Weitere Anwendungen von Anakinra (Kineret)
Aus klinischen Studien liegen derzeit nur Erfahrungen für den Einsatz von Anakinra (Handelsname: Kineret) bei der rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) und bei den Cryopyrin-Assoziierten Periodischen Erkrankungen (CAPS) vor. Grundsätzlich ist vom Wirkmechanismus her jedoch auch eine Wirksamkeit bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen anzunehmen, außerdem bei weiteren Krankheitsbildern, bei denen Interleukin-1 (IL-1) eine wesentliche Rolle bei der Auslösung und bei der Aufrechterhaltung des entzündlichen Prozesses sowie beim Fortschreiten der Erkrankung spielt. Dazu zählen alle autoinflammatorischen Erkrankungen und weitere Krankheitsbilder wie die Gicht und andere Kristallarthropathien, bei denen das Inflammasom als ursächlich diskutiert wird. Neue Forschungsergebnisse in diesem Zusammenhang deuten darauf hin, daß IL-1 auch eine Rolle bei Typ-II-Diabetes spielen könnte.
In einer aktuellen Übersichtsarbeit des „Interleukin-1-Papstes“ Charles Dinarello (Dinarello et al 2012) werden folgende Krankheitsbilder aufgelistet, bei denen eine Therapie mit Anakinra eine Wirksamkeit gezeigt hat, wenn zum Teil auch nur in Einzelfall-Beobachtungen oder in kleinen Serien. Bei einem Teil dieser Krankheitsbilder sind die Ergebnisse so vielversprechend, daß größere klinische Studien begonnen wurden.
Im Einzelnen werden neben den Erkrankungen mit etablierter Wirkung von Anakinra (rheumatoide Arthritis, CAPS) in dieser Arbeit folgende Krankheitsbilder genannt:
Erosive Arthrose der Hand
Recurrierende multifokale Osteomyelitis
TNF-Receptor-Assoziierte periodische Syndrome (TRAPS)
Hyper-IgD-Syndrome (HIDS)
Periodisches Fieber, aphthöse Stomatitis, Pharyngitis und Adenitis (PFAPA)
Mangel an Interleukin-1 (IL-1) Receptor Antagonisten (Deficiency of interleukin-1 (IL-1) receptor antagonist, DIRA)
Schnitzler-Syndrom
SAPHO-Syndrom (Synovitis, Akne, Pustulosis, Hyperostosis, Osteitis)
Macrophagen-Aktivierungs-Syndrom (MAS)
Gicht, Pseudogicht
Typ 2-Diabetes
Hidradenitis suppurativa
Pustuläre psoriasis
Neutrophile Dermatose
Wegen der umfangreichen Datenlage zur Anakinra-Therapie des M. Still soll auf dieses Krankheitsbild im folgenden näher eingegangen werden.
Anakinra (Kineret) bei M. Still des Erwachsenen (Adulter M. Still)
Der M. Still des Erwachsenen (M. Still des Adulten, adulter M. Still) ist eine relativ seltene Erkrankung, die mit wiederkehrendem hohen Fieber, Gelenkschmerzen und oder Arthritis, einem charakteristischen lachsfarbenen Hautausschlag, Leber- und Milzvergrößerung und ausgeprägten Entzündungszeichen bei den Laboruntersuchungen einhergeht. Während die Ursache lange Zeit unklar war, deuten heute alle Befunde darauf hin, daß der M. Still in die Gruppe der autoinflammatorischen Krankheitsbilder zu zählen ist und Interleukin-1 (IL-1) eine zentrale Bedeutung in der Pathogenese, d.h. der Entstehung, Verstärkung und Ausbreitung der Entzündung zukommt.
Therapie der ersten Wahl sind hochdosierte Corticosteroide (Cortison), die aber in der Regel nur in hohen Dosen wirksam sind. Zur Cortisoneinsparung werden traditionelle krankheitsmodifizierende Substanzen (traditionelle DMARDs, tDMARDs) eingesetzt, die aber auch nur bei einem Teil der Betroffenen ausreichend wirksam sind. Bei therapierefraktären Verläufen, d.h. bei solchen Patienten, bei denen die Erkrankung unter den genannten Therapiestrategien nicht oder nicht ausreichend zu kontrollieren ist, wurden mit Einführung der TNF-alpha-Hemmer diese Substanzen auch bei M. Still des Adulten angewendet, allerdings auch nur mit begrenztem Erfolg. So sprach weiterhin ein Teil der Patienten auf diese Therapiemaßnahme nicht oder nicht ausreichend an.
Die erste Publikation zum Einsatz von Anakinra zur Therapie des M. Still des Erwachsenen datiert auf 2003 (Rudinskaya et al 2003). Die dramatische Besserung des Krankheitsbildes nach vorherigem Versagen der konventionellen Therapiemaßnahmen konnte in der Folge in weiteren Einzelfällen sowie im weiteren Verlauf auch in kleineren Serien bestätigt werden (Haraoui et al. 2004, Aelion und Odhav 2004, Vasques Godinho et al 2005, Aarntzen et al 2005, Fitzgerald et al 2005, Kötter et al 2007, Kalliolias et al 2007, Guignard et al 2007, Maier et al 2008 Lequerré et al 2008, Priori et al 2008, Naumann L et al 2010, Laskari et al 2011, Nordström et al 2012).
In Zusammenschau aller Daten aus diesen Publikationen deutet alles darauf hin, daß die Interleukin-1-Blockade bei M. Still des Adulten deutlich wirksamer ist als die Blockade von TNF-alpha (vgl. dazu insbesondere auch Laskari et al 2011 und Al Homood 2013).
Im Vergleich zu TNF-alpha-Hemmern oder zu einer MTX-Monotherapie scheint Anakinra bei M. Still des Erwachsenen ein schnelleres und wirksameres Ansprechen aufzuweisen. Dabei lagen die Responseraten (Ansprechraten) in den größeren Serien, in denen TNF-alpha-Hemmer oder MTX, z.T. auch in Kombination, eingesetzt wurden, zwischen 25% and 69%, zudem wurden auch Verschlechterungen im Verlauf und Schübe berichtet (Fujii et al 1997, Fautrel et al 1999, Fautrel et al 2005, Husni et al 2002). Im Unterschied zu Anakinra war das Ansprechen auch verzögert. In den meisten wurde der Wirkungseintritt nach 2 Wochen gesehen, zum Teil auch erst nach bis zu 16 Wochen, während die Therapie mit Anakinra im Regelfall innerhalb von 24 bis 48 Stunden zu einer dramatischen Besserung, z.T. sogar zu einem völligen Verschwinden der klinischen Symptome führt (Laskari et al 2011). Diese Beobachtungen deuten darauf hin, daß es sich bei M. Still des Erwachsenen primär um eine Interleukin-1-getriebene und erst sekundär um eine TNF-alpha-getriebene Erkrankung handelt.
Unsere Seiten zu Anakinra (Kineret)
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Impfungen, Schwangerschaft und Stillzeit
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Literatur
siehe Seite Literatur