10 Jahre rheuma-online Berlin 2007: Workshop „Rheumamittel ohne Cortison“
Beim diesjährigen Usertreff von rheuma-online trafen sich Patienten, Ärzte und Therapeuten in der Schlosspark-Klinik in Berlin. Sie diskutierten die Möglichkeiten der cortisonfreien Rheumatherapie.
Die beste Wirkung erreicht man nun mal mit dem stärksten Entzündungshemmer, mit Cortison! Wenn da nur nicht die langfristigen Nebenwirkungen wären.
Gute Entzündungshemmung und gleichzeitig potente krankheitsmodifizierende Eigenschaften bei der rheumatoiden Arthritis haben auch die Biologika wie z.B. TNF-alpha-Blocker. Aber deren Preis begrenzt die Möglichkeiten eines allzu großzügigen Einsatzes.
Weniger Nebenwirkungen und erträgliche Kosten haben die bekannten Schmerz- und Entzündungshemmer, die Analgetika und die nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Und wenn die nicht nützen, kann ein Versuch mit Opioiden gestartet werden.
Als „einfaches“ Schmerzmittel wird Paracetamol verwendet. Wenn es ausreichend wirkt, dann ist das vor allem bei der Arthrose Mittel der Wahl. Aber leider reicht die analgetische Wirkung meist nicht aus. Höher dosieren geht auch nicht. Werden täglich mehr als 4 Gramm eingenommen, dann kann es gefährlich für die Leber werden.
Bei Patienten ohne besonderes Risiko helfen am besten die herkömmlichen NSAR. Sie lindern Schmerz und Entzündung. Und wenn das erste Präparat trotz Ausschöpfung der Tageshöchstdosis nicht ausreicht, dann ist der Wechsel auf ein anderes Präparat oft doch noch erfolgreich.
Die meisten Nebenwirkungen sind bei Verlaufskontrollen durch den Arzt leicht kontrollierbar. Von Herzkreislauf-Nebenwirkungen bis hin zum Herzinfarkt sind die NSAR leider nicht frei. Aber solche Ereignisse treten bei NSAR-Patienten durchschnittlich nur etwa 1,6 mal häufiger als bei Patienten ohne NSAR auf. Sie sind also eher selten und wenn, dann treffen sie am ehesten Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. Bei denen ist in jedem Fall Vorsicht geboten.
Ein bedeutsameres Problem sind aber die sich unbemerkt entwickelnden gastrointestinalen (GI) Komplikationen, also die Magen-Darm-Probleme. Durchschnittlich 4 mal häufiger sind die GI-Komplikationen bei NSAR-Patienten als bei Patienten ohne NSAR. Die herkömmlichen Antirheumatika hemmen nämlich die Bildung von GI-Schutzfaktoren. Dadurch wird die Schleimhaut im GI-Trakt angreifbar. Im ungeschützten Magen brennt die Säure Geschwüre in die Schleimhaut. Magendurchbrüche oder Blutungen können die manchmal lebensbedrohliche Folge sein.
Bedroht sind auch hier vor allem Risikopatienten. Im einzelnen sind das die älteren Menschen etwa ab 65 Jahre, dann die mit einem Magengeschwür oder gar einer Magen-Darm-Blutung in ihrer Krankengeschichte, diejenigen mit einer schwer verlaufenden Grunderkrankung, dann aber auch die Patienten, die zusätzlich Cortison einnehmen oder mit Marcumar oder anderen Gerinnungshemmern behandelt werden, sowie die Patienten, die einen sog. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) vom Arzt verordnet bekommen haben. Man sollte bei diesen Patienten zumindest die Säureproduktion im Magen z.B. durch Omeprazol oder einen anderen Protonenpumpenhemmer vermindern.
Besser ist es natürlich, ein modernes NSAR einzunehmen, das die Produktion von Schutzfaktoren im Magen-Darm-Bereich gar nicht erst stört. Das in der Welt am meisten verordnete Coxib, so werden diese magenfreundlicheren Antirheumatika genannt, ist das Celecoxib (Celebrex®). In Deutschland sind außerdem Etoricoxib (Arcoxia®) und Lumiracoxib (Prexige®) auf dem Markt.
Bei Hochrisikopatienten, also bei denen, die z.B. schon mal unter NSAR eine Blutung hatten, gibt man z.B. zum Celecoxib zusätzlich Omeprazol hinzu. Leider gibt es bisher keine fixe Kombination eines Coxibs mit einem Protonenpumpenhemmer, wie ihn sich die Teilnehmer des Patienten-Workshops in Berlin für ihre Behandlung gewünscht hätten. Aber das wäre die sicherste Sache.
Opiode spielen in der Therapie von rheumatischen Erkrankungen keine besondere Rolle. Sie werden ggf. zusätzlich zu den NSAR eingesetzt. Opioide sind keineswegs nebenwirkungsfrei. Sie können z.B. die Vigilanz und damit die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen. Stuhlverstopfungen können auftreten. Dagegen ist die oftmals beschworene Ateminsuffizienz sicherlich die Ausnahme.
Die medikamentöse symptomatische Behandlung sollte nie allein dastehen. Rheumatherapie bedeutet immer auch Bewegungstherapie: je nach Schweregrad der Erkrankung und Beschwerden kann das von der passiven Krankengymnastik über die Gruppentherapie bis hin zum Sport alles sein was das Bewegungssystem in Gang hält. Aber Bewegung gegen den Schmerz ist kontraproduktiv. Und darum muss zuerst eine suffiziente Schmerztherapie eingerichtet werden!
Dr. Wolfgang W. Bolten
Ärztlicher Direktor; Chefarzt
Klaus Miehlke-Klinik
Rheumatologie
Leibnizstr. 23
65191 Wiesbaden