1.Österreichischer Fibromyalgie-Tag
Am 7.6.08 fand am Gasteiner Heilstollen in Böckstein/Bad Gastein der erste Österreichische Fibromyalgie-Tag statt. In Arzt- und Psychologen-Vorträgen und im eindrucksvollen Bericht einer Betroffenen wurden alle wesentlichen Themen rund um das Fibromyalgie-Syndrom behandelt. Danach gab es Gelegenheit zur Selbsterfahrung von Therapien wie z.B. Qigong sowie zum persönlichen Gespräch mit den Experten. Den Abschluss bildete eine Schnuppereinfahrt in den Gasteiner Heilstollen.

Mehr als 100 Fibromyalgie-Betroffene und teilweise auch Angehörigen bzw. Partner von Betroffenen sowie einzelne Ärzte waren zum ersten österreichischen Fibromyalgie-Tag am Gasteiner Heilstollen gekommen.
Nachdem Mag. Karner, der Marketingleiter des Gasteiner Heilstollens die Zuhörer begrüßt hatte, führte Christoph Feuerstein (der u.a. durch die ORF-Sendereihe „Thema“ bekannte TV-Moderator) durchs Programm.
Er stimmte die Zuhörerinnen und Zuhörer ein mit der Botschaft: „Sie werden ernst genommen!“ Er stellte bereits jetzt eine eigene Sendung zum Thema Fibromyalgie in Aussicht.
Im Eröffnungsvortrag umriss Prim. Dr. med. Bernhard Kürten, der Chefarzt des Gasteiner Heilstollens das Krankheitsbild des Fibromyalgie-Syndroms.
Von der Worterklärung (‚Fibro’ für Faser, ‚my’ für Muskel, ‚algie’ für Schmerz) über die alten, nicht mehr gebräuchlichen Namen der Erkrankung (wie z.B. generalisierte Tendomyopathie…) kam er zur Häufigkeit des Vorkommens: In Deutschland und Österreich haben 2-3% der Bevölkerung ein Fibromyalgie-Syndrom! Frauen sind sehr stark in der Mehrheit. Das Alter beim Auftreten der ersten Beschwerden liegt meist zwischen dem 30. und 60.Lebensjahr, aber auch kleine Kinder und Hochbetagte können erkranken. Er unterschied die primäre Fibromyalgie, die ohne Vorerkrankung entsteht von der sekundären Form, die auf dem Boden bestimmter entzündlich-rheumatischer Erkrankungen zusätzlich – als Zweitkrankheit - entstehen kann.
Er erläuterte die so genannten Klassifikationskriterien der amerikanischen rheumatologischen Gesellschaft (ACR 1990):
- Anhaltende Schmerzen am ganzen Körper (rechts und links, obere und untere Körperhälfte, Wirbelsäule und Stamm sowie Arme und Beine) sind seit mindestens 3 Monaten vorhanden.
- Mindestens 11 von 18 definierten so genannten Tender Points sind übermäßig schmerzhaft bei einem definierten Druck auf diese Punkte.
- Begleitsymptome wie Erschöpfung, Morgensteifigkeit und Schwellungsgefühl in Gelenknähe, Schlafstörungen, Gefühlsstörungen bis hin zum Restless legs Sndrom, Reizdarm, Reizmagen, Reizblase, Kälteempfindlichkeit, Raynaud-Finger, Kopfschmerzen, Schwindel, vegetatives Schwitzen, nervöse Herzbeschwerden…etc kommen hinzu.
Kriterium 1 und 2 müssen erfüllt sein. Kriterium 3 kann, muss aber nicht dazukommen, um die Diagnose sicherstellen zu können.
Während noch vor 18 Jahren die Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Fibromyalgie eher gering war (ganze 300 internationale Veröffentlichungen in den 4 Jahren zwischen 1986-1990), hat die Erkrankung gerade in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erregt: die Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten ist auf 1.100 in den 4 Jahren zwischen 2001-2005 gestiegen, und inzwischen bemühen sich viele medizinische Fachbereiche und Gesellschaften um die Erkrankung.
