Versorgungsdefizite bei Rheuma: Weitreichende Folgen für die Patienten und die Gesellschaft
Noch immer werden zu wenige Patienten mit Rheuma rechtzeitig von einem Rheumatologen behandelt. Die Folgen sind für Patienten und Gesundheitssystem fatal.
Bei einer Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) wurde auf die eklatante Unterversorgung mit fachärztlichen Rheumatologen in Deutschland hingewiesen. Daraus resultiert eine enorme Versorgungslücke bei Rheumapatienten.
Die unzureichende Sicherstellung mit Rheumatologen beginnt bereits bei der Ausbildung der Medizinstudenten. Nach Angaben der Präsidentin der DGRh, Frau Professor Elisabeth Märker-Hermann gibt es an den 37 medizinischen Fakultäten in Deutschland nur sieben Lehrstühle für Rheumatologie. Diese Defizite setzen sich bei der Weiterbildung zum Facharzt fort. So führen von den in Deutschland tätigen 35.000 Internisten nach Auskunft von Frau Professor Märker Herrmann nur 560 die Schwerpunktsbezeichnung „Rheumatologe“. Zur guten Versorgung der Patienten wäre ein Rheumatologe pro 150.000 Einwohner nötig, in einigen Regionen liegt die Quote aber bei 1:1.000.000. Zur Zeit ist noch keine Besserung in Sicht, da Rheumatologen mit Sicht auf die bereits in der Region tätigen Internisten häufig die Zulassung verweigert wird.
Die Folge ist, dass nur etwa 50 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) überhaupt einen Rheumatologen konsultieren, nur 20 % besuchen wenigstens einmal jährlich einen Spezialisten.
Auch die Zeitdauer bis zum ersten Besuch bei einem Facharzt ist noch immer viel zu lang. RA-Patienten erreichen durchschnittlich nach 18 Monaten einen Rheumatologen, obwohl das Zeitfenster für eine optimale Behandlung („window of opportunity“, „therapeutisches Fenster“) bei 12-16 Wochen nach Krankheitsausbruch liegt. Während bei Rheumatologen bei über 80 % der Patienten eine Basistherapie mit langwirksamen Antirheumatika (DMARDs) durchgeführt wird, liegt dieser Wert bei nicht rheumatologisch ausgebildeten Ärzten maximal 30 %, z.T. sogar unter 10%. Durch die zu spät eingeleitete Basistherapie schreitet die Zerstörung der Gelenke und die daraus folgende Funktionseinschränkung unnötig weit fort.
Auch die Kinderrheumatologie betrifft dieses Versorgungsdefizit: Erst nach durchschnittlich 7 Monaten gelangen Kinder zum Facharzt und können sehr häufig nicht wohnortnah versorgt werden. Dies bedeutet einen erheblichen logistischen Aufwand für Kinder und Eltern, um eine optimale Therapie zu sichern.
Obwohl grundsätzlich als sinnvoll und hilfreich anerkannt, werden doch nur etwa 42 % der Rheumapatienten mit Krankengymnastik behandelt. Bei Kindern liegt dieser Wert immerhin bei 67 %. Ergotherapie mit 5 % und ambulante Patientenschulung (Patienten lernen, ihre Krankheit und die Behandlung besser zu verstehen und besser mit ihrer Krankheit besser umzugehen) mit 2 % stehen geradezu stiefmütterlich da.
In einer Langzeitstudie mit RA-Patienten wurde festgestellt, dass allein durch Patientenschulungen (im Rahmen von Reha-Maßnahmen) jährlich 3.430 € Rentenkosten pro Patient eingespart werden können. Dies würde, bezogen auf alle RA-Patienten alleine in NRW, eine Ersparnismöglichkeit von 70 Millionen Euro im Jahr bedeuten, da die Patienten länger erwerbsfähig sind.
Weiterführende Informationen:
- Berliner Kerndokumentation: Krankheitslast bei Kindern und
- Jugendlichen mit chronischer Arthritis (PDF)
- Rheumatologische Kerndokumentation der Regionalen
- Kooperativen Rheumazentren (PDF)
- Rheuma braucht ein klares Management
- Disease Management Programme (DMP) (PDF)
- Definition "Disease-Management-Programme (DMP)"
- Versorgungsdefizit in NRW
- Rheuma-Liga macht sich für eigenes DMP stark