Churg-Strauss-Syndrom
Das Churg-Strauss-Syndrom ist eine relativ seltene Unterform aus der Gruppe der sogenannten nekrotisierenden Vaskulitiden. Unbehandelt ist das Churg-Strauss-Syndrom wie alle nekrotisierenden Vaskulitiden eine lebensgefährliche Erkrankung.
Krankheitsbild des Churg-Strauss-Syndroms
Grundbedingung für ein Churg-Strauss-Syndrom ist ein vorbestehendes, in der Regel bereits länger bestehendes Asthma bronchiale. Durch einen nicht bekannten Auslöser kommt es dann zu einer Störung des Immunsystems mit Entzündungen kleiner und mittelgroßer Gefäße ("Vaskulitis"), die zu einer Verschlechterung der Durchblutung in den durch sie versorgten Geweben führt, z.T. sogar zum völligen Verschluß dieser Gefäße und der resultierenden Ausbildung von Infarkten in den nachgeschalteten Organbezirken.
Typisch für das Churg-Strauss-Syndrom ist eine sogenannte Eosinophilie im Blutbild (eine in der Regel sehr starke Erhöhung von eosinophilen weißen Blutkörperchen). Bei einem Teil der Patienten lassen sich zudem im Blut ANCA nachweisen (anti-Neutrophilen-cytoplasmatische Antikörper; Antikörper gegen Bestandteile einer anderen Gruppe von weißen Blutkörperchen, den sogenannten neutrophilen Granulozyten).
Weitere Krankheitszeichen sind Beteiligungen einzelner oder mehrerer Nerven in der Folge der Durchblutungsstörung von kleinen Gefäßen, die diese Nerven versorgen (Mononeuritis multiplex oder Polyneuropathie vom entzündlichen Typ), Veränderungen im Röntgenbild der Lunge, die entweder wie Lungeninfarkte oder wie eine Lungenentzündung aussehen (pulmonale Infiltrate), Entzündungen der Nebenhöhlen (Sinusitis / Sinusitiden, speziell der Nasennebenhöhlen) und typische Veränderungen in Gewebsproben, die man feingeweblich mit dem Mikroskop untersucht („Histologie“: Dabei sieht man im Gewebe außerhalb der Gefäße eine dichte Ansammlung der bereits genannten eosinophilen Granulozyten).
Diagnosekriterien des Churg-Strauss-Syndroms
Die Diagnosekriterien des Churg-Strauss-Syndroms sind nach den Empfehlungen des American College of Rheumatology (ACR) (die wissenschaftliche Fachgesellschaft der US-amerikanischen Rheumatologen):
- Asthmatische Beschwerden in der Anamnese oder diffuse feinblasige exspiratorische Rasselgeräusche über der Lunge
- Eosinophilie von mehr als 10% im Differentialblutbild
- Mononeuropathie, Mononeuropathie multiplex oder Polyneuropathie mit einer systemischen Vaskulitis assoziiert
- Wandernde oder vorübergehende radiologisch nachweisbare pulmonale Infiltrationen mit einer systemischen Vaskulitis assoziiert
- Akute oder chronisch-rezidivierende Sinusitiden der Nasennebenhöhlen oder radiologische Veränderungen im Sinne einer chronischen Sinusitis
- Bioptische Sicherung einer Vaskulitis mit dem Nachweis einer eosinophilen Infiltration im extravaskulären Gewebe
Bewertung: Das Vorliegen von mindestens vier dieser sechs Kriterien macht das Vorliegen eines Churg-Strauss-Syndroms wahrscheinlich.
Therapie des Churg-Strauss-Syndroms
Das Churg-Strauss-Syndrom spricht in der Regel gut auf eine Behandlung mit Cortison an, das allerdings am Anfang hoch dosiert werden muß. Wenn Cortison alleine nicht ausreicht bzw. auch wenn abzusehen ist, dass für eine längere Zeit eine vergleichsweise hohe Cortisondosis mit den entsprechenden Nebenwirkungen nötig ist, werden zusätzlich zum Cortison Medikamete aus der Gruppe der sogenannten remissionsinduzierenden Substanzen eingesetzt (in der Regel Immunsuppressiva, standardmäßig Cyclophosphamid; z.T. gibt es auch Publikationen zum Einsatz von Azathioprin, Ciclosporin sowie hochdosierten Immunglobulinen). Dies gilt auch für schwerere Organbeteiligungen.
