Aktualisiertes Therapieschema der Rheumatoiden Arthritis. Ergebnisse eines Konsensusprozesses deutscher Rheumatologen 2009
Mit der heute frühzeitiger möglichen Diagnosesicherung und den verbesserten therapeutischen Optionen hat sich auch das Therapieziel bei Patienten mit frisch diagnostizierter rheumatoider Arthritis (RA) konkretisiert: Erreichen einer kompletten Remission, die nicht nur einen Rückgang der klinischen Krankheitsaktivität (DAS28 < 2,6) sondern auch einen Ausschluss einer stummen Restsynovitis bzw. einer radiologischen Progredienz beinhaltet. Die Autoren berichten über einen Konsensusprozess deutscher Rheumatologen mit dem Ziel, ein praktisch einsetzbares Update für einen Therapiealgorithmus bei RA darzustellen.
Bereits im Jahr 2006 hatte eine ad hoc-Arbeitsgruppe erfahrener Rheumatologen in einem mehrschrittigen Prozess aus den seinerzeit vorliegenden Daten aus klinischen Studien und deren Bewertung für die Übertragbarkeit in die Praxis einen Konsens erarbeitet [1].
Mit der vorliegenden Überarbeitung der Therapiestrategie wurden die zwischenzeitlich gewachsenen Erfahrung und die neuen Arzneimittel auch wiederum in einem mehrschrittigen Konsensuprozess integriert.
Behandlungsindikation. Hier wird der praktische Aspekt der Einleitung einer Basistherapie bei Vorliegen einer Synovialitis diskutiert, auch wenn – im Unterschied zu klinischen Studien und dem Zulassungsstatus – die Klassifikationkriterien für die RA nicht erfüllt sind oder eine Overlap-Syndrom vorliegt.
In die Therapieplanung gehört die Erfassung der aktuellen Krankheitsaktivität sowie der Prädiktoren für den weiteren Verlauf und für die Erosivität. Weiterhin spielen bei der Therapieplanung individuelle anamnestische Daten zum Krankheits- und Therapieverlauf, zum Umfeld und auch das Alter und ein möglicher Kinderwunsch eine Rolle. Ein ganz wesentlicher Punkt sind Komorbiditäten, anhand deren Berücksichtigung die Vielschichtigkeit des Entscheidungsprozesses durch den Rheumatologen.
Die Einbeziehung des Patienten in die Therapieplanung macht deutlich, dass dem Patienten selbst eine wesentliche Bedeutung in dem Entscheidungs-prozess zukommt. Die Autoren plädieren dafür, zusammen mit dem Patienten die individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung sowie die „vom Patienten akzeptierte Symptomenkonstellation“ ( „patienten acceptable symptom state“- PASS) zu diskutieren. Letztere kann von einer Remission bis zu einer rein symptomatischen Behandlung mit entsprechender Restaktivität der Erkrankung reichen.
Die Autoren schlagen vor, das Therapieziel Remission ergänzend wie folgt zu definieren:
• Erreichen eines DAS28 von < 2,6
• Kein Hinweis auf subklinische Krankheitsaktivität in der Bildgebung (Sonographie, MRT)
In der aktualisierten Therapiestrategie der RA (s. Abb.1 in der Publikation) wird das Diskussionsergebnis für die allgemein übliche Vorgehensweise einer Routinesituation bei neu diagnostizierter RA aufgeführt.
Methotrexat (MTX) bleibt danach der Goldstandard in der Primärtherapie mit einer mittleren Startdosis von 15 mg / Woche. Höhe der Dosis sowie der Applikationsweg (oral/parenteral) sind individuell anzupassen. Die Substitution mit Folsäure (5 mg pro Woche, 24 Stunden nach der MTX-Einnahme) gilt heute als Standard.
Bei Kontraindikation oder unzureichender Wirksamkeit von MTX kann alternativ Leflunomid eingesetzt werden, wobei man heute im Alltag wegen der besseren Verträglichkeit bevorzugt nicht mit 100 mg / die, sondern gleich mit der Langzeitdosis (in der Regel 20 mg) beginnt.
Weitere Alternativen stellen die Antimalariamittel (Hydroxychloroquin) bei Overlap zu Kollagenosen, Sulfasalazin bei peripheren Arthritiden und Abgrenzungsproblemen zu Spondylarthropathien sowie Azathioprin und Ciclosporin A dar.
Eine Komedikation mit Glukokortikoiden sollte bereits bei Einleitung der Basistherapie niedrig dosiert (5 – 7,5 mg Prednisolonäquivalent) begonnen werden.
Sekundärtherapie: Sollte nach sechs Wochen der DAS28 nicht unter 3,2 liegen, kann man bei Patienten mit oraler MTX-Therapie auf eine parenterale Applikation wechseln oder die Dosis auf 20 – 25 mg / Woche steigern.
Ist das Therapieziel nach weiteren sechs Wochen noch nicht erreicht, wird empfohlen, direkt auf Leflunomid zu wechseln oder effektiver mit der Kombination von MTX plus Leflunomid fortzufahren.
Ein Wechsel zu diesem Zeitpunkt auf TNF-Inhibitoren oder Tocilizumab bleibt in der Praxis besonderen Problemfällen vorbehalten, wie fehlende Reduktion der Krankheitsaktivität (primärer Non-Responder) oder rapid-progredientem radiologischen Verlauf.
Tertiärtherapie: In der Mehrzahl der Fälle wird im Alltag jedoch zunächst die höchstmögliche MTX-Dosierung und/oder eine konventionelle Basistherapiekombination erfolgen. Sollte sich auch unter dieser Therapie nach drei Monaten kein adäquater Erfolg einstellen, können TNF-Inhibitoren oder Tocilizumab eingesetzt werden, wobei die Wahl des TNF-Blockers von verschiedenen Faktoren abhängt. Ein differentialtherapeutisches Vorgehen kann hier aufgrund der Datenlage nicht empfohlen werden.