Prim. Dr. Kürten betonte, dass wir immer noch nicht die Ursache des Fibromyalgie-Syndroms kennen, zählte aber die Faktoren auf, die in der Entstehung eine Rolle spielen können.
Einen kleinen Anteil kann eine gewisse erbliche Veranlagung haben, belastende Ereignisse im Lebenslauf und / oder eine permanente (Selbst-)Überforderung sind oft in der Vorgeschichte zu finden. Die häufigen Schlafstörungen könnten in Verbindung stehen mit Störungen des Serotonin-Haushaltes. Serotonin (auch als Glückshormon bezeichnet) spielt sowohl in der Schlafregulation (Serotonin-Melatonin-Balance) als auch in der Schmerzverarbeitung eine Rolle. Wiederholt beobachtet wurden ein zu niedriger Serotonin-Spiegel im Gehirn und ein zugleich erhöhter Substanz-P-Spiegel (Substanz P ist ein Schmerzbotenstoff).
Fest stehe aber, dass es sich um eine nicht-entzündliche Erkrankung handle, die nicht das Gewebe zerstört und keine körperlichen Strukturen deformiert.
Er betonte, dass es oft sehr schwierig sei, die Diagnose zu stellen, da einzelne der Symptome auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen vorkommen können.
Das Fibromyalgie-Syndroms sei nur aus multidisziplinärer Sicht zu verstehen und zu therapieren. Wichtig sei aber eine frühe Diagnose, damit intensive Information, Patientenschulung, eine effektive medikamentöse Therapie, physikalische Therapie incl. Bewegungstherapie, psychologische Verhaltenstherapie früh einsetzen können.
Man müsse als Betroffener und als Behandler immer daran denken, dass es nicht um ein Einzelsymptom gehe, sondern um den Gesamtzustand.
Frau Dr. Dorothea Zauner, Rheumatologin an der Universitätsklinik in Graz, erläuterte in ihrem Vortrag den aktuellen Stand der medikamentösen Therapie des Fibromyalgie-Syndroms.
Zuvor erklärte sie noch einige basale Details zur Entstehung und Weiterleitung des Schmerzes, vor allem die Rolle der Substanz P als Schmerzübermittler und die Rolle von Serotonin als zentraler Unterdrücker der Schmerzempfindung. Sie erwähnte, dass sowohl im Muskel als auch in der Gehirnflüssigkeit bei Fibromyalgie-Betroffenen erhöhte Konzentrationen von Substanz P und zu niedrige Spiegel an Serotonin gefunden wurden. Es ist leicht denkbar, dass bei einer solchen Störung der Botenstoffe auch bei nur leichter Berührung der Rezeptoren in der Haut eine übertriebene Schmerzmeldung zum Gehirn gelangen kann, sozusagen ein „falscher Alarm“.
Frau Dr. Zauner berichtete auch, dass bei Fibromyalgie-Patienten im Schlaf-EEG festgestellt wurde, dass bestimmte Wellen, nämlich die langen Delta-Tiefschlaf-Wellen entweder fehlen oder immer wieder unterbrochen werden durch schnelle Alpha-Wellen (die eigentlich nur im Wachzustand vorkommen sollten). So wurde verständlich, dass der Schlaf nicht erholsam sein kann und Fibromyalgie-Patientinnen morgens oft „wie gerädert“ aufwachen.
Die medikamentöse Therapie bezeichnete Frau Dr. Zauner nur als einen Baustein in der Gesamtbehandlung der Fibromyalgie, man dürfe sich nicht zu viel davon erwarten.
Sie teilte die sinnvollen Medikamente bei Fibromyalgie ein in die reinen Schmerzmittel, die Serotoninverstärker (SSRI) und in die Gruppe derjenigen Mittel, die Substanz P und andere Botenstoffe beeinflussen. Cortison sei übrigens ohne Wirkung.