Prognose des Churg-Strauss-Syndroms
Die Prognose des Churg-Strauss-Syndroms ist im Vergleich zu anderen nekrotisierenden Vaskulitiden gut. In einer veröffentlichten Studie aus Barcelona wurden 32 Patienten nachverfolgt, die in den Jahren von 1977 bis 1999 mit einem gesicherten Churg-Strauss-Syndrom in der Abteilung für Innere Medizin des Allgemeinen Krankenhauses behandelt wurden. Definitionsgemäß hatten alle Patienten Asthma und eine Eosinophilie. Daneben zeigte sich eine hauptsächliche Beteiligung der Lungen, der Haut und des peripheren Nervensystems. ANCA waren bei 77,8% der Patienten nachweisbar (Untergruppe: MPO-Antikörper = Antikörper gegen Myeloperoxidase). In Gewebsproben (Biopsien) wurden nur selten Granulome außerhalb von Gefäßen beobachtet. 40% der Patienten konnten mit Cortison allein behandelt werden, bei den restlichen wurde eine zusätzliche Therapie mit Immunsuppressiva notwendig. Immunsuppressiva wurden in erster Linie bei schweren neurologischen, kardialen oder gastrointestinalen Manifestationen eingesetzt, d.h. bei einer Beteiligung des Nervensystems, des Herzens oder des Magen-Darmtraktes. Die Behandlungserfolge waren auch auf Dauer gut. Nach dem ersten Jahr der Therapie waren Rückfälle selten. Auch auf Dauer zeigte sich im Vergleich zu anderen nekrotisierenden Vaskulitiden eine nur niedrige Sterblichkeitsrate (Soleans et al, 2001).
In einer Studie von Guillevin et al. betrug die 6.5-Jahres-Überlebensrate of 72%. Eine initiale klinische Remission konnte bei 91% der Patienten erzielt werden. Im Verlauf kam es bei 22 der 96 Patienten zu insgesamt 28 Rückfällen, denen meistens eine Erhöhung der Eosinophilenzahl im Blutbild vorausging. Nur 3 Patienten erlitten mehrere Rückfälle. 17 der 22 Patienten mit Rückfällen konnten erfolgreich durch eine Intensivierung der immunsuppressiven Therapie behandelt werden. Allerdings sprachen leider 4 Patienten auf diese intensivierte Behandlung nicht an und verstarben.
Spezialisten für die Diagnostik und Therapie des Churg-Strauss-Syndroms
Spezialisiert auf die Diagnostik und Behandlung von nekrotisierenden Vaskulitiden sind internistische Rheumatologen.
Spezielle Zentren in Deutschland, die sich auch wissenschaftlich intensiv mit Vaskulitiden beschäftigen, sind insbesondere die Kliniken in
- Bad Bramstedt / Abteilung Rheumatologie der Medizinischen Universität Lübeck (Direktor/Chefarzt Prof. Dr. med. W.L. Gross), hier werden nach eigenen Angaben jährlich mehr als 1.000 Vaskulitis-Patienten betreut, und die
- Abteilung Rheumatologie der Universitätsklinik Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. med. H. Peter),
um die beiden wichtigsten Abteilungen zu nennen (ich hoffe, dass ich keine weitere wichtige Abteilung vergessen habe, ich bitte in diesem Fall jetzt schon um Entschuldigung und gleichzeitig um eine entsprechende Mail, dass ich das dann ergänzen kann.
Selbsthilfegruppen und Patientenschulung
Eine Vaskulitis-Selbsthilfegruppe wurde von der Rheumatologischen Abteilung in der Rheumaklnik Bad Bramstedt initiiert: Vaskulitis-Patienten-Selbsthilfegruppe VPS, ein bundesweiter Zusammenschluß von Vaskulitis-Patienten unter dem Dach der Rheuma-Liga.
In Bad Bramstedt wurde auch ein spezielles Schulungsprogramm für Vaskulitis-Patienten erarbeitet, das auf einer Veranstaltung des Kompetenznetzwerkes Rheuma in Hamburg vorgestellt wurde. In diesem Schulungsprogramm lernen die Patienten zum Beispiel, woran man selber die Zeichen einer akuten Vaskulitis erkennt, vor allem auch Anzeichen für Rückfälle, mit denen auch nach einer anfangs erfolgreichen Therapie bei über der Hälfte zu rechnen ist. Da diese Rückfälle meist nicht "aus heiterem Himmel" auftreten und umso besser behandelt werden können, je früher sie erkannt werden, ist eine solche Frühdiagnostik unter Mitwirkung der Patienten besonders wichtig. Dies hilft, mögliche gefährliche und vielleicht sogar lebensbedrohliche Schübe zu verhindern.
Beispiele für solche Frühzeichen, die in dem Schulungsprogramm ausführlich besprochen werden: Ein rotes Auge, punktförmige Hautausschläge, der Nachweis von Blut im Urin (z.B. mit einem einfachen Streifentest) oder auch ein Grippegefühl (bei dem es allerdings schwierig ist, eine "normale" Grippe von einem Vaskulitis-Schub abzugrenzen). Die Patienten lernen, bei solchen Symptomen sofort ihren Arzt aufzusuchen, im optimalen Fall ihren behandelnden internistischen Rheumatologen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Patientenschulung ist das frühzeitige Erkennen von unerwünschten Nebenwirkungen der Behandlung, insbesondere von Komplikationen der Therapie. Da Vaskulitiden, vor allem nekrotisierende Vaskulitiden, oft sehr gefährliche, z.T. sogar lebensbedrohliche Erkrankungen sind, müssen die Patienten häufig zu Beginn der Therapie mit sehr starken Medikamenten behandelt werden. Eine solche "aggressive" Therapie bringt natürlich die Gefahr von möglichen Nebenwirkungen mit sich, vor allem von Blutbildveränderungen (verringerte Zahl der weißen Blutkörperchen durch die Medikamente, die die überschießende Immunantwort unterdrücken sollen), resultierender Abwehrschwäche und der Gefahr von Infektionen.
