ACR 2006 Review – Teil 1
Der Kongreß des American College of Rheumatology, kurz ACR genannt, ist der weltweit wichtigste rheumatologische Kongreß. Hier und in den nächsten Tagen die ersten Eindrücke und Highlights aus Washington.
Vom 10. bis 15. November trafen sich die Rheumatologen aus aller Welt in Washington auf dem diesjährigen wissenschaftlichen Kongreß des American College of Rheumatology, kurz, dem „ACR“. Mit fast 13.000 Teilnehmern war der ACR 2006 der bislang größte ACR-Kongreß und damit auch immer noch der weltweit bedeutendste, wobei der Abstand zum EULAR, dem Kongreß der European League Against Rheumatism, von Jahr zu Jahr kleiner wird.
Was sind die ersten Eindrücke?
Nachdem der letztjährige ACR in San Diego eher den Eindruck einer kleinen Verschnaufpause machte, war Washington das genaue Gegenteil. Die Rheumatologie präsentierte sich mit einer Fülle von neuen Daten und Entwicklungen, die nun in den nächsten Monaten erst einmal verdaut, gesichtet, sortiert und kritisch bewertet werden müssen.
Der Gesamteindruck: Die Grundlagenforschung in der Rheumatologie scheint nahezu zu explodieren, und daraus leiten sich fast unerschöpflich erscheinende Ideen zu neuen therapeutischen Ansätzen und Optionen ab. Dabei wird es für den klinisch-praktisch tätigen Rheumatologen immer schwieriger, „am Ball“ zu bleiben, denn das Wissen wächst derzeit, so sieht es zumindest auf den ersten Blick aus, exponentiell. Eine der großen Herausforderungen der Zukunft wird es deshalb unter anderem sein, die neuen Erkenntnisse in Wissenschaft und Forschung in die tägliche Praxis zu übersetzen und die Fortschritte der modernen Rheumatologie für die Therapie am Krankenbett und in der Sprechstunde verfügbar zu machen.
Was gibt es Neues?
Zunächst Neues zu den Substanzen, die gestern noch als das Neueste vom Neuen galten und die nun bereits zu den „altbewährten“ Therapieprinzipien zählen, nämlich zu den TNF-alpha-Blockern.
Ganz im Vordergrund stehen hier die Langzeit-Daten zur TNF-alpha-blockierenden Therapie mit beruhigenden Ergebnissen hinsichtlich der Sicherheit und Verträglichkeit und mit herausragenden Ergebnissen hinsichtlich der Wirksamkeit, insbesondere im Hinblick auf das härteste outcome-Kriterium einer antirheumatischen Therapie, nämlich der Mortalität. Hier konnte auf dem ACR in mehreren Studien einheitlich gezeigt werden, daß sich die erhöhte Sterblichkeitsrate der rheumatoiden Arthritis durch die Therapie mit TNF-alpha-Blockern senken läßt. Ein wichtiger Faktor scheint dabei die Senkung der kardiovaskulären Mortalität zu sein, d.h. einem vorzeitigen Tod in der Folge von Herzinfarkten und plötzlichem Herztod. Die Begründung liegt wahrscheinlich in einer verbesserten Kontrolle der Entzündungsaktivität auch in den Gefäßen und einer damit verbundenen Verringerung des Arteriosklerose-Risikos, speziell auch in den Herz-Kranz-Gefäßen.
Interessant, weil im täglichen Leben immer wieder gesehen und zugleich von offiziellen Stellen, speziell auch dem deutschen Gemeinsamen Bundesausschuß (G-BA) bislang weitgehend ausgeblendet: Es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen TNF-Blockern, so daß bei der Differentialindikation beim einzelnen Patienten nicht allein der Preis eines jeweiligen Präparates von Bedeutung sein darf, sondern medizinische Gründe auch eine Rolle spielen müssen (sie sollten dabei sogar die vorrangige Rolle spielen). Die Ergebnisse dieser Studien sind vor allem für den Fall wichtig, daß Kostenträger die Kostenübernahme für eine spezielle Therapie mit dem Hinweis auf den höheren Preis ablehnen oder auch für die Situation, daß einem behandelnden Arzt bei Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit sogenannten Regressen gedroht wird.
Vielleicht nicht minder wichtig für die Patienten: Die Hersteller der subkutan zu injizierenden Substanzen, d.h. der Präparate, die vom Patienten selber unter die Haut gespritzt werden, haben sehr viel Energie darauf verwendet, dieses noch einfacher und für den Patienten so angenehm wie möglich zu machen.
In den USA ist hier die Entwicklung weiter als bei uns. So haben sich in Deutschland die Enbrel-Patienten gerade über die Einführung der neuen Fertigspritze gefreut (rheuma-online hat darüber kürzlich berichtet), während auf dem ACR mit dem SureClick-Injektor bereits die nächste Entwicklung zu sehen war, die die Injektion noch einmal ganz erheblich angenehmer machen dürfte. Ähnlich bei Humira, wo es in Deutschland von Anfang an die Fertigspritze gab, der aber in den USA nun der Humira-Pen zur Seite gestellt wurde, bei dem die Injektion ähnlich funktioniert wie bei den Pen´s, die man auch vom Diabetes mellitus kennt, allerdings mit dem Unterschied, daß Humira in der Regel nur alle 14 Tage gespritzt werden muß und damit aus Gründen der Sterilität und der Kühlkette ein Einmal-Pen zur Anwendung kommt.
Nicht zuletzt zum Thema TNF-Blockade: Es gibt neue Substanzen. Golimumab (GLB) vom Infliximab- (Remicade)-Hersteller Centocor ist ein humaner monoclonaler Antikörper gegen TNF-alpha, der anders als der noch chimärische, Mausanteile enthaltene Infliximab-Antikörper sowohl subcutan als auch intravenöse verabreicht werden kann. Auf dem ACR wurden die Ergebnisse einer entsprechenden PhaSE-II-Studie vorgestellt.
AME-527 von Applied Molecular Evolution in Kooperation mit Eli Lilly ist ebenfalls ein komplett humaner monoklonaler TNF-alpha-Antikörper, zu dem in Washington die Ergebnisse einer monozentrischen offenen Phase I/II Studie vorgestellt wurden.
Wir werden über diese Studien in gesonderten Beiträgen ausführlicher berichten.
Die biologische Revolution in der Rheumatologie schreitet voran: So präsentierte der ACR viele neue Biologicals mit ganz unterschiedlichen Therapieansätzen. Dazu mehr in den Fortsetzungen des ACR-Reviews, zunächst im nächsten Teil mit den Substanzen aus der zweiten Generation von biologischen Medikamenten, d.h. neueren, aber schon klinisch umfangreich geprüften Biologicals mit anderen Therapieprinzipien als der TNF-Blockade.