Quartärtherapie: Da auch unter TNF-Inhibitoren bei ca. 30 Prozent der Patienten mit einem unzureichenden Therapieeffekt zu rechnen ist, führen die Autoren vier verschiedene alternative Ansätze auf:
1) Einsatz eines 2. TNF-Antagonisten.
2) Wechsel auf eine andere Antizytokintherapie mit Tocilizumab. Tocilizumab ist nicht nur nach Versagen von TNF-Inhibitoren, sondern auch direkt nach unzureichendem Ansprechen auf MTX zugelasssen. Da die Datenlage zur Sicherheit noch nicht so umfangreich wie für TNF-Blocker ist, hat die Konsensuskonferenz den IL-6 Antagonisten aktuell erst nach Einsatz eines ersten TNF-Antagonisten positioniert. Inwieweit hier ein Überdenken notwendig sein wird, hängt von den Daten der nächsten Zeit ab.
3. und 4.) Als Alternativen für die Anti-Zytokintherapie stehen die a) gegen B-Zellen gerichtete Therapie mit Rituximab bzw. b) gegen die T-Zell Co-Stimulation gerichtete Therapie mit Abatacept zur Verfügung.
Die Entscheidungshilfe für das Medikament nach dem ersten TNF-Antagonisten beinhaltet verschiedene Faktoren, die die Autoren als Checkliste zusammengestellt haben.
Fazit:
Für die Therapie der RA steht ein wachsendes Spektrum medikamentöser Therapieoptionen zur Verfügung. Die Autoren definieren das Therapieziel in Frühphasen als klinische Remission plus einer Kontrolle der subklinischen Restaktivität. Das Therapieziel wird jedoch in Abhängigkeit vom Einzelfall und insbesondere von der Krankheitsdauer individuell zu definieren sein und beinhaltet dann ein zusammen mit dem Patienten definiertes Stadium der „akzeptablen Restaktivität“.
Literatur und Links
Aktualisiertes Therapieschema der Rheumatoiden Arthritis. Ergebnisse eines Konsensusprozesses deutscher Rheumatologen 2009
Recommendations for the Treatment of Rheumatoid Arthritis. Results from a German Consensus Conferenence: Update 2009
J. Wollenhaupt1, R. Alten2, M. Backhaus3, C. Baerwald4, J. Braun5, H. Burkhardt6, M. Gaubitz7, E. Gromnica-Ihle8, H. Kellner9, J. Kuipers10, H.-M. Lorenz11, B. Manger12, U. Müller-Ladner13, H. G. Nüßlein14, H.-G. Pott15, A. Rubbert-Roth16, M. Schneider17, C. Specker18, H.-P. Tony19, K. Krüger20
Akt Rheumatol :online first 15. Mai 200ß, DOI: 10.1055/s-0029-1220906
Link zum Abstract
1Schön-Klinikum Hamburg-Eilbek, Abteilung Rheumatologie und klinische Immunologie, Hamburg
2Schlosspark-Klinik, Teaching Hospital University Medicine Berlin, Internal Medicine II, Rheumatology, Clinical Immunology, Osteology, Berlin
3Rheumatologische Fachambulanz, Charité CCM, Medizinische Klinik m. SP Rheumatologie/Klin. Immunologie, Berlin
4University Hospital, Rheumatology Unit, Leipzig
5Rheumazentrum Ruhrgebiet, St. Josefs-Krankenhaus, Herne
6Klinikum und Fachbereich Medizin Johann Wolfgang Goethe-Universität, Rheumatologie, Frankfurt am Main
7Universitätsklinikum Münster, Medizinische Klinik und Poliklinik B, Münster
8Internistin/Rheumatologin, Villa am Krankenhaus Maria Heimsuchung, Berlin-Pankow
9Schwerpunktpraxis für Rheumatologie und Gastroenterologie, Ärztlicher Leiter der Abteilung Rheumatologie im Krankenhaus Neuwittelsbach, München
10Rotes Kreuz Krankenhaus, Bremen, Klinik für Internistische Rheumatologie, Bremen
11Universität Heidelberg, Med. Klinik V, Sektion Rheumatologie, Baden-Baden
12Medizinische Klinik III mit Poliklinik, Rheumatologie, Erlangen
13Justus-Liebig-Universität Gießen, Kerckhoff-Klinik, Abteilung für Rheumatologie und klinische Immunologie, Bad Nauheim
14Internistisch-rheumatologische Schwerpunktpraxis, Praxis, Nürnberg
15Rheumatologikum Hannover, Schwerpunktpraxis für Rheumatologie, Physikalische Medizin und klinische Immunologie, Hannover
16Universitätsklinikum Köln, Klinik I für Innere Medizin, Klinische Immunologie und Rheumatologie, Köln
17Heinrich-Heine-Universität, Rheumatologie, Düsseldorf
18Kliniken Essen-Süd, Katholisches Krankenhaus St. Josef GmbH, Abteilung für Rheumatologie & Klinische Immunologie, Essen
19Universitätsklinikum Würzburg, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Würzburg
20Praxiszentrum/Rheumatologie, Rheumatologie, München
[1] J. Wollenhaupt, H. Zeidler: Deutsches Ärzteblatt 2001; 98, 18: 1196-1200
Link zum PDF
Wollenhaupt J., Alten R., Burckhardt H et al.:
Aktuelle Therapiestrategien bei rheumatoider Arthritis, Entzündung rasch beherrschen ist entscheidend für die Prognose.
MMW Fortschritte der Medizin 2997; 148:38-42