7. BDRh-Kongress, 26. bis 28. April 2012 in Berlin: Das Versorgungsstrukturgesetz – Neue Chancen für die Rheumatologie?
Die Neuerungen und damit verbundenen Möglichkeiten des Versorgungsstrukturgesetzes standen im Mittelpunkt des diesjährigen Kongresses des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen e.V. (BDRh), der vom 26.bis zum 28. April in Berlin stattffand. Für Rheumapatienten mit schweren Verlaufsformen soll sich mit Einführung des ambulanten spezialfachärztlichen Sektors die Versorgungsqualität verbessern. Das Gesetz beinhaltet zudem weitere wichtige Änderungen, so die neuen Vorgaben für die Bedarfsplanung und die Regionalisierung der Honorarverteilung. In einem Positionspapier nimmt der BDRh zusammen mit dem Verband Rheumatologischer Akutkliniken e.V. (VRA) und der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) Stellung.
Der neu geschaffene Dritte Sektor mit einheitlichen Qualitätsvorgaben für Praxen und Klinikambulanzen kann nach Ansicht des BDRh die bislang unbefriedigende Versorgungssituation für Rheumapatienten verbessern. „Damit können Schwerkranke nicht nur engmaschiger behandelt, sondern auch insgesamt mehr Rheumapatienten versorgt werden“, erklärt der BDRh-Vorsitzende Dr. Edmund Edelmann. „Voraussetzung ist allerdings, dass der G-BA in Abstimmung mit den Rheumatologen die richtigen Weichen stellt“, gab Edelmann zu bedenken.
Unterstützung erhält der BDRh auch von der Deutschen Rheuma-Liga. Die Präsidentin Prof. Erika Gromnica-Ihle befürchtet, dass die bisher durch den G-BA beschlossenen Qualitätsanforderungen verwässert werden könnten. Um der eklatanten Unterversorgung der Rheumapatienten entgegenzuwirken, sollen nach Meinung der Rheuma-Liga auch Kranke ohne besondere Krankheitsverläufe Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Versorgung haben.
Einführung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV)
Gemeinsam mit dem Verband Rheumatologischer Akutkliniken e.V. (VRA) und der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) hat sich der BDRh daher auf eine gemeinsame Position zur spezialfachärztlichen Versorgung gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geeinigt.
In der gemeinsamen Position der deutschen Rheumatologie sieht der BDRh eine wichtige Grundlage, um dem G-BA die Festlegung von Indikationen, Zugangsvoraussetzungen und Qualitätsmerkmalen für die Versorgung von Patienten mit schweren rheumatischen Verlaufsformen zu erleichtern und das Abstimmungsprozedere mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband zu beschleunigen.
Im Wesentlichen unterstützt das Positionspapier die Inhalte der bisherigen Konkretisierung durch den G-BA vom 15.12.2011. Der Zusatz „schwere Verlaufsformen“ für Indikationen mit besonderen Krankheitsverläufen im neuen §116b hatte für rheumatische Erkrankungen bereits im alten §116b gegolten und kann damit vollständig übernommen werden.
Änderungen bei der Konkretisierung durch den G-BA sind vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Strukturen in niedergelassenen Praxen erforderlich. So kann zum Beispiel das Vorhalten von verschiedenen Fachgebieten im Krankenhaus durch gelebte Kooperationen mit niedergelassenen Fachärzten ersetzt werden, und zwar regional und überregional sowie wahlweise auch im nahegelegenen Krankenhaus. Die 24h-Rufbereitschaft erfolgt im niedergelassenen Bereich über die bewährten Strukturen des vertragsärztlichen Notdienstes.
Der Facharztstatus ist für beide Versorgungsebenen in der unmittelbaren Patientenversorgung verpflichtend, das heißt die Versorgung wird durch den Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie gewährleistet und nicht nur durch den Rheumatologen koordiniert, wie bisher im alten §116b festgelegt.
Für die Klinikambulanzen wie für den niedergelassenen Bereich sollten zwei Fachärzte für Rheumatologie und Innere Medizin für die Versorgung zuständig sein. Einzelpraxen sollten eine Kooperation mit einer weiteren ambulanten rheumatologischen Einrichtung nachweisen.
Für beide Versorgungsebenen sind folgende Qualitätsmerkmale verpflichtend:
Mindestzahl von 240 Patienten mit chronisch-entzündlichen Rheumaformen unter Immunsuppressiva, leitlinienorientierte Behandlung und strukturiertes Krankheitsassessment.
Die Bereinigung der Leistungserbringung im niedergelassenen Bereich der ASV hat die gesetzliche Vorgabe, nicht zu Lasten der fachärztlichen Grundversorgung zu gehen. Dies würde für die Versorgung von allen Patienten mit entzündlichen Rheumaformen gelten, die nicht im Rahmen der ASV behandelt werden. Ebenso würde dies alle Patienten mit degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen, Osteoporose, Weichteilrheumatismus, endokrinen und metabolischen Arthropathien betreffen, die auch von Rheumatologen behandelt werden.
Der BDRh fordert, dass auch den ca. 80 im hausärztlichen Versorgungsbereich tätigen Fachärzten für Innere Medizin und Rheumatologie der Zugang zur ASV künftig nicht mehr verwehrt wird. Sie erbringen die Zugangs- und Qualitätsvoraussetzungen der ASV und leisten einen relevanten Beitrag zur rheumatologischen Versorgung.
