Effekt einer Supplementierung mit Calcium auf das Risiko für Herzinfarkt und kardiovaskuläre Ereignisse
Die zusätzliche Zufuhr von Calcium über Nahrungsergänzungsmittel (ohne gleichzeitige Gabe von Vitamin D) ist mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Herzinfarkts verbunden - so die Ergebnisse dieser Untersuchung. Da Calciumpräparate weit verbreitet eingenommen werden, kann auch der beobachtete moderate Anstieg des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse für die Bevölkerung erhebliche Auswirkungen haben.
Die Osteoporose ist einer der Hauptgründe für Krankheit und Sterblichkeit bei älteren Menschen. Die meisten Leitlinien empfehlen eine adäquate Calciumsupplementation als integrierten Bestandteil in der Prävention oder Behandlung der Osteoporose. Folglich nehmen viele Menschen, die älter als 50 Jahre alt sind, Calcium in Form von Tabletten, Brausetabletten, Pulver o. ä. ein.
Aus Beobachtungsstudien geht hervor, dass eine hohe Calciumzufuhr möglicherweise vor Gefäßerkrankungen schützt. Diese Beobachtungen stimmen mit den Ergebnissen von Interventionsstudien mit Calcium überein, in denen gezeigt wurde, dass einige Risikofaktoren für Gefäßschäden verbessert werden konnten.
Auf der anderen Seite beschleunigt die Zufuhr von Calcium als Nahrungsergänzung die Gefäßverkalkung und erhöht die Mortalität bei Patienten mit Nierenversagen sowohl bei Dialysepatienten als auch Patienten, die noch nicht dialysepflichtig sind.
Darüber hinaus gibt es neuere Ergebnisse, die nicht für eine zusätzliche Calciumzufuhr sprechen. In einer randomisierten, kontrollierten Studie mit Calcium über fünf Jahre mit gesunden älteren Frauen waren kardiovaskuläre Ereignisse als sekundäre Endpunkte definiert worden. Ergebnis dieser Studie war ein ansteigender Trend für Herzinfarkte und kardiovaskuläre Ereignisse bei den Frauen, die Calcium erhalten hatten [1].
Diesen Ergebnissen ist auch in der Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose im Erwachsenenalter des Dachverbands Osteologie 2009 Rechnung getragen worden.
Zu weiteren Abklärung der Datenlage haben die Autoren der o. g. Studie eine Meta-Analyse zu kardiovaskuläre Risiken unter Calciumsupplementierung in randomisierten Studien durchgeführt.
Als Datenquellen dienten Medline, Embase und das Cochrane Central Register of Controlled Trials (1966-März 2010), Referenzlisten zu Meta-Analysen mit Calcium Supplementen und zwei Register über klinische Studien.
Studien kamen für die Meta-Analyse in Frage, wenn sie randomisiert und placebokontrolliert waren, mehr als 500 mg/Tag Calcium verabreicht wurden, mehr als 100 Studienteilnehmer im Alter von > 40 Jahren und eine Studiendauer von mindestens einem Jahr hatten.
Insgesamt wurden als auswertbar eingestuft: fünf Studien auf Patientendatenebene (8.151 Patienten, Beobachtungszeit im Median 3,6 Jahre) und elf randomisierte klinische Studien (11.921 Teilnehmer, mittlere Dauer 4,0 Jahre).
In den fünf Studien, von denen individuelle Patientendaten zur Verfügung standen, erlitten 143 Personen unter Calcium und 111 Personen unter der Scheinmedikation einen Herzinfarkt (Hazard Rate = Risikoverhältnis: 1,31 oder +31%). Ein nicht-signifikanter Anstieg des Risikos wurde für das Auftreten eines Schlaganfalls, für den kombinierten Endpunkt aus Myokardinfarkt + Schlaganfall + plötzlicher Herztod und für die Mortalität gesehen.
Die Meta-Analyse der Studiendaten erbrachte ähnliche Ergebnisse: Bei 296 Personen wurde ein Herzinfarkt protokolliert (166 unter Calcium-supplementierung, 130 unter Placebo) entsprechend einem Anstieg des relativen Risikos von 27 Prozent.
Schlussfolgerung:
Die zusätzliche Zufuhr von Calcium über Nahrungsergänzungsmittel (ohne gleichzeitige Gabe von Vitamin D) ist – so die Autoren - mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Herzinfarkts verbunden. Da Calciumpräparate weit verbreitet eingenommen werden, kann auch der beobachtete moderate Anstieg des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse für die Bevölkerung erhebliche Auswirkungen haben.
Die Autoren fordern daher eine Neubewertung des Stellenwerts von Calciumpräparaten in der Prävention und Therapie der Osteoporose.
Literatur und Links
Effect of calcium supplements on risk of myocardial infarction and cardiovascular events: meta-analysis
Mark J Bolland, Alison Avenell, John A Baron, Andrew Grey, Graeme S MacLennan, Greg D Gamble, Ian R Reid,
Published 29 July 2010, BMJ 2010;341:c3691
Full text
1) Vascular events in healthy older women receiving calcium supplementation: randomised controlled trial
Mark J Bolland, P Alan Barber, Robert N Doughty, Barbara Mason, Anne Horne, Ruth Ames, Gregory D Gamble, Andrew Grey, Ian R Reid,
BMJ 2008;336:262-266
Abstract