen, die trotz Vorliegens des Gendefekts nicht immer zur Erkrankung führen; die Genotyp-Phänotyp-Korrelation nicht 100 Prozent beträgt.
Es darf davon ausgegangen werden, dass diese klinisch gesunden Träger des Gendefekts schützende Gene haben, die das Auftreten der Erkrankung verhindern. Zahlreiche Studien der letzten Jahre, sogenannte genomweite Assoziationsstudien (GWAS), haben genetische Konstellationen entdeckt, sogenannte „SNPs“ (single nucleotide polymorphism), die das Risiko der Entstehung der Erkrankung erhöhen oder mindern. Die meisten Personen mit diesen entsprechenden „SNPs“ bleiben gesund.
Es ist zu hoffen, dass wir mit diesen GWAS bis hin zur Sequenzierung des gesamten Genoms die Pathogenese mancher Erkrankung besser verstehen lernen, mit der Hoffnung auch eine effizientere Therapie zu finden.
Es ist aber eine Illusion, zu glauben, dass die Kenntnis des Genoms eines Individuums der einzige Schlüssel zum Verständnis einer Erkrankung wäre. Noch viel komplexer sind die während des Lebens, zum Beispiel durch Umwelteinflüsse, erworbenen epigenetischen Veränderungen, die Einfluss auf eine Vielzahl zellbiologischer, biochemischer Prozesse nehmen.
Zu einem detaillierten Verständnis dieser epigenetischen Veränderungen bezüglich der Pathogenese ist noch ein langer Weg zurückzulegen. Epigenetische Veränderungen werden zum Teil auch vererbt. Der Lebensstil der Eltern hat somit Einfluss auf die Nachkommen.
Wie wir als Ärzte mit dieser „Flut“ an neuen Informationen bezüglich unserer Diagnostik und Therapie umgehen sollen, ist noch gar nicht absehbar. Allein der Umgang mit der ethischen und psychosozialen Problematik der Kenntnis genetischer Risikofaktoren ist eine Herausforderung. Wir stehen im wahrsten Sinne des Wortes erst am Anfang.
In dieses Rahmenthema des Kongresses reihen sich auch die Schwerpunkte, die von Plenarvorträgen ausgewiesener Experten begleitet werden: Adipositas, Geriatrie, Herzinsuffizienz, kolorektales Karzinom.
Quelle:
Vortrag Professor Dr. med. habil. Joachim Mössner, 1. Vorsitzender der DGIM 2011/2012, Kongresspräsident des 118. Internistenkongresses, Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig AöR, Abteilung für Innere Medizin und Dermatologie, Leipzig
Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
Donnerstag, 12. April 2012