Morbus Paget
Auch: Osteitis deformans, Osteodystrophia deformans.
Der Morbus Paget wird auch als Osteitis deformans oder Osteodystrophia deformans bezeichnet (Osteitis von Osteo = Knochen und –itis = Entzündung; deformans = deformierend, Dystrophie = Fehlernährung). Es ist eine Erkrankung, die auf der einen Seite durch einen verstärkten Knochenabbau und auf der anderen Seite durch einen erhöhten Knochenumbau gekennzeichnet ist. Der erhöhte Knochenumbau ist allerdings auf bestimmte Knochenregionen begrenzt. Dadurch kommt es zu einer krankhaften Knochenstruktur und einer erhöhten Anfälligkeit für Knochenbrüche. In der Folge entwickeln sich Deformierungen.
Die Erkrankung beginnt meistens nach dem 40. Lebensjahr. Da oft keine typischen Beschwerden bestehen, wird sie häufig durch einen Zufall diagnostiziert.
Krankheitsursache
Die genaue Krankheitsursache ist nicht bekannt. Man vermutet eine genetische Veranlagung. Diskutiert wird eine Virusinfektion mit Paramyxoviren. Dadurch oder durch einen anderen Auslöser kommt es gesteigerten Aktivität der Osteoklasten, das sind Zellen, die normalerweise bei der ständigen Erneuerung der Knochensubstanz für den Knochenabbau zuständig sind. Bei dem normalen Knochen-Remodeling folgt der Phase der Osteoklastentätigkeit der Knochenaufbau durch die Osteoblasten. Dies sind Zellen, die den Knochen aufbauen. Beim M. Paget nun erfolgt dieser Wechsel zwischen Knochenabbau und nachfolgendem Knochenaufbau nicht koordiniert und gleichmäßig, sondern „chaotisch“ und regional unterschiedlich. Dadurch kommt es zu einem beschleunigten Knochenaufbau, bei dem dann aber nicht mehr die normale Knochenarchitektur entsteht, sondern zu Zonen mit vermehrtem Knochenkalksalzgehalt neben Zonen mit vermindertem Knochenkalksalzgehalt. Dies verändert natürlich die gesamte Statik des Knochens, auch seine Elastizität, so daß daraus eine erhöhte Brüchigkeit resultiert.
Symptome
Die Erkrankung äußert sich in örtlichen Knochenschmerzen. Durch Fehlbelastungen treten auch Muskelverspannungen und Muskelkrämpfe auf. Im Verlauf entwickeln sich in der Folge der Knochenbrüche auch Fehlstellungen der betroffenen Skelettanteile.
Mit dem vermehrten Knochenstoffwechsel gehen eine erhöhte Durchblutung und eine Vermehrung von Blutgefäßen einher. Bei Knochen, die direkt unter der Haut liegen, z.B. beim Schienbein, kann man eine Überwärmung der entsprechenden Region wahrnehmen. Durch die überschießende Knochenbildung oder durch die Brüche können Nerven gedrückt werden, so daß sich auch neuroloogische Symptome entwickeln können. Zum Krankheitsbild gehört außerdem eine vermehrte Krampfaderbildung und eine verstärkte Belastung von Herz und Kreislauf.
Klinische Symptome
Betroffen sind vor allem stark belastete Knochen wie das Becken, die Lendenwirbelsäule, das Schienbein und die Schädelknochen (vor allem im Bereich der Belastung durch die Kautätigkeit).
Im Blut sieht man erhöhte Werte für die alkalische Phosphatase (ein Enzym, das bei erhöhtem Knochenaufbau ansteigt). Die alkalische Phosphatase ist allerdings auch bei bestimmten Lebererkrankungen erhöht. Man kann allerdings durch Zusatzuntersuchungen die alkalische Phosphatase, die aus dem Knochen stammt, von der alkalischen Phosphatase unterscheiden, die aus der Leber kommt.
Durch den vermehrten Knochenabbau werden bestimmte Abbauprodukte mit dem Urin ausgeschieden (z.B. Hydroxyprolin, das ist eine Aminosäure) und können dort mit erhöhten Werten gemessen werden.
Der gesteigerte Knochenumbau kann durch eine szintigraphische Untersuchung (Knochenszintigraphie) nachgewiesen werden. Die auf diese Weise identifizierten Bereiche können dann gezielt in einem zweiten Schritt durch normale Röntgenaufnahmen näher dargestellt werden.
Die Diagnose
In der Gesamtkonstellation aller Befunde ist die Diagnose eines M. Paget in der Regel ohne größere Schwierigkeiten zu stellen. Außerdem müssen vor allem Knochenmetastasen von bösartigen Tumoren abgegrenzt werden.
Bei Patienten mit M. Paget ist das Risiko für einen primären bösartigen Knochentumor erhöht, das Osteosarkom, das damit im differentialdiagnostischen Blickfeld behalten werden muss.
Die Therapie
Die Behandlung des M. Paget erfolgt mit dem Hormon Calcitonin, das die Aktivität der Osteoklasten hemmt. Da es in Tablettenform durch die Magensäure denaturiert und damit inaktiviert würde, muss die Therapie entweder in Spritzenform (subkutan, intramuskulär) oder perinasal mit Hilfe eines Nasensprays erfolgen. Calcitonin führt bei einer relativ großen Zahl von Patienten (etwa 25%) zu Nebenwirkungen und Unverträglichkeitsreaktionen, vor allem zu Hautrötungen („Flushs“), aber auch Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen.
Mit der Entwicklung einer anderen Medikamentengruppe, die die Osteoklastentätigkeit hemmen, steht eine alternative Therapiemöglichkeit mit sehr guter Wirksamkeit zur Verfügung. Bei dieser Medikamentengruppe handelt es sich um die sogenannten Bisphosphonate. Sie werden je nach Präparat in Tablettenform oder als Infusionen angewendet.
Sowohl Calcitonin als auch Bisphosphonate wirken schmerzlindernd. Bei frischen Knochenbrüchen müssen aber ergänzend häufig auch Schmerzmittel (Analgetika) eingesetzt werden. Da es durch den Knochenumbau und die Deformierungen zu einer veränderten Biomechanik kommt, ist eine krankengymnastische Übungsbehandlung (Krankengymnastik) zur muskulären Kompensation und zum muskulären Training wichtig.