Takayasu-Arteriitis
Zusammenfassung
Die Takayasu-Arteriitis ist eine sehr seltene Erkrankung aus der Gruppe der Vaskulitiden, d.h. der entzündlichen Gefäßerkrankungen. Sie betrifft in erster Linie junge Frauen. Symptomatisch wird sie vorwiegend durch die vaskulitisch (Vaskulitis) bedingten Verengungen der Gefäße und die als Komplikation im Verlauf auftretenden Gefäßverschlüsse. DieTherapie erfolgt zunächst mit Cortison. Es werden heute aber zur Cortisoneinsparung und zur Krankheitsmodifikation auch remissionsinduzierende (Remission) Substanzen wie Methotrexat (Mtx) oder andere Präparate eingesetzt. Die Stenosen müssen ggf. mit wenig-invasiven angiologischen Eingriffen wie der Ballondilatation behandelt werden, ggf. auch operativ.
Definition und Krankheitsbild
Die Takayasu-Arteriitis wird auch als entzündliches Aortenbogensyndrom bezeichnet, im angloamerikanischen Sprachraum nach ihrem charakteristischen klinischen Befund auch als „pulseless disease“ (Erkrankung, bei der man die Pulse an den Armen und den Beinen nicht tasten kann). Die Erkrankung gehört in die Krankheitsgruppe der Vaskulitiden, d.h. der entzündlichen Gefäßerkrankungen. Bei der Takayasu-Arteriitis sind von der Entzündung typischerweise die Hauptschlagader (Aorta) und ihre großen Äste betroffen, außerdem die großen Arterien in den Extremitäten, d.h. in den Armen und den Beinen. Seltener liegt auch eine Beteiligung der großen Lungenschlagader (Pulmonalarterie) vor.
Häufigkeit und Vorkommen
Die Takayasu-Arteriitis ist eine sehr seltene Erkrankung. Die Häufigkeit schwankt sehr stark in Abhängigkeit von der geographischen Region und wird mit 0.8/1.000.000 Einwohner (Norwegen) und 2.9/1.000.000 Einwohner (Review mexikanischer Autoren) angegeben (Rodevand et al. 2001, Frage und Medina 2002). Betroffen sind überwiegend junge Frauen. Allerdings gibt es unterschiedliche Verteilungen zwischen Frauen und Männern in den unterschiedlichen geographischen Regionen. In Japan besteht eine hohe Assoziation zu dem HLA-Marker mit dem Haplotyp A24-B52-DR2. Diese Assoziation ist in anderen Populationen allerdings nicht nachweisbar.
Die Erkrankung beginnt in der Regel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Erstmanifestationen nach dem 40. Lebensjahr sind extrem selten und sollten differentialdiagnostisch auch an andere Erkrankungen denken lassen.
Krankheitsursache
Die Ursache der Takayasu-Arteriitis ist nicht geklärt. Durch die Erkrankung kommt es in den befallenen Arterien zu einer chronischen Entzündung und in der Folge zu Gefäßverengungen bis hin zu Gefäßverschlüssen. Bei der feingeweblichen („histologischen“) Untersuchung der Gefäße sieht man typische entzündliche Veränderungen in der Gefäßwand mit Ausbildung sogenannter Granulome.
Symptomatologie und klinische Manifestationen
Die Erkrankung äußert sich insbesondere mit Durchblutungsstörungen der jeweils betroffenen Gefäßregionen. Dabei kommt es bei einer Beteiligung der Extremitätenarterien zu Schmerzen in den Armen oder Beinen, die bei Belastung zunehmen („Claudicatio“, „Schaufensterkrankheit“ bei einer Beteiligung der Beine). Bei einer Beteiligung von Arterien, die das Gehirn versorgen, treten die Symptome einer Minderdurchblutung des Gehirns auf, wie z.B. Sehstörungen bis hin zu flüchtigen Gesichtsfeldausfällen, Konzentrationsstörungen, Denkstörungen, bei schweren Durchblutungsstörungen oder gar Gefäßverschlüssen schlaganfallartige Symptome oder im ungünstigsten Fall regelrechte Schlaganfälle. Die Beteiligung von Arterien, die die Lunge, das Herz oder andere innere Organe versorgen, kommt es zu entsprechenden Symptomen der Unterversorgung auch in diesen Organen bis hin zu Infarkten in diesen Organen beim Auftreten von vollständigen Gefäßverschlüssen.
