Morbus Bechterew -Kurzinformation-
synonym: ankylosierende Spondylitis, Spondylitis ankylosans, Spondylitis ankylopoetika: Häufigste und folgenschwerste Erkrankung aus der Gruppe der entzündlich-rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen (Spondarthritiden).
Krankheitsbild
Die nach dem russischen Neurologen und Psychiater Wladimir von Bechterew (1857 - 1927) benannte Erkrankung ist der Hauptvertreter aus der Krankheitsgruppe der entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen (seronegative Spondarthritiden, Spondylarthropathien), zu denen unter anderem auch die Psoriasis-Arthritis, die infektreaktiven Arthritiden und die Arthritis bei entzündlichen Darmerkrankungen (enteropathische Arthritiden) zählen.
Die ankylosierende Spondylitis äußert sich an der Wirbelsäule mit einer Entzündung im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke , an den Wirbelkörpern und in den kleinen Wirbelgelenken. Außerhalb der Wirbelsäule kommt es zu einer Beteiligung von Gelenken und zu Entzündungen im Bereich von Sehnenansätzen und straffen Bandverbindungen. Auch Organe können betroffen sein. Am häufigsten ist eine akute Regenbogenhaut-Entzündung am Auge (Iritis) .
In Deutschland sind etwa 1% der Erwachsenen von einem M. Bechterew betroffen. Damit ist er die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung hinter der rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis). Bei dem weitaus überwiegenden Anteil der Patienten beginnt die Erkrankung vor dem 45. Lebensjahr. Männer sind im Verhältnis von 2-3:1 häufiger betroffen als Frauen.
Die chronische Entzündung führt im Bereich der Wirbelsäule zu einem fortschreitenden Verlust der Beweglichkeit bis hin zu einer völligen Einsteifung. Im Verlauf entwickelt sich eine starke Behinderung, die mit erheblichen Einschränkungen im täglichen Leben und einer erheblichen Verminderung der Lebensqualität einhergeht. Auch ist die Sterblichkeitsrate aufgrund der langanhaltenden rheumatischen Erkrankung erhöht.
Auslöser
Bei 95% aller Bechterew-Patienten ist der genetische Risikomarker HLA B27 positiv.
Diese enge Verbindung zwischen dem Vorkommen von HLA B27 und dem Auftreten eines M. Bechterew spricht für eine wesentliche Bedeutung der Vererbung. Andererseits entwickeln von den 7-8% gesunden HLA B27-Merkmalsträgern in der Bevölkerung nur etwa 2% eine ankylosierende Spondylitis. Damit bleibt die Krankheitsursache unklar.
Forschungsergebnisse haben jedoch wesentlich zum Verständnis der entzündlichen Prozesse bei der ankylosierenden Spondylitis beigetragen. Dadurch ist es möglich, mit Medikamenten gezielt in Schlüsselprozesse der Krankheitsentstehung einzugreifen und die Erkrankung langfristig zu kontrollieren. Dabei wurde insbesondere die zentrale Bedeutung der sogenannten Zytokine aufgeklärt.
Ein wichtiges Zytokin, das die Entzündung bei der ankylosierenden Spondylitis auslöst und verstärkt, ist TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha). In bahnbrechenden Untersuchungen aus Deutschland konnte gezeigt werden, daß sich in den entzündeten Kreuz-Darmbein-Gelenken von Bechterew-Patienten erhöhte TNF-alpha-Spiegel nachweisen lassen. Identische Befunde wurden in anderen beteiligten Strukturen gesehen, beispielsweise in entzündeten Sehnenansätzen und Bandverbindungen.
Diese Erkenntnisse haben Eingang in die Therapie gefunden und ermöglichen erstmals eine zielgerichtete Behandlung der Erkrankung. So ist es durch biotechnologische Methoden gelungen, Medikamente herzustellen, die in diesen Prozess eingreifen und die krankheitsauslösende und krankheitsverstärkende Wirkung von TNF-alpha blockieren.
Symptome
Bei den meisten Patienten beginnt der M. Bechterew mit Rückenschmerzen vom entzündlichen Typ. Sie treten oft schon in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter auf. Anfangs äußern sie sich meist als tiefsitzende Kreuzschmerzen, die sich schleichend entwickeln, vor allem in Ruhe und in der Nacht zunehmen und sich unter Bewegung bessern. Charakteristisch ist ein Schmerzmaximum in den frühen Morgenstunden, das zu Störungen des Nachtschlafs und einem vorzeitigen Aufwachen führt. Gleichzeitig besteht eine ausgeprägte Morgensteifigkeit, die oft bis weit in den Tag hineinreicht.
Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer fortschreitenden knöchernen Spangenbildung zwischen den Wirbelkörpern und einer Verknöcherung der kleinen Wirbelgelenke. Die Folge ist eine zunehmende Einsteifung im Bereich der Wirbelsäule. Charakteristisch sind eine zunehmende Verkrümmung der Brustwirbelsäule nach vorne und eine Überstreckung in der Halswirbelsäule.
Eine Gelenkbeteiligung kommt bei etwa einem Drittel der Patienten vor. Sie äußert sich vor allem an großen Gelenken der unteren Körperhälfte. Allerdings können auch kleine Gelenke betroffen sein. Das Befallsmuster ähnelt dann einer rheumatoiden Arthritis. Im Bereich der Weichteile kommt es zu Schmerzen und Entzündungen an Sehnenansätzen (Enthesitis) , Sehnenscheiden-Entzündungen und Schleimbeutel-Entzündungen (Bursitis). Häufig betroffen sind die Fersen und die Achillessehnen.
