Behandlungsstrategie bei rheumatoider Arthritis
Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Leiden in den Niederlanden sollte klären, ob der frühe Einsatz von Basismedikamenten (DMARDs) nicht nur zu einer Reduktion der klinischen Aktivität der RA, sondern als Langzeiteffekt auch zu einem insgesamt milderen Krankheitsverlauf führt. Außerdem sollte festgestellt werden, ob eine Beziehung zwischen HLA-System-Charakteristika (HLA = Humanes Leukozyten Antigen; spielt eine Rolle im Immunsystem) und Gelenkschäden besteht.
Das Fortschreiten der radiologisch gemessenen Gelenkschäden wurde in zwei Patientengruppen verglichen. Eine Gruppe wurde initial zunächst nur mit Analgetika behandelt (reine Schmerzmittel), nach etwa 5 Monaten Krankheitsdauer dann auch mit Basismedikamenten. Die andere Gruppe bekam von Beginn an DMARDs (hier Chloroquin oder Sulfasalazin). Die Gelenkveränderungen wurden nach der modifizierten Sharp-van der Heijde-Methode gemessen (die grundsätzlich auf dem Ansatz beruht, Erosionen und Gelenkspaltveränderungen zu zählen und objektiv zu vermessen).
Die genetische Prädisposition wurde bestimmt durch hochauflösende HLA-DR- und HLA-DQ-Typisierung. Mit dieser speziellen Typisierung soll eine möglichst genaue Charakteristik der HLA-Antigene ermittelt werden (jeder Mensch besitzt mindestens 6 verschiedene: HLA-A, HLA-B, HLA-C, HLA-DR, HLA-DQ und HLA-DP).
Die Gene, die für die Bildung der HLA-Antigene verantwortlich sind, haben verschiedene Formen, Allele genannt. Die HLA-Antigene unterscheiden sich also von Mensch zu Mensch in kleinen Merkmalen, bei grundsätzlich gleicher Funktion. Bisher sind mehr als 1.300 verschiedene HLA-Allele bekannt. Bestimmte Bereiche in der Gensequenz einiger HLA-Allele scheinen mit einem eher schweren Verlauf der RA in Verbindung zu stehen.
Von ursprünglich 206 Patienten beendeten 153 die Studie und wurden zur Beurteilung herangezogen. Die 75 Patienten, bei denen früh mit der DMARD-Therapie begonnen wurde, zeigten insgesamt geringere radiologisch messbare Progression als die 78 Patienten unter initialer Analgetika-Therapie (mittlere Sharp-Progressionsrate 1,3 bzw. 2,5 Punkte/Jahr).
Im ersten Jahr der Behandlung war der Unterschied allerdings deutlich höher (1,0 bzw. 5.0 Punkte im ersten Jahr; 1,0 bzw. 4,1 Punkte im zweiten Jahr). Der Therapieeffekt des früheren Behandlungsbeginns gleicht sich also bei fortdauernder Erkrankung offenbar immer mehr an.
Für beide Behandlungsgruppen gilt, dass die RA in der ersten Zeit nach der Diagnose höhere Progressionsraten aufweist als in den weiteren Jahren.
Das Ergebnis zeigt, dass auch nach vier Jahren der vorteilhafte Effekt der früh einsetzenden Therapie mit DMARDs noch zu erkennen ist. Die Erkrankung kann zwar durch den frühen Einsatz der hier verwendeteten Basismedikamente (Chloroquin bzw. Sulfasalazin) nicht grundsätzlich modifiziert werden, die Rate der Gelenkschäden ist insgesamt jedoch etwas günstiger als bei der später einsetzenden Therapie mit diesen Präparaten.
In beiden Patientengruppen war die Rate des Fortschreitens der Gelenkschäden mit dem Vorhandensein von bestimmten Merkmalen des HLA-Systems verbunden.
Kommentar:
Die Studie belegt ein weiteres Mal die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer früh einsetzenden wirksamen Behandlung bei Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis. Im Gegensatz zu anderen Studien läßt aber unter der hier gewählten Therapie mit Chloroquin (z.B. Resochin) oder Sulfasalazin der Effekt der frühen Therapie nach. Da es sich bei Chloroquin um ein vergleichsweise wenig aggressives langwirksames Antirheumatikum handelt und von Sulfasalazin aus anderen Studien eine nachlassende Wirkung bei längerer Therapiedauer bekannt ist, sprechen die Ergebnisse dieser Studie nicht gegen das Konzept einer möglichst frühen Therapie, deuten aber darauf hin, daß die Chancen einer früh einsetzenden Behandlung der rheumatoiden Arthritis dann optimal genutzt werden, wenn man nicht nur so früh wie möglich mit der Behandlung beginnt, sondern zugleich auch unter den vorhandenen Therapieoptionen die wirksamsten oder zumindest hochwirksame Präparate wählt.
Literatur
van Aken J, Lard LR, le Cessie S, Hazes JM, Breedveld FC, Huizinga TW. Radiological outcome after four years of early versus delayed treatment strategy in patients with recent onset rheumatoid arthritis. Annals of the Rheumatic Diseases 2004;63:274-279