Im Zusammenhang mit der Vaskulitis werden unterschiedliche Hautveränderungen beobachtet, so z.B. Entzündungen des Unterhaut-Fettgewebes („Pannikulitis“), als Sonderform einer Pannikulitis auch ein Erythema nodosum oder auch brennesselartige Ausschläge („Urtikaria“). Weiterhin kann ein Raynaud-Symptom auftreten, bei dem es durch krampfartige Gefäßverengungen („Gefäßspasmen“) zunächst zu einem Absterben von Fingerkuppen, einzelnen Fingern oder auch der ganzen Hand kommt („Weißfinger-Syndrom“, „Leichenfinger“), anschließend zu einer tiefvioletten Verfärbung und bei Wiedereinsetzen der Durchblutung zu einer Rötung und Überwärmung („reaktive Hyperämie“).
Neben diesen gefäßbezogenen Symptomen können eine ganze Reihe von Allgemeinsymptomen vorliegen, z.B. Fieber und Nachtschweiß sowie Gewichtsabnahme, außerdem uncharakteristische Muskelschmerzen („Myalgien“) und Gelenkschmerzen („Arthralgien“).
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose einer Takayasu-Arteriitis ergibt sich aus der typischen Symptomkonstellation, wobei sich wichtige klinische Hinweise oft aus dem vollständigen Fehlen der Extremitätenpulse ergeben (deshalb die oben bereits genannte Bezeichnung „pulseless disease“). Sie wird durch technische Untersuchungen abgesichert, z.B. Ultraschalluntersuchungen der Gefäße („Dopplersonographie“, „Farbdoppler“), direkte Gefäßdarstellungen mit Hilfe der sogenannten Angiographie und moderne bildgebende Verfahren wie DSA („Digitale Subtraktions-Angiographie“), Kernspintomographie (MRT = Magnet-Resonanz-Tomographie, auch MNR genannt = magnetic nuclear resonance) oder Computertomogrpahie (CT). Teilweise kommen weitere Methoden wie die Szintigraphie zum Einsatz, z.B. die Ventilations-Perfusions-Szintigraphie der Lunge zur Beurteilung der Lungenstrombahn oder die Thallium-Szintigraphie oder auch die Koronarangiographie („Herzkatheter-Untersuchung“) zur Beurteilung der Herzdurchblutung.
Die wichtigste Methode ist die Angiographie, bei der die Gefäße nach Infusion eines Röntgenkontrastmittels geröngt werden. Dabei werden meistens Verengungen der Gefäße gesehen, seltener auch Aussackungen der Gefäßwand („Aneurymen“). Je nach Befallsmuster wird die Angiographie heute allerdings durch die oben genannten neueren bildgebenden Verfahren ergänzt oder sogar teilweise schon ersetzt.
Bei Blutuntersuchungen sieht man in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität Erhöhungen der Blutsenkung (BSG) und des c-reaktiven Proteins (CRP) sowie von weiteren Akute-Phase-Proteinen. Es gibt es keine Laborparameter, die spezifisch nur bei einer Takayasu-Arteriitis vorkommen.
Für die Diagnose existieren japanische und amerikanische Klassifikationskriterien (Ishikawa 1988, Arend et al. 1990). Die Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology (ACR) sind in der Tabelle zusammengefasst.
TAKAYASU-Arteriitis: Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology (ACR-Kriterien, Arend et al. 1990)
Die Diagnose einer Takayasu-Arteriitis kann gestellt werden, wenn mindestens 3 der 6 Kriterien erfüllt sind. Gegenüber anderen Vaskulitiden bestehen für die Klassifikationskriterien eine Sensitivität von 90,5 % und eine Spezifität von 97,8 % . |
Differentialdiagnose
Differentialdiagnostisch muß eine Takayasu-Arteriitis in erster Linie von den übrigen Erkrankungen aus der Gruppe der nekrotisierenden Vaskulitiden abgegrenzt werden. Dabei hilft zum einen das Befallsmuster (Befall der Aorta und großer Gefäße gegenüber dem Befall mittelgroßer oder kleiner Gefäße bzw. kleinster, nur mikroskopisch darzustellender Gefäße) und das Alter bei Erkrankungsbeginn.
Ein vergleichbares arteriitisches Befallsmuster und gleichartige histologische Veränderungen sieht man bei der Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis), die aber erst jenseits des 40. Lebensjahres auftritt, in der Regel sogar erst jenseits des 50. Lebensjahres.