Diagnose
Die Diagnose einer ankylosierenden Spondylitis basiert auf den charakteristischen Symptomen und typischen Röntgenbefunden. Spezifische Laborbefunde für die Diagnose eines M. Bechterew stehen nicht zur Verfügung. Der positive Nachweis von HLA B27 reicht allein zur Diagnose eines M. Bechterew nicht aus.
Wichtige Hinweise auf eine beginnende ankylosierende Spondylitis sind
- Rückenschmerzen vom entzündlichen Typ
- Vorzeitiges Erwachen in den frühen Morgenstunden wegen Rückenschmerzen
- Ausgeprägte, andauernde Morgensteifigkeit, die z.T weit in den Tag hinein anhält
- ischiasartige Beschwerden, die u.U. von der einen auf die anderen Seite wechseln oder in beide Beine ausstrahlen
- Gelenkschwellungen und à Gelenkergüsse
- Sehnenscheidenentzündungen
- Fersenschmerzen
- Achillessehnen-Schmerzen oder Achillessehnen–Entzündungen
- stechende Schmerzen neben oder hinter dem Brustbein, die sich durch eine andere Ursache nicht erklären lassen
- Auftreten einer Regenbogenhautentzündung am Auge
Röntgenveränderungen entwickeln sich erst im Krankheitsverlauf. Für die Frühdiagnostik eines M. Bechterew wird deshalb zunehmend die Kernspin-Tomographie der Kreuz-Darmbein-Gelenke eingesetzt.
Bei Laboruntersuchungen sind die entzündlichen Veränderungen bei einer ankylosierenden Spondylitis in der Regel nicht so stark ausgeprägt wie bei der rheumatoiden Arthritis. Auch bei einer aktiven Erkrankung sieht man bei M. Bechterew nur bei etwa 50-70% der Patienten erhöhte Werte für die Blutsenkung (BSG) oder das c-reaktive Protein (CRP).
Therapie
Die Erkenntnisse zur Entstehung der entzündlich-rheumatischen Veränderungen haben bei der Behandlung der ankylosierenden Spondylitis zu einem grundlegenden Wandel der Therapiekonzepte und der therapeutischen Zielsetzungen geführt. Mit den biotechnologisch entwickelten Substanzen stehen auch für dieses Krankheitsbild Medikamente zur Verfügung, die erstmals eine zielgerichtete Behandlung ermöglichen. Damit haben sich selbst bei schweren Verläufen therapeutische Möglichkeiten eröffnet, die vor Jahren bei der Behandlung eines M. Bechterew undenkbar waren.
Therapieziele bei der Behandlung einer ankylosierenden Spondylitis sind die Kontrolle der Symptome, vor allem der Schmerzen, der Erhalt einer möglichst uneingeschränkten Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Gelenke sowie eine Beeinflussung der im Röntgenbild sichtbaren Veränderungen an der Wirbelsäule und an den Gelenken. Ein wesentlicher Behandlungsschwerpunkt ist die à Krankengymnastik und die Bewegungstherapie.
Bei der medikamentösen Therapie der ankylosierenden Spondylitis kommen unterschiedliche Medikamentengruppen zum Einsatz, die sich in ihren Zielsetzungen und Angriffspunkten unterscheiden:
- Schmerzmittel (Analgetika)
- Cortisonfreie Entzündungshemmer
- Cortison
- langwirksame Antirheumatika (früher so genannte „Basismedikamente“).
Grundsätzlich gilt in der Rheumatologie, daß jede aktive entzündlich-rheumatische Erkrankung, z.B. eine rheumatoide Arthritis oder Psoriasis-Arthritis, mit einer langwirksamen antirheumatischen Therapie behandelt werden sollte.
Beim M. Bechterew kommen langwirksame Antirheumatika in erster Linie bei einer Beteiligung von Gelenken zur Anwendung. Sie sind in ihrer Wirksamkeit bei der ankylosierenden Spondylitis aber weniger gut belegt als bei der rheumatoiden Arthritis oder der Psoriasis-Arthritis. Für eine Wirkung im Bereich der Wirbelsäulenmanifestationen und für einen Einfluß auf andere Spondarthritis-typischen Manifestationen wie Entzündungen im Bereich von Sehnenansätzen und Bandverbindungen gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.
Bei einem großen Teil der Bechterew-Patienten läßt sich durch die konventionellen Therapieansätze ein chronisch-progredienter Verlauf der Erkrankung mit anhaltenden Schmerzen, fortschreitender Einsteifung und Verkrümmung der Wirbelsäule und zunehmender Behinderung nicht verhindern.
Die Entdeckung von TNF-alpha in Zielstrukturen der Entzündung führte bei der Therapie des M. Bechterew zu einem therapeutischen Konzept, bei dem TNF-alpha medikamentös durch biotechnologisch hergestellte Substanzen (biologischen Therapien) spezifisch in seiner Wirkung blockiert wird.
Mit den Medikamenten aus der Gruppe der TNF-alpha-Blocker steht für die Behandlung des M. Bechterew ein Therapieprinzip zur Verfügung, daß nicht nur die Symptome der Erkrankung beeinflusst, sondern gezielt in die Krankheitsabläufe bei der rheumatischen Entzündung eingreift.
Mehr Infos unter Morbus Bechterew.