ACR 2010: Rheumatiker haben eine andere Mund- und Darmflora als Gesunde
Die Untersuchung der Mikroflora von Darm und Mundhöhle bei Rheumatikern (erstmals mit hoch entwickelten Techniken) ergab eine von gesunden Personen abweichende Besiedlung, die möglicherweise entzündungsfördernd ist.
Nach wie vor ist die Ursache für Erkrankung an einer rheumatoiden Arthritis (RA) ungeklärt. Im Verdacht stehen genetische und Umwelt-Faktoren. Auch infektiöse Trigger kommen als Auslöser für die Autoimmunreaktion, die der RA zugrunde liegt, infrage. Konventionelle Techniken in der Mikrobiologie haben bis jetzt nicht zu neuen Erkenntnissen geführt. Ein spezifischer Erreger wurde nicht gefunden.
Seit geraumer Zeit wir immer wieder diskutiert, dass die im menschlichen Körper lebenden Mikroorganismen in der Darmflora oder der Mundhöhle an der Entstehung von Autoimmunprozessen beteiligt sein könnten.
Die menschliche Darmflora besteht aus einer diversifizierten, nur unzureichend beschriebenen Bakterienpopulation. Achtzig Prozent dieser Bakterien lassen sich nicht kultivieren. Ihr gesamtes Genom (Mikrobiom) ist mehr als hundert Mal größer als das Genom ihres menschlichen Gastes.
Die Wissenschaftler des New York University's Langone Medical Center haben kürzlich gezeigt, dass Bakterien der Darmflora von Mäusen eine Autoimmunarthritis auslösen können (Immunology 2010TM, Baltimore).
„Die Grundvoraussetzung ist, dass es verschiedene Bakterien in der Mundhöhle und im Darm gibt, die TH17-Zellen aktivieren und so eine Entzündung fördern,“ erklärt Jose U. Scher, MD, Direktor des New York University's new Microbiome Center for Rheumatology and Autoimmunity und einer der führenden Wissenschaftler der Studie.
„Unsere Hypothese ist, dass die Charakterisierung der TH17-induzierenden Mikroorganismen Einblicke in die Pathogenese der Erkrankungen verschafft. Außerdem wird die gezielte Manipulation der Darmflora in einer Veränderung von Biomarkern für eine Arthritis resultieren.“
Jose Scher und seine Kollegen analysierten mittels DNA Amplifikation in ihrer Studie, welche Bakterien die Mundhöhle und den Darm von acht Patienten mit frischer RA, drei Patienten mit Psoriasisarthritis (PsA) und neun Kontrollpersonen ohne rheumatische Erkrankungen besiedelten.
Sowohl in der Mundhöhle als auch in der Darmflora wurden eindeutige Unterschiede festgestellt. Bakterien aus der Familie der Prevotellaceae waren im Darm der RA-Patienten durchschnittlich zu 38 Prozent zu finden, während diese Mikroorganismen bei den Nicht-Rheumatikern nur zu 4,3 Prozent vertreten waren.
Die Mikroflora in der Mundhöhle der RA-Patienten mit frischer RA war dominiert von Spirochäten, Prevotellaceae und Porphyromonaceae (durchschnittlich 53 %) im Vergleich zu Patienten mit chronisch-aktiver RA oder den gesunden Kontrollen mit 18,5 Prozent.
Bei den RA-Patienten wurden darüber hinaus periodontale Blutungen an 78 Prozent der untersuchten Stellen gefunden. Dieser Befund war für die RA-Patienten signifikant größer als bei den Kontrollen (38% PsA, 12% gesunde Kontrollen). Die RA-Patienten litten zudem häufiger unter Zahnfleischentzündungen (66%) als PsA-Patienten (25%) oder die Kontrollpersonen (12%).
Fazit:
Diese auf dem Kongress des American College of Rheumatology dieses Jahr präsentierte Studie ist die erste dieser Art, die hoch entwickelte Technologien verwendet, um die Mikroorganismen in der Mundhöhle und in der Darmflora von RA-Patienten zu identifizieren.
Die Ergebnisse bestätigen frühere Berichte über den Zusammenhang zwischen Erkrankungen des Zahnfleischs und einer RA bei jungen Patienten. Als Reaktion auf die veränderte Bakterienbesiedlung von Mundhöhle und Darm können entsprechen prädisponierte Personen Autoimmunerkrankungen entwickeln.
Das läuft möglicherweise über Mechanismen, zu denen die Bildung von cyclisch citrullinierte Peptiden oder die Aktivierung von Th17-Zellen gehört, und die das Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Aktionen des Immunsystems stören.
Als Konsequenz ihrer Ergebnisse haben die New Yorker Wissenschaftler bereits mit einer Pilotstudie mit 90 RA-Patienten begonnen, die entweder mit Antibiotika oder Placebo behandelt werden.
Ziel ist heraus zu finden, ob eine Veränderung der Darmflora durch Antibiotika die pro-inflammatorischen molekularen Mechanismen verändert. Außerdem soll getestet werden, ob so neue Therapiestrategien entwickelt werden können, die entzündliche Prozesse verringern oder gar die pro-entzündlichen Mechanismen verhindern, die zu chronisch destruierenden Arthritiden führen.
Literatur und Links
ACR 2010 (1390) CHARACTERISTIC ORAL AND INTESTINAL MICROBIOTA IN RHEUMATOID ARTHRITIS (RA): A TRIGGER FOR AUTOIMMUNITY?
Jose U. Scher, MD et al.
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Forscher entdecken veränderte Mund- und Darmflora bei Rheumatikern