Die schmerzlindernde Wirkung von Tramadol und Paracetamol sei am besten erforscht und belegt. Beide wirken auch auf die Botenstoffe. Tramadol darf – allmählich aufdosiert – bis zu 600mg pro Tag dosiert werden, Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit seien oft nur vorübergehender Natur. Tramadol hemme die Schmerzweiterleitung im Gehirn, es nehme auch Einfluss auf den Serotoninstoffwechsel.
Paracetamol dürfe bis zu 4x500mg pro Tag genommen werden. Langfristig müsse man auf die Leberwerte achten.
Man dürfe Paracetamol und Tramadol durchaus kombinieren, hier seinen Dosierungen von bis zu 4x75mg Tramadol und 1-2x500mg Paracetamol möglich.
Aus der Gruppe der Serotoninverstärker (SSRI) erwähnte sie nicht alle einzelnen Substanzen, hier sei es wichtig, sich zu informieren und den Arzt zu fragen. Die SSRI seien alle auch antidepressiv wirksam, müssen aber beim Fibromyalgie-Syndrom nicht so hoch dosiert werden wie zur Behandlung einer Depression.
Die bekannteste Substanz sei das Amitryptylin, welches mit der Einnahme von 5mg zur Nacht (1-3 Stunden vor dem Schlafengehen) begonnen wird und nach 2 Wochen um 5mg gesteigert werden könne. Eine Langzeiteinnahme sei möglich: Es entstehe zwar keine Abhängigkeit, aber die Wirkung könne mit der Zeit etwas abnehmen. Die Mundtrockenheit und die Müdigkeit als mögliche Nebenwirkung gehen meist nach 1-2 Wochen zurück. Eine Gewichtszunahme sei möglich.
Fluoxetin (morgens eingenommen, 20mg) sei ebenfalls ein Serotoninverstärker. Man könne auch kombinieren mit morgendlichem Fluoxetin und abendlichem Amitryptylin.
Der relativ neue Serotoninverstärker (und gleichzeitiger Verstärker weiterer schmerzhemmender Stoffe im Gehirn) Duloxetin werde 1-2x tagsüber (60mg) eingenommen. Die Wirkung komme erst nach 1-2 Wochen.
Mittel, welche auch zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt werden, wie z.B. das Gabapentin und das Pregabalin können ebenfalls sinnvoll sein. Diese Mittel senken sowohl den Spiegel von Substanz P als auch die Aktivität der Nervenzellen. Pregabalin werde anfangs mit 2x75mg dosiert und dann auf maximal 450mg insgesamt gesteigert. Anfangs seien Nebenwirkungen möglich, meist nicht bleibend – mit Ausnahme der Gewichtszunahme. Man dürfe Pregabalin nicht plötzlich absetzen!
Zum Teil können auch Antiparkinsonmittel sinnvoll sein: wie z.B. Pramipexol.
Ein gut erforschtes Medikament, welches die Substanz P hemme, sei das Tropisetron. An 7 aufeinander folgenden Tagen werde es per Infusion gegeben, bei einem Drittel der so behandelten Fibromyalgie-Betroffenen sei eine 3 Monate anhaltende Schmerzlinderung eingetreten. Die Infusions-Serie könne wiederholt werden.
Auf spezielle Fragen aus dem Publikum ergänzte sie, die Wirkung von sog. Schmerzpflastern und anderen Opiaten sei nicht gesichert bei der Fibromyalgie, ebenso wie die Wirkung von homöopathischen und naturheilkundlichen Mitteln.
Sylvia Rotheimer-Hering, Diplompsychologin und psychologische Psychotherapeutin an der Karl-Aschoff-Klinik im Sana-Rheumazentrum Rheinland-Pfalz in Bad Kreuznach (Deutschland) sprach über die Rolle des Psychologen in der Fibromyalgie-Therapie.