Die Panarteriitis nodosa geht nicht mit einer Entzündung der Aorta (Aortitis) einher und befällt eher mittelgroße und kleinere Gefäße. Bei einem Drittel der Patienten sind zudem serologische Vaskulitis-Marker nachweisbar (pANCA, Antikörper gegen Myeloperoxidase = MPO-Antikörper).
Die Wegener´sche Granulomatose lässt sich heute in der Regel durch die typischen klinischen Manifestationen (z.B. sehr häufig Beginn mit Entzündungen im Bereich der Augen, des Nasen-Rachen-Raums oder der Ohren, „Kopfklinik“) und den sehr spezifischen serologischen Nachweisen (cANCA, Antikörper gegen Proteinase 3 = PR3-Antikörper) differentialdiagnostisch von den anderen Vaskulitiden abgrenzen.
Seltene, aber klinisch wichtige Differentialdiagnosen sind infektiöse bedingte Vaskulitiden. Früher stand dabei die Aortitis im Rahmen einer Syphilis im Vordergrund. Sie ist in ihrer Bedeutung allerdings heute stark zurückgegangen und wird nur noch sehr selten gesehen. Infektionen mit Staphylokokken und Salmonellen sind die häufigsten Ursachen für eine infektiös bedingte Aortitis und mykotischen Aorten-Aneurysmata.
Therapie
Die Therapie einer Takayasu-Arteriitis in aktiven Phasen, d.h. in der Phase von floriden Gefäßentzündungen und insbesondere auch bei hoher systemischer entzündlicher Aktivität, erfolgt zunächst mit hohen Cortisondosen, um die Entzündung in den Gefäßen rasch und wirksam zu beseitigen. Parallel erfolgen Maßnahmen zur „Blutverdünnung“, um die Gefahr von Thrombenbildungen (Thrombus) in den verengten Arterien und die Entwicklung von Infarkten und Schlaganfällen zu reduzieren. In der Regel werden dazu sogenannte Thrombozytenaggreggationshemmer wie Acetylsalicylsäure (ASS, z.B. niedrigdosiertes Aspirin) oder Substanzen wie Clopidogrel ( z.B. Iscover, Plavix) gegeben, z.T. auch in Kombination (z.B. niedrigdosiertes Aspirin und Iscover). In der Anfangsphase und in Abhängigkeit von Befallsmuster und Verlauf erfolgt z.T. auch eine medikamentöse Beeinflussung der sogenannten plasmatischen Gerinnung, z.B. mit Spritzen zur Blutverdünnung oder mit Marcumar.
Im Krankheitsverlauf und in der „Heilungssphase“ treten oft die Probleme im Zusammenhang mit den verbliebenen Gefäßverengungen („Stenosen“) oder vollständigen Gefäßverschlüssen („Okklusionen“) in den Vordergrund. Je nach Lokalisation, Ausmaß und Art der Stenosen oder Okklusionen stehen bei solchen Folgeschäden der Entzündung verschiedene therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung. Das Behandlungsspektrum umfasst dabei die breite Palette der angiologischen und angiochirurgischen Interventionen, beginnend mit wenig-invasiven Methoden wie die Ballondilatation von Gefäßstenosen oder die Einbringung von STENTS, daneben auch operative Methoden wie Bypass-Operationen, den operativen Gefäßersatz bis hin zur großen Aortenchirurgie, die allerdings spezialisierten Zentren vorbehalten sein sollte.
Im Bereich der medikamentösen Therapie führt die alleinige Therapie (“Monotherapie”) mit Cortison bei etwa 80% der Patienten zu einer Remission (el Asri et al 2002). Zum Einsparen von Cortison und zur Krankheitsmodifikation kommen heute aber auch bei der Takayasu-Arteriitis zunehmend immunsuppressive oder immunmodulatorische Substanzen (Immunsupressiva) zum Einsatz, wie wir sie von der Therapie der anderen nekrotisierenden Vaskulitiden bereits kennen (Hoffmann 1996).
Größere klinische Studien liegen zu den einzelnen remissionsinduzierenden Präparaten nicht vor. Die noch umfangreichsten Daten existieren zu Methotrexat (Hoffmann et al. 1994). Studien zeigen ein Ansprechen auf Methotrexat bei 58% der Patienten, bei denen mit einer vorhergehenden Therapie mit Cortison alleine keine ausreichende Remission erzielt werden konnte (Sato et al 2000). Tradtionell bestehen neben Methotrexat Erfahrungen und positive Ergebnisse beim Einsatz von Cyclophosphamid (z.B. Endoxan). Es erfolgten Einzelbeobachtungen mit den Substanzen wie z.B. Leflunomid (z.B. Arava).
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