Bislang hatten die meisten dieser Fachärzte keinen Zugang zur fachärztlichen Versorgungsebene.„Eine Bereinigung dieser von Rheumatologen im hausärztlichen Versorgungsbereich erbrachten Leistungen darf nicht zu Lasten des Facharzttopfes und damit der fachärztlichen Grundversorgung gehen“, fordert Edelmann.
Neuregelung der Bedarfsplanung
Anders als in der gemeinsamen Stellungnahme von BDRh, DGRh und VRA gefordert, wurde die Rheumatologie nicht mit einer eigenen Bedarfsplanung für Fachärzte für Innere Medizin und Rheumatologie berücksichtigt. Dem G-BA wurde aber eine Flexibilisierung vorgegeben, die mit einer Abkehr von der starren Stadt- und Landkreisbezogenen Bedarfsplanung einhergeht. Zusätzlich wurden die Sonderbedarfszulassung geändert und die Zulassungsstellen aufgefordert, stärker den regionalen rheumatologischen Versorgungsbedarf zu berücksichtigen.
Die strikte Budgetierung der sogenannten Fachgruppentöpfe in den meisten Kassenärztlichen Vereinigungen steht einer stärkeren Öffnung der Zulassungsmöglichkeiten zum Beispiel durch eigene Bedarfsplanung für die Schwerpunkte der Inneren Medizin und damit auch Rheumatologie - entgegen.
Dadurch geht jede Neuzulassung auf Kosten der anderen Ärzte im Fachgruppentopf. Für eine ausreichende und leitliniengerechte Versorgung von Patienten mit entzündlichen Rheumaformen werden allerdings mehr Rheumatologen in der ambulanten Versorgung benötigt. Daher fordert der BDRh von den KVen, zeitnah Regelungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zu schaffen, die einen gerechten Ausgleich bei einer überproportionalen Arztzunahme in einem Fachgruppentopf gewährleisten. Der Gesetzgeber muss gesetzliche Vorgaben schaffen, die eine ausreichende finanzielle Beteiligung der Krankenkassen bei Sonderbedarfszulassung gewährleisten.
Die ASV könnte zur zeitnahen Lösung des Problems beitragen, dass eine Finanzierung von mehr niedergelassenen Rheumatologen im KV-System nicht gegeben ist. Denn die Leistungen aus der ASV sollen unbudgetiert vergütet werden; es gibt demnach auch nicht das mengenbegrenzende Instrument von Fachgruppentöpfen.
Neue Rheumatologen, die die Qualitätsvorgaben und Zugangsvoraussetzungen der ASV erfüllen, würden mit ihren Honorarforderungen nicht die bereits im System befindlichen Rheumatologen belasten. Voraussetzung hierbei ist, dass das Bereinigungsverfahren, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, nicht die fachärztliche und damit die rheumatologische Grundversorgung belastet.
Aus Sicht des BDRh ist diese absehbare Auswirkung bei Neuzulassungen ein weiteres versorgungspolitisches Argument, möglichst rasch die Etablierung der ASV für die besonderen Verlaufsformen von schweren rheumatischen Erkrankungen voranzutreiben.
Regionalisierung der Honorarverteilung
Mit der Neufassung des §87 zur Regionalisierung der Honorarverteilung wurde nicht nur das Rad um Jahre zurückgedreht, sondern auch eine weiterhin nicht unwesentliche Einflussnahme der KBV auf die Honorarverteilung gesetzlich festgelegt. Der größere Einfluss der Kassen bei der Honorarverteilung hat kaum erkennbare Vorteile für die Versorgung gebracht. Eine Rücknahme und die erneut alleinige Honararverteilungshoheit bei der ärztlichen Selbstverwaltung wären daher laut BDRh zu begrüßen.
Die internistischen Rheumatologen gehörten 2007 zu den Verlierern des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) mit seiner zentral vorgegebenen Honorarverteilung. Aufgrund früherer Erfahrungen mit regionalen Honorarverteilungen ist laut BDRh nicht zu erwarten, dass die kleine Fachgruppe der Rheumatologen bei regionalen Honorarverteilungsmaßstäben zu den Gewinnern zählen wird, da diese über Mehrheitsvotum in den kassenärztlichen Vertreterversammlungen festgelegt werden. Langfristig ist die Teilhabe an der ASV die bessere Wahl für die Rheumatologen und die rheumatologische Versorgung.
Berufsverband Deutscher Rheumatologen e.V. (BDRh)
Der Berufsverband Deutscher Rheumatologen ist die berufspolitische Vertretung aller rheumatologisch tätigen oder in Aus- und Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte. Die 664 Mitglieder des BDRh sind überwiegend Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Rheumatologie, für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Zusatzbezeichnung Orthopädische Rheumatologie, und für Kinder- und Jugendmedizin mit der Zusatzbezeichnung Kinder-Rheumatologie, aus Klinik, Ambulanz und Praxis.
Der BDRh will mit seiner Arbeit die Rahmenbedingungen für die Versorgung der
Rheumakranken, und damit auch die Arbeitsbedingungen der für die Versorgung verantwortlichen Ärzte, nachhaltig verbessern. Beispielhaft hierfür sind die Erarbeitung von Versorgungsverträgen oder die Ausrichtung von berufspolitischen Kongressen.
Quelle: Pressemitteilung Berufsverbands www.bdrh.de.