Auch Pflanzen haben ein (angeborenes) Immunsystem
Pflanzen ähneln in ihrem Immunsystem den Tieren mehr als man bisher angenommen hat. Zu diesem Schluss kommen Botaniker der Universität Basel und der Michigan State University in der Zeitschrift Science. Pflanzen überleben durch ein raffiniertes Wahrnehmen von Krankheitserregern.
Die Medizin unterscheidet zwei Arten von Immunität: Die "erworbene Immunität" beruht auf spezialisierten Immunzellen und auf der Bildung von Antikörpern nach einem genetischen Programm, das in jedem Individuum im Lauf der Entwicklung neu erworben wird.
Die "angeborene Immunität" ist eine Eigenschaft aller Zellen und beruht auf der Erkennung von molekularen Mustern, sogenannten "MAMPs" (microbe associated molecular patterns), die für ganze Gruppen von Mikroorganismen typisch sind, im Wirt aber nicht vorkommen.
Die MAMPs ermöglichen es dem Immunsystem, das Eindringen von Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten zu erkennen und eine allgemeine Abwehrreaktion auszulösen. Über die angeborene Immunität ist noch wenig bekannt, und sie ist derzeit ein besonders bedeutendes Forschungsthema.
Lange Zeit nahm man an, dass Pflanzen über kein Immunsystem verfügen. "Es stimmt, dass sie keine spezialisierte Immunzellen und Antikörper besitzen, die durch ein genetisches Programm gebildet werden und somit als 'erworbene Immunität' bezeichnet werden", erklärt Professor Thomas Boller vom Botanischen Institut der Universität Basel im Interview mit pressetext.
Dafür verfügt jede einzelne Zelle über ein besonders ausgefeiltes System der angeborenen Immunität. Auch bei den Pflanzen beruht diese auf der Erkennung von MAMPs. Von zentraler Bedeutung für die angeborene Immunität sind die sogenannten "pattern recognition receptors", das sind Oberflächenproteine, die die molekularen Muster von Krankheitserregern erkennen und eine Abwehrreaktion einleiten können.
Auslöser dieser ersten Immunreaktion – der Erkennung der MAMPs – bei der Pflanze sind hochsensible Rezeptoren, die in jeder einzelnen Pflanzenzelle integriert sind. Sie sprechen auf bestimmte Muster an, die in der Pflanze selbst nicht vorkommen, beispielsweise auf Flagellin - ein Grundbaustein der Geißel von Bakterien.
Auf diese Weise können die Pflanzen Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten erkennen. "Diese Rezeptoren sind so empfindlich, dass sie auch dann reagieren würden, wenn man einen Champignon in ein Schwimmbad wirft und Wasser daraus noch um den Faktor 100 verdünnt", so Professor Boller im pressetext-Interview.
Hohe Bedeutung habe die angeborene Immunität etwa bei AIDS. "Das AIDS-Virus löscht die erworbene Immunität der Abwehrzellen aus, wodurch die Patienten auf ihr angeborenes Immunsystem angewiesen sind. Das gleiche gilt bei der Organtransplantation, bei der das normale Immunsystem unterdrückt wird." Boller hält es für möglich, dass eines Tages Medikamente die Funktion dieses bisher wenig erforschten Immunsystems unterstützen.
Interessanterweise verfügen jedoch die Krankheitserreger über spezifische Instrumente, um die Wahrnehmung von MAMPs sowohl bei Pflanzen wie bei Tieren zu durchbrechen. Sie produzieren sogenannte Effektoren, die über eine raffinierte molekulare Injektionsspritze direkt in die Wirtszelle hineingebracht werden und dort die MAMP-Rezeptoren oder ihre nachgeschaltete Signalkaskade außer Gefecht setzen.
Dass auch diese Effektoren bei Krankheitserregern von Pflanzen und Tieren ähnliche Wirkmechanismen besitzen, wie dies Prof. Sheng Yang He und seine Arbeitsgruppe am Plant Research Laboratory der Michigan State University entdeckt haben, hebt die zentrale Bedeutung der angeborenen Immunität für die Abwehr von Krankheitserregern besonders hervor.
Quellen:
Die Immunreaktion von Pflanzen: Entdeckungen mit Potential für die Medizin
lic. phil. Hans Syfrig, Öffentlichkeitsarbeit
idw. Pressemitteilung 8. Mai 2009
Pflanzen besitzen angeborenes Immunsystem
Redakteur: Johannes Pernsteiner
Pressetext Schweiz 25. Mai 2009
Literatur und Links
Universität Basel, Botanisches Institut, Section Plant Physiology, Innate Immunity in Plants
Innate Immunity in Plants: An Arms Race Between Pattern Recognition Receptors in Plants and Effectors in Microbial Pathogens
Thomas Boller1,* and Sheng Yang He2,*
Science 8 May 2009:
Vol. 324. no. 5928, pp. 742 - 744
DOI: 10.1126/science.1171647
Link zum Abstract
http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/324/5928/742