Sie beschrieb einleitend die lange Odyssée, welche sowohl in Deutschland als auch in Österreich viele PatientInnen hinter sich haben, bevor die Diagnose gestellt wird und bevor eine effiziente Therapie beginnt und auch, bevor sie zum Psychologen kommen. Oft seien schon massive Folgeprobleme z.B. im Berufsleben entstanden. Die Medikamente haben nicht den großen Durchbruch erbracht, den man sich erhofft hat, so ist der Eindruck der Psychologen, die pro Jahr mindestens 500 Patienten mit Fibromyalgie behandelt.
„Schmerz sieht man nicht im Röntgen und im Labor…“. Aber die Leistungsfähigkeit sinke mit den stärker werdenden Schmerzen, der Alltag lasse sich immer schwerer bewältigen. Betroffene fühlen sich oft ohnehin nicht ernst genommen von den Ärzten – und wenn sie dann beim Psychologen vorsprechen sollen, dann sei das ungefähr so: „Aha, die letzte Station ist erreicht, ich werde für verrückt gehalten, der Arzt weiß nichts mehr mit mir anzufangen….Aber ich bilde mir die Schmerzen doch nicht ein!“
Frau Rotheimer-Hering erläuterte noch einmal die Störung der Schmerzempfindung im Gehirn – sie fügte hinzu, dass oft auch andere Sinnesempfindungen bei Fibromyalgie-Betroffenen gestört seien – wie z.B. Kälte-, Nässe- oder Lärmempfindlichkeit.
Sie erklärte dass es eine enge Verzahnung gibt zwischen den Schmerzverarbeitungszentren und den Stressverarbeitungszentren.
Sie kam noch einmal zurück auf die bereits erwähnten schweren Belastungsfaktoren in der Biographie der Fibromyalgie-Betroffenen.
Die oft zu findende frühe Übernahme von Verantwortung in Kindheit und Jugend sei möglicherweise Wegbereiter oder aber auch früher Indikator der später oft zu findenden Persönlichkeitsmerkmale: Perfektionismus, nicht nur 100% sondern 180%, Helfen-wollen bis zur Selbstaufopferung, ausgeprägte Suche nach Anerkennung, gepaart mit Tendenz zur Selbstentwertung, Harmoniebedürfnis und Verleugnung von Konflikten, Aggressionshemmung und geringes Durchsetzungsvermögen, übermäßige Anpassung an Normen und Vorschriften etc.
Das ganz große Ziel sei, zu lernen mit der Erkrankung und dem Schmerz zu leben und trotz der Erkrankung und ihren Folgen Lebensqualität zu erreichen.
Die Bausteine auf dem Weg zu diesem Ziel seien:
1. Information und ein realistisches Krankheitsverständnis
2. Abbau von Ängsten
3. Schmerz- und Stress-Bewältigung
Sie beschrieb verschiedene Methoden zur Verbesserung der Schmerz- und Stressbewältigung, wie Entspannungstraining, Biofeedback, positive Ablenkungsstrategien, Imagination/Phantasie-Reisen, Vorstellungsübungen, gedankliche Umstrukturierung. Schmerzprotokolle können hilfreich sein um Zusammenhänge und Einflüsse auf die Schmerzverarbeitung aufzudecken.
Für ein gutes Stressmanagement sei das Erkennen von Selbstüberforderung und überhöhten Leistungsansprüchen grundlegend wichtig. Das Nein-sagen-lernen, die Abgrenzung und die realistische Zielsetzung gehören zusammen. Ein gutes Zeitmanagement, zu dem auch Pausen gehören, muss sein. (Nicht warten bis man nicht mehr kann, sondern vorher Pause machen…). Genussfähigkeit ist wichtig und kann trainiert werden. Aktivität und Bewegung bauen ebenfalls Stress ab.
Die abschließende Botschaft: Never give up!
Dr. Wolfgang Foisner, Ärztlicher Leiter des Kur- und Rehabilitationszentrums in Bad Hofgastein beschrieb das multimodale Therapiekonzept bei Fibromyalgie.