In weiteren Abschnitten des Schulungsprogramms erfahren die Patietnen etwas über die Ernährung bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen, diskutieren Krankheitsbewältigungsstrategien bei Vaskulitis und lernen Grundregeln für eine gezielte unterstützende Bewegungstherapie.
Weitere Infos zu dem Schulungsprogramm erhält man unter der Telefonnummer:
Tel. 04192-90 25 76
Weiterführende Literatur und interessante Links
- Churg Strauss Syndrome and Leukotriene antagonist use: A respiratory perspective. Nazim Nathani, Mark A Little, Heinke Kunst, Duncan Wilson and David R Thickett. Thorax. Published Online First: 20 May 2008
Link zum Abstract
Wir haben in der Vergangenheit schon über einzelne Kasuistiken berichtet, nun scheint der Zusammenhang immer eindeutiger zu werden: Leukotrien-Antagonisten können bei der Therapie eines Asthma bronchiale ganz offensichtlich ein Churg-Strauss-Syndrom auslösen. - Ein sehr guter Review-Artikel (allerdings in Englisch):
http://www.jasn.org/cgi/content/full/10/9/2048
Polyarteritis nodosa and Churg-Strauss angiitis: characteristics and outcome in 38 patients over 65 years. Mouthon L, Le Toumelin P, Andre MH, Gayraud M, Casassus P, Guillevin L. Department of Internal Medicine, Hopital Avicenne and Universite Paris-Nord, Bobigny, France. Medicine (Baltimore). 2002 Jan;81(1):27-40. - Zur Frage unterschiedlicher Therapieprotokolle eine Arbeit aus Frankreich (bei der allerdings nicht zwischen Panarteriitis nodosa, M. Wegener und Churg-Strauss-Syndrom unterschieden wird):
Long-term followup of polyarteritis nodosa, microscopic polyangiitis, and Churg-Strauss syndrome: analysis of four prospective trials including 278 patients. Gayraud M, Guillevin L, le Toumelin P, Cohen P, Lhote F, Casassus P, Jarrousse B; French Vasculitis Study Group. Hospital Avicenne, Bobigny, France. Arthritis Rheum 2001 Mar;44(3):666-75 (online abrufbar)
Zu möglichen Ursachen des Churg-Strauss-Syndroms
Die amerikanische Zulasungbehörde FDA veröffentlichte auf ihrer Internetseite "Medwatch" den Brief eines pharmazeutischen Herstellers an die Ärzteschaft, in dem auf die Möglichkeit eines Auftretens von Eosinophilie und Vaskulitis im Sinne eines Churg-Strauss-Syndroms im Zusammenhang mit der Verabreichung des inhalativen Glukokortikoids Fluticason hingewiesen wird (WHO-Vigimed-Newsgroup, 25.1.99) Im System PHOENIX (gemeinsame Datenbank der AkdÄ und des BfArM) liegt bisher nur ene Verdachtsmeldung hinsichtlich Vaskulitis und Eosinolphilie unter Fluticasontherapie vor (DÄ 96:B-.779 (1999)
Weitere Infos
- Anfrage vom 30.Dezember 2004 zur Wirksamkeit von TNF-alpha-Blockern beim Churg-Strauss-Syndrom
Weitere Literatur
- TNF-alpha inhibitors in systemic vasculitides and connective tissue diseases. Lamprecht P. Department of Rheumatology, University Hospital of Schleswig-Holstein, Campus Luebeck, and Rheumaklinik Bad Bramstedt, Ratzeburger Allee 160, 23538 Luebeck, Germany. Autoimmun Rev. 2005 Jan;4(1):28-34. (online abrufbar)
- The utility of tumour necrosis factor blockade in orphan diseases. Keystone EC. Department of Medicine, University of Toronto, Ontario, Canada. Ann Rheum Dis. 2004 Nov;63 Suppl 2:ii79-ii83. (online abrufbar)
- Recent progress in the pharmacotherapy of Churg-Strauss syndrome. Hellmich B, Gross WL. Poliklinik fur Rheumatologie, Universitatsklinikum Schleswig-Holstein, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lubeck, Germany. Expert Opin Pharmacother. 2004 Jan;5(1):25-35. (online abrufbar)
- Treatment of refractory Churg-Strauss-Syndrome (CSS) by TNF-alpha blockade. Arbach O, Gross WL, Gause A. Clinic for Rheumatology, University of Luebeck, Luebeck, Germany. Immunobiology. 2002 Dec;206(5):496-501. (online abrufbar)