40 Jahre Rheuma-Liga – Was haben wir für die Patienten bis heute erreicht?
Mit 11.000 ehrenamtlichen Kräften in 16 Landes- und drei Mitgliedsverbänden ist die Rheuma-Liga in der Gegenwart gut aufgestellt. Für die Zukunft heißt es vorsorgen und jüngere Menschen mit neuen Ideen begeistern.
Die Situation rheumakranker Menschen war in den 1960er Jahren desolat. Die Therapiemöglichkeiten steckten in den Kinderschuhen. Krankengymnastik und Ergotherapie gab es so gut wie gar nicht. Von organisierter Hilfe zur Selbsthilfe keine Spur. Auch niedergelassene Rheumatologen standen kaum zur Verfügung. In Westdeutschland gab es eine einzige Klinik, die auf Kinderrheumatologie spezialisiert war.
Angesichts dieser schlimmen Lage fassten Betroffene und Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie wie Professor Bruno Schuler, Professor Klaus Miehlke und Professor Hartwig Mathies einen Plan. Nach dem Modell der Sozialen Ligen in der Schweiz, den Niederlanden und Schweden gründete man am 9. Dezember 1970 einen Verein für rheumakranke Menschen: die Deutsche Rheuma-Liga.
Schritt für Schritt gelang es dadurch in den folgenden vier Jahrzehnten, die Angebote der Hilfe zur Selbsthilfe, aber auch die gesamte Versorgungssituation für einen großen Teil der Rheumabetroffenen fundamental zu verbessern. Fast flächendeckend schufen die Verbände der Rheuma-Liga Angebote der Bewegungstherapie.
Innerhalb weniger Jahre wuchs mit diesem wichtigen Angebot auch die Mitgliederzahl von null auf 1 000 und von 100 000 auf eine viertel Million. Inzwischen gibt es 13 000 Gruppen, in denen deutschlandweit regelmäßig das speziell für rheumakranke Menschen entwickelte Funktionstraining angeboten wird.
Seit 1993 regelt die Gesamtvereinbarung Reha-Sport/Funktionstraining die Kostenübernahme durch Krankenkassen und Rentenversicherungsträger. Zweifelsohne ein großer Verdienst der Deutschen Rheuma-Liga, die zur vierten Säule des Gesundheitswesens gewachsen ist und sich angesichts der zahlreichen Gesundheitsreformen der letzten Jahre immer wieder auch als politische Interessenvertretung chronisch rheumakranker Bürger erweist.
Erstmalig für die Bekämpfung einer Krankheit beriet der Deutsche Bundestag 1978 einen umfassenden Rheumabericht der Bundesregierung, der Schwachstellen der Versorgung offenlegte. Die Forderungen von damals wie wohnortnahe Versorgung, verbesserte Rehabilitation und Ausbau der Forschung sind auch heute noch aktuell, wie der Aktionsplan Rheuma 2009 der Deutschen Rheuma-Liga dokumentiert.
Im Vergleich zu den 1960er und 1970er Jahren konnten bis heute erhebliche Fortschritte in der ambulanten und fachärztlichen Versorgung erzielt werden. Die Rheumaforschung erfuhr Auftrieb ebenso wie die Patienteninformation. Meilensteine in diesem Prozess waren die Gründung der Regionalen Rheumazentren, die Bündelung der Forschung im Kompetenz-Netz Rheuma und die jüngst gegründete Rheumastiftung, in die wir gemeinsam mit der DGRh sehr viel Hoffnung setzen.
Seminare und Workshops, Vorträge, strukturierte Patientenschulungen und ein umfassendes Publikationsangebot zählen mittlerweile zum Standardrepertoire der Rheuma-Liga. Auch haben wir inzwischen eine sehr differenzierte Sicht auf die Bedürfnisse rheumakranker Menschen: Kinder benötigen andere Angebote als Erwachsene, jüngere Menschen andere als ältere. Wir kümmern uns um alle Diagnosegruppen. Gerade auch die seltenen Formen brauchen unser besonderes Engagement.
Immer häufiger gelingt es Menschen mit entzündlichem Gelenkrheuma aktiv im Berufsleben zu bleiben. Dank der Fortschritte in der Therapie lässt sich bei rechtzeitigem Behandlungsbeginn die Gelenkzerstörung vielfach stoppen.
Trotzdem brauchen auch diese Betroffenen Information und Begleitung. Mit 11.000 ehrenamtlichen Kräften in 16 Landes- und drei Mitgliedsverbänden ist die Rheuma-Liga in der Gegenwart gut aufgestellt. Für die Zukunft heißt es vorsorgen und jüngere Menschen mit neuen Ideen begeistern.
Mit E-Learning-Modellen und Online-Beratung, dem Jugendangebot „get on!“, Aqua-Cycling und Muskelaufbautraining sowie dem Einsatz von „PatientPartners“ in der Medizinerausbildung und dem Rheuma-Lotsen-Projekt gehen wir zukunftsgerichtet neue Wege.
Quelle: Vortrag Professor Dr. med. Erika Gromnica-Ihle, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e.V., Berlin.
Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Donnerstag, 9. September 2010, Hamburg