Er begann mit der Definition von Krankheit bzw. positiv gesehen von Gesundheit, auch am Bsp. der WHO-Definition. Gesundheit ist eine mehrdimensionale Angelegenheit und dazu gehören laut Dr. Foisner:
Stresskontrolle
Ausgewogene Ernährung
Körperliche Fitness
Eigenverantwortung
Sensitivität für sich selber, seinen Körper, seine Bedürfnisse.
Er beschrieb die physikalischen Therapiebausteine mit anschaulichen Darstellungen, anhand von eingeschalteten kleinen Video-Sequenzen, wie z.B. die Thermalwassertherapie der Entspannung, dem Sich-treiben-lassen, dem Wohlbefinden dient, wie z.B. die Lymphdrainage am Körper zur sanften Entspannung beiträgt und die Lymphdrainage am Kopf/im Gesicht darüber hinaus einen vagotonen Effekt hat, wie z.B. das Nordic Walking eine richtige Sauerstoffdusche für den Körper ist, die Endorphin-Ausschüttung anregt, das Körpergefühl verbessert und Wohlbefinden fördert. (Nebeneffekt laut Dr. Fosiner: „Viele gute Ideen kommen, wenn man sich bewegt…“). Schlussendlich wies er noch auf den Nutzen der fernöstlichen Bewegungsübungen Taiji / Qigong hin.
Hilfe zur Selbsthilfe bei Fibromyalgie hieß der Vortrag von Dr. Gudrun Lind-Albrecht, leitende Ärztin des Bereichs Physikalische Medizin, Osteologie und Schmerztherapie im Schwerpunkt Rheumatologie, klinische Immunologie und Osteologie am Ev. Krankenhaus in Düsseldorf (Deutschland).
Aus Sicht der Betroffenen ist die Fibromyalgie eine Erkrankung mit massiver Einschränkung der Lebensqualität: Chronische Schmerzen, Erschöpfung, Intoleranz oder Hilflosigkeit der Umgebung, sozialer Rückzug und Vereinsamung sind zentrale Probleme. Aber auch vom Behandler verlangt diese Erkrankung viel: Geduld, Zuhören und ganzheitliches Denken im eigentlichen Sinne werden gefordert; das Rollenklischee des Therapeuten, der helfen will und Erfolge sehen möchte, wird in Frage gestellt.
Über der Erkrankung Fibromyalgie liegt noch immer eine dichte Decke von Unkenntnis, Nicht-An-Erkennung und Untätigkeit.
Die Anliegen der Betroffenen sind nicht die gleichen wie diejenigen der Behandler und erst recht nicht diejenigen der Umgebung. Die Frage ist, ob man als Betroffener seine tatsächlichen Anliegen überhaupt (noch) mitteilt, ob das noch jemand hören will…Die Frage ist auch, in welche Rollen man als Patientin gezwängt wird, sich zwängt und sich zwängen lässt.
Viele Missverständnisse sind in der Kommunikation zwischen Ärzten und Patientinnen gerade bei der Fibromyalgie möglich. Oft kommt man als Betroffene zum Schluss, dass man abgeschoben wird, als Simulantin oder Querulantin angesehen wird, es „nur im Kopf hat“, und mit Patentrezepten abgespeist werden soll. Bsp.: „Sie müssen sich halt mehr bewegen.“ „Sie müssen halt mit der Krankheit leben lernen.“
Hilfe und Information wird von vielen Seiten angeboten. Nicht alles ist seriös, vor allem im Internet findet man sehr Unterschiedliches, z.T. auch Gefährliches an Heilsversprechen.
Fibromyalgie-Betroffene investieren oft Tausende von Euro für vermeintliche Wundermittel….
Wo findet man als Betroffene/r denn gute Information?
Eine gute Informationsplattform ist die Selbsthilfegruppe. Leider sind die österreichischen Fibromyalgie-Selbsthilfegruppen nicht ausreichend bekannt, vor allem da es keine Dachorganisation, sondern nur einzelne Landesgruppen gibt. Diese sind aber sehr aktiv und rege. Unter den folgenden email-Adressen finden Betroffene der einzelnen österreichischen Bundesländer Rat und Hilfe:
SHG-Steiermark: Franziska Grassmugg: franziska(at)grassmugg.com
SHG-Salzburg: Helga Burger mail(at)shg-fibromyalgie.com
www.shg-fibromyalgie.com
SHG-Kärnten: Ursula Süssenbacher, ursula.suessenbacher(at)gmx.at
Wiener Neustädter Fibromyalgiegruppe: Daniela Pinczker, daniela(at)hpux.fhwn.ac.at
SHG-Tirol : Elisabeth Leitner leitner.elisabeth(at)tele2.at
In Deutschland sind zum einen unter dem Dach der Deutschen Rheumaliga Untergruppen für Fibromyalgie-Betroffene entstanden und zum andern existiert eine eigene bundesweite Selbsthilfegruppe Fibromyalgie.
Die Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe bedeutet Zusammensein und Austausch mit Gleichgesinnten und Gleichbetroffenen, gegenseitiges Verständnis, Vertrauen, gemeinsame Aktionen zur Therapie, zum Finden neuer Wege, aber auch zur Ablenkung und zum Genuss. Und es bedeutet: Informationsgewinn! Über Vorträge, Gruppengespräche und auch über Patientenschulungs-Kurse.
Wenn Informationen wirklich verstanden und gut abgespeichert werden sollen, dann ist eine spezielle Form der didaktischen Aufbereitung nötig. Eine Vermittlung, in der man nicht nur zuhört, sondern mitredet, seine Erfahrungen einbringt und mit den andern austauschen kann, ist nötig.
Wenn das alles unter fachlich guter Anleitung von Experten in einer geschlossenen Kleingruppe in einem Kurs nach Baukastensystem geschieht, wenn Ärzte und Therapeuten nicht auf dem hohen Ross sitzen, sondern auf Augenhöhe, wenn sie keine Fremdwörter und keinen Fachjargon benutzen, wenn die Atmosphäre in der Gruppe eine Rolle spielt, wenn es schon um Lernziele geht, aber die konkreten Anliegen der Teilnehmer den roten Faden darstellen, dann handelt es sich wahrscheinlich um Patientenschulung.
In Österreich werden 2 Versionen der Patientenschulung für Fibromyalgie angeboten, die sich ähneln im Ablauf: Es werden im 2-3-Tages-Intensiv-Kurs verschiedene Info-Bausteine aufeinander aufgebaut. Die Version an der Stolzalpe ist dabei etwas mehr von aktiven Elementen begleitet als die Version am Gasteiner Heilstollen, die dem Modell der Patientenschulung nach den Richtlinien der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie entspricht. (Abb.)
Immer sind die verschiedenen für die Therapie wichtigen Berufsgruppen in die Patientenschulung involviert. Die sog. Fachtrainer sind nicht nur erfahren mit dem Krankheitsbild, sondern auch speziell didaktisch geschult.
Aus allen erhaltenen und erarbeiteten Infos, aus den selbst erprobten Entspannungs- und Bewegungsübungen fügt sich für die Teilnehmer dann im Laufe des Kurses allmählich ein ganzes Bild zusammen.
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass diese Art der Informationsvermittlung eine echte Hilfe zur Selbsthilfe darstellt: geschulte Patienten haben nicht nur mehr Wissen über ihre Erkrankung, sondern haben auch das Gefühl, selbst etwas tun zu können und Einfluss nehmen zu können auf den Verlauf. Die Krankenstandstage vermindern sich. Die Ängste bzgl. möglicher Krankheitsfolgen nehmen ab und die Lebensqualität nimmt zu. Die Patientenschulung stellt eine echte Hilfe zur Selbsthilfe dar.
Es gibt also mehrere Wege zur Selbsthilfe, und Selbsthilfe macht optimistisch, kompetent und stark.
Der Bericht einer Betroffenen stellte den Höhepunkt der Vorträge dar. Frau Karin Dirschmied erzählte ihre eigenen Leidensgeschichte: Im Alter von 38 Jahren war sie am absoluten Tiefpunkt ihres Lebens angekommen durch die Schmerzen, die extreme Steifigkeit des Körpers, sodass sie zuletzt noch nicht einmal mehr einen Teller heben konnte; es kam eine schwere Erschöpfung und eine depressive Reaktion dazu. Sie berichtete über ihren mühsamen Weg zur Diagnose-Findung sowie zur letztendlich für sie optimalen Schmerztherapie (nach nur teilweise erfolgreichem Einsatz aller medikamentösen Möglichkeiten), nämlich die 2 mal im Jahr wiederholte Sequenz von Einfahrten in den Gasteiner Heilstollen. Hiermit komme sie jedes Mal zu 3-4 Monaten anhaltender Schmerzfreiheit. Die morgendliche Steife sei dann ebenfalls gänzlich weg, und die Schweißausbrüche seien nicht mehr vorhanden. Nur die Müdigkeit und die Konzentrationsstörungen seien konstant. Hier setzt sie aber eine Reihe anderer Techniken ein zur Bewältigung. Diese spiegeln sich wider im Resumée und in den Merksätzen, die sie den Betroffenen mit auf den Weg gab.
„Ich bin heute dankbar für meine Fibromyalgie:
Ich habe neu leben gelernt.
Ich habe Dinge zu schätzen gelernt.
Ich nehme manche Dinge nicht mehr so wichtig.
Ich bin kompromissloser geworden.
Ich lasse mir weniger gefallen.
Manchmal kann ich schon „Nein!“ sagen.“
„Geben Sie niemals auf!“
„Suchen Sie sich einen Behandler, bei dem sie sich wohl fühlen!“
„Schalten Sie zurück!“
„Es muss nichts 100% sein, 60-70% tun’s auch!“
„Man kann sich nicht von heute auf morgen ändern.“
„Vergessen Sie den Haushalt!“
„Machen Sie etwas für sich!“
„Es ist nicht wichtig, was die andern von Ihnen denken.“
„Wenn Sie durch die Fenster nicht mehr durchschauen können, dann gehen Sie raus!“
„Machen Sie etwas was Ihnen gut tut.“
„Nehmen Sie sich die Zeit!“
„Lassen Sie sich von niemandem etwas einreden!“
„Probieren Sie selbst aus, was gut ist für Sie!“
„Bleiben Sie in Bewegung!“
„Bleiben Sie auch geistig in Bewegung!“
Nach den Vorträgen gab es reichlich Gelegenheit, die Experten bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Saft im schönen Buffet am Heilstollen weiter zu befragen.
Zugleich konnte Qigong ausprobiert werden.
Abschließend gab es dann eine Heilstolleneinfahrt, zu der Primar Dr. Kürten die einführenden Worte und technischen Erklärungen gab, wobei er auch die ausgezeichneten Erfolge der Heilstollentherapie bei der Fibromyalgie erwähnte. Der weitaus größte Teil der Fibromyalgie-Betroffenen profitiert von einer mindestens 2-wöchigen Kur am Gasteiner Heilstollen. Und der Erfolg hält viele Monate an, teils auch bis zu einem Jahr. Schmerzfreiheit erlangt ein kleinerer Teil der Betroffenen, aber zumindest eine deutliche Schmerzlinderung beschreiben mehr als 80% der Fibromyalgie-Patienten.
Nun durften unter der chef-ärztlichen Begleitung alle Tagungsteilnehmer im Stollenzug Platz nehmen, um sich - knapp 2 km vom Tageslicht entfernt – zur Station 1 mit 37,5° Celsius und 75% Luftfeuchte – ins Bergesinnere bringen zu lassen. Dort konnte man/frau bei sanfter Entspannungsmusik eine halbe Stunde entspannen, schwitzen, träumen und vollkommen abschalten.
Als alle wieder wohlbehalten, relaxt und entschlackt im Stollenkurhaus angelangt waren, gab es ein großes Erfrischungsgetränk. Alle waren sich einig: dies war ein sehr intensiver und lohnender Tag